Der noble Club der Literatur

In drei Szenen

Personen:
Der Fürst von Epik
Der Fürst Lyrik
Der Fürst Dramatik
Der Speisekellner Kochrezept
Der Barkeeper Packungsbeilage
Der Oberkellner Gebrauchsanleitung
Die Jugendliche Grafik Novelle
Der Jugendliche Blog
Die Jugendliche Film

1. Szene
Von Epik, Lyrik und Dramatik haben in einem noblen Restaurant dem „Chez Kulturgut“ Platz genommen und warten darauf, bedient zu werden.

Epik: „Und so kam es, dass aus meinen Helden immer mehr Antihelden und Lebensgeschichten erwuchsen. Aber ich will mich nicht beschweren, ohne sie und ihre wilde junge Sprache könnte ich es mir nicht leisten hier immer wieder zu essen.“
Lyrik: „Das Essen, das Dinner; zu leerem Munde wohl geführt, auf das sich unsere Mägen füllen mögen und wir so immer wieder gestärkt die Hügel der Inspiration erklimmen mögen.“
Epik: „sagte Fürst Lyrik und alle sahen sich nach einem Kellner um, damit sie bestellen können.“
Dramatik: „Du epikst schon wieder!“
Epik: „Bitte was?“
Dramatik: „Du epikst. Du gibst alles in einer Erzählung wieder.“
Lyrik: „Verzeih es der eine dem anderen Fürst, doch bekamen doch schon alle mit, es passiert ihm mit jedem Schritt, das Erzählen ist der Fürsten von Epik, sein Tick.“
Dramatik: „Nun gut. Ist auch nicht so dramatisch. Kellner tritt auf, bietet den Gästen Getränke an.“
Packungsbeilage tritt auf.
Packungsbeilage: „Gebrauchsinformation: Kellner und Barkeeper Packungsbeilage. Lesen sie sich die Packungsbeilage sorgfältig durch, bevor sie mit der Einnahme der Getränke beginnen.
Was ist der Kellner und wann wird er verwendet?...“
Dramatik unterbricht: „Erspare uns die Regieanweisungen und diesen ganzen Nutztext und bring jedem von uns einfach einen Champagner der Sorte Nobel Spezial.“
Packungsbeilage geht ab.
Lyrik: „Des Mitleid unbarmherziger Pfeil könnte ihn treffen, von dem Kellner will ich sprechen, der da so von seiner Form benommen, dem Dienste niemals wird entkommen.“
Dramatik: „Ich habe Hunger. Wo bleiben denn die Rollen?“
Epik: „ sagte Fürst Dramatik und meinte damit die Brotrollen, die es in einem Restaurant immer gab. Mit dieser Kräuter-„
Dramatik unterbricht: „Du epikst!“

Epik: „Entschuldige. Wieso ermahnst du Lyrik eigentlich nicht, dass er immer zu dichtet?“
Dramatik: „Blut, mein Freund, ist dicker als Wasser. Wir tragen vielleicht alle den selben Rang, aber mir geht die Verwandtschaft immer noch vor.“
Lyrik: „Wer einen Bruder hat, der hat sowohl Freund als auch Familie, wer einen Freund hat, der hat nur einen weiteren Idealisten an seiner Seite.“
Packungsbeilage und Kochrezept treten auf. Packungsbeilage bringt die drei Weingläser.
Packungsbeilage verärgert im Abgang: „Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihren Arzt oder Apotheker.“
Kochrezept: „Eine Mahlzeit für Gäste zu bereiten kann ein leichtes sein, wenn man vorher weiß, welche Zutaten man braucht, also: Was darf es sein für die Herren?“
Dramatik: „Ich möchte etwas, dass mich, wie sage ich es, „fördert“.“
Kochrezept: „Eine Cremesuppe aus einem unserer Kulturfördertöpfe ist schnell gemacht und sehr förderlich.“
Dramatik: „So eine hätte ich dann gerne.“
Epik: „und sein Freund Epik stimmt ihm zu.“
Lyrik: „Ich auch.“
Epik und Dramatik schauen Lyrik erstaunt an.
Lyrik: „Was ist? Vielleicht hat es ja den Schein, aber auch die Lyrik greift nicht immer zum Reim.“
Alle schauen nach vorne aus der Szene. Vor dem Restaurant wird es laut.
Epik: „Vor dem Restaurant wird es laut. Zwei Jugendliche laufen auf und ab und einer von ihnen zieht eine Sprühdose.“
Dramatik: „Das sehen wir selbst. Du epikst schon wieder.“
Kochrezepte: „Wichtig: Diese Zwei Zutaten müssen richtig behandelt werden, sonst können sie giftig wirken.“
Kochrezept geht zügig ab.
Lyrik: „Was könnte dieser Unholde Absicht nur sein? Warum dringen sie in unsere Zeilen ein? Und wieso pfeift der eine „Pffft!“ im Dosenklang, als ob seine Dose es nicht selber kann?“
Dramatik: „Was steht da?“
Epik: „ Zack! Bumm! Nicht mit uns! Wir sind auch Kunst!“
Lyrik verärgert: „Hey, du lyrikst!“



