Friend in Need #10 - Die offensichtliche Antwort

Ich dachte lange Zeit, der Waschmaschinen- und Trockner-Keller in meinem Wohnhaus wäre ein sehr unheimlicher Ort. Es ist dort nicht nur feucht, sondern schon eher sporig. Die Wände dort erinnern immer an diese Szene mit Stiefelriemen-Jack bei Fluch der Karibik, als er mit der Schiffswand verbunden ist. Der "Verhör- und Notfall-Aufenthalt" auf Rikers aber übertraf mein ekeliges Heim-Untergeschoss massiv.

Im flackernden Licht der spärlichen und halbdefekten Neonröhren sah es erst aus, als wäre es eine dieser massiven Graffiti-Wände, wie es sie in New York an jedem eingetretenen Kaugummi gab. Aber als ich in der klischeehaften Beleuchtung näher auf die Wände zu ging, erkannte ich, dass es sich nicht um moderne Straßenkunst handelte. Die Todesschwüre gegen diverse Helden standen hier an die Wände geschmiert, teilweise in Rottönen, die mir nur einen Schluss erlaubten. "Es ist Blut.", erklärte Stark, als ich mit einem Finger die Schrift entlang fahren wollte.

Batmans Augen schimmerten seltsam, als er die Wand betrachtete und an einer Handschrift blieb er besonders lange hängen. Iron Man hingegen nahm seinen Helm ab und schaute überraschend betroffen drein. "Einiges ist mit dem eigenen Blut geschrieben, aber das meiste kam von überwältigten Wachleuten." Dann ging auch seine Hand auf die Wand zu, aber im letzten Moment, bevor er sie berühren konnte, ballte er eine Faust. "Deshalb inhaftieren wir hier keine Superverbrecher mehr. Und deshalb hat S.H.I.E.L.D. das Gefängnis übernommen." Stark war sichtlich unzufrieden, mit der ehrfürchtigen Angst und dem Ekel in meinem Inneren hatte ich nicht besonders viel Empathie für ihn über. "Viel zu spät.", sagte er dann und ich wendete meinen Blick zu Batman.

Dessen Augen blitzten kurz auf, als hätte er ein Foto von etwas gemacht, aber noch ehe ich mir anschauen konnte, worauf er sah, sperrte er mir den Weg ab. "Wir sollten mit deinem Training beginnen.", grummelte er in seiner üblichen tiefen Stimme.

Entgegen meinen Erwartungen, war der Schwerpunkt meines Trainings ein ganz anderer, als ich vermutet hatte. "Was ist der Schlüssel zum Sieg im Kampf gegen einen Superverbrecher?", fragte mich Batman und ich hatte keine Ahnung. "Ich weiß es nicht.", sagte ich und merkte auch, dass mein Kiefer immer noch außer Gefecht war. Da habe ich mich das erste Mal gewundert, wie ich so eigentlich kämpfen lernen soll. "Mach es dir nicht so leicht, Fin. Denk nach.", ergänzte Iron Man, der mit einem großen Abstand einen Kreis um uns herum ablief. "Ihr würdet es nicht so fragen, wenn die offensichtlichste Antwort richtig wäre." - "HA! Der Junge ist gut!", klatschte Iron Man begeistert. Batman, der inzwischen ebenfalls, allerdings andersherum einen großen Kreis um mich herum abschritt, vertiefte diesen Test: "Was ist denn die offensichtlichste Antwort?"

"Ein Superheld zu sein." Das dachte ich. Anders waren die massiven Kräfte der verschiedenen Bösewichte bestimmt nicht aus zu halten. Ich hatte damals ehrlich gesagt noch nie gesehen, was diese Superverbrecher so konnten, aber wann immer es zu einem Kampf kam, lag alles in Schut und Asche. Also mussten da heftige Kräfte am Werk sein.
"Coole Spielzeuge.", nuschelte ich mit einem Lächeln raus. Batman lächelte nicht oft, was vorallem daran zu merken war, dass er nicht wusste, wie gruselig er aussah, wenn er es mit seiner Maske tat. Lachen ging, aber Lächeln ließ ihn wie einen Wahnsinnigen aussehen. Ob Ironman lächelte war nicht mehr zu erkennen, denn Stark hatte seinen Helm geschlossen.
Batman ließ mir meinen Moment des Humor-Triumphes vollständig, fragte dann aber weiter: "Was ist denn die richtige Antwort?"

"Überleben." Nach meiner Überlegung mit der Zerstörung wurde es mir klar. Übermäßige Fertigkeiten hin oder her, wer nicht getroffen wurde, dem konnte nichts passieren. Natürlich helfen coole Spielzeuge und Kräfte dabei, aber, vielleicht waren sie gar nicht so dringend notwendig, wie es den Anschein machte. Genug Passanten entkamen, wenn mal wieder irgendwo Häuserteile herabstürzten, Fahrzeuge sich überschlugen und Projektile einschlugen. Und die folgten nur ihrem Instinkt.

Iron Man nickte, vermutlich anerkennend, was nicht eindeutig zu erkennen war und Batmans Gesicht erfüllte ein gewisser Stolz. Nicht dieser väterliche, sondern dieser Stolz, wenn Menschen sich freuen, dass sie eine richtige Entscheidung getroffen haben. "Sehr richtig.", ergänzte er seinen Blick und fing an zu erklären: "Tony und ich haben beschlossen, dass der Anfang deines Trainings sich hauptsächlich mit dem Überleben von Gefahren beschäftigt. Deine erste Lektion heute wird sich ums Ausweichen drehen."

Ein zischendes Pfeifen zog meinen Kopf wieder zu Iron Man. Ich wusste bis zu diesem Augenblick auch nicht, dass es dieses Geräusch gibt, aber als ich sah, wie er seinen Arm auf mich richtete und sich irgendwas auflud, sprang ich zur Seite weg. Es sollte also keine theoretische Vorbereitung geben, sondern den Sprung ins kalte Wasser. Und wer ins kalte Wasser gesprungen ist, sollte eines sofort tun: Sich bewegen! Sonst erstarrst du. Also lief ich weiter damit Iron Man mich nicht treffen konnte und tatsächlich verfehlte sein erstes Tennisball großes, Tennisball gelbes Projektil. Aber er würde schnell meinen Laufweg vorher sehen können, daher brach in meinen Weg nach links ab, so dass ich nun auf Batman zu lief.

Dieser hob seine Fäuste. Sie wollten es mir nicht nur nicht einfach machen, sondern direkt bockschwer. Aber das machte auch Sinn, immerhin hielten sich Superschurken nicht an irgendwelche Regeln. Sonst wären sie nicht die Superschurken. Ich wendete mich nochmal nach links und spürte, wie mich eines von Iron Mans Projektilen am Hosenbein gestriffen hatte. Ich sollte erst später merken, dass es sich wirklich um Tennisbälle handelte. Aber in diesem Moment hatte mich der sportliche Ehrgeiz schon gepackt. Mir war klar, dass ich Batman und Iron Man nicht besiegen konnte, aber ich könnte mir zumindest richtig viel Mühe geben.
Und als Batman sich langsam in Bewegung setzte, wusste ich auch, dass weniger heute auch nicht gelten würde.



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