2. Szene
Packungsbeilage steht an eine Wand gelehnt im Hinterhof des Restaurant und fummelt in seiner Jackentasche rum. Kochrezept kommt dazu.
Packungsbeilage genervt: „Nehmen sie mehr als eine Dosis von diesen Gästen zu sich. Bei zu häufiger Einnahme können sich Übelkeit, Kopfschmerzen und Durchfall einstellen.“
Kochrezept lacht beruhigt sich aber schnell.
Kochrezept ebenfalls genervt: „ Nehmen sie 3 Literaturgattungen und rühren sie mit einem ordentlichen Schuss Gesellschaftsrotwein unter und fertig sind die arroganten Arschlöcher.“
Packungsbeilage lacht nicht und fingert eine Zigarette aus einer Schachtel in seiner Jackentasche, die er sich direkt ansteckt.
Kochrezept überrascht: „Rauchen ist ungesund.“
Packungsbeilage: „Und gefährdet die Menschen in ihrer Umgebung. Na und? Ich mach Pause. Nur weil Herr Fürst von und zu Dramatik da drinnen alle Figuren eindeutig dosiert, muss ich seine bitteren Pillen ja nicht schlucken.
Kochrezept: „Gib mir auch eine.“
Beide rauchen an der Wand lehnend. Die Jugendliche Film tritt auf.
Film: „Die Musik setzt aus, eine Neonröhre flackert im Hintergrund, Kamera auf Augenhöhe und Action!“
Kochrezept und Packungsbeilage schauen sich verwirrt an.
Film: „Entschuldigen sie, können sie mir sagen, ob in ihrem Restaurant die Fürsten Lyrik und Dramatik speisen?“
Kochrezept geht auf sie zu: „Du. Für sie sind wir du. Entschuldige. Ich meinte, du brauchst uns nicht siezen.“
Packungsbeilage bleibt stehen: „Unser Restaurant hat die Fürsten eingenommen, aber als Nebenwirkung Migräne bekommen.“
Kochrezept plötzlich aufgeregt zu Packungsbeilage: „Und Sodbrennen! Das hab ich ganz vergessen zu erzählen. Zwei Jugendliche kochen am Eingang ihr eigenes Süppchen auf einem Krisenherd.“
Packungsbeilage raucht unaufgeregt weiter.
Kochrezept zu Film: „Aber warum möchtest du wissen, ob diese verkochten Fürsten bei uns sind?“
Film: „Kamera auf Films Gesicht. Dunkler Filter. Die Fürsten sind meine Mentoren und auch Vorgesetzten. Ich bin ihre Praktikantin und wollte sie heute fragen, ob ich vielleicht mehr größere Projekte bekommen könnte.“
Kochrezepte: „Was für Projekte? Was machst du in deinem Praktikum?“
Film: „Ich muss die Ideen von Epik und Dramatik visualisieren, so dass sie den Ansprüchen von Beiden gerecht werden.“ Sie seufzt. „Keine leichte Aufgabe.“
Kochrezepte: „Du kannst Ideen Visualisieren? Ich beneide dich. Ich kann nur kochen.“
Film lächelnd: „Ich mag es, wenn jemand kochen kann.“
Packungsbeilage im Abgehen: „Ich gehe dem Oberkellner als Beruhigungsmittel zur Seite stehen und lass euch mit euren Symptomen alleine.“
Film und Kochrezepte lächeln.


3. Szene
Grafik Novelle und Blog laufen vor dem Restaurant vor der besprühten Scheibe hin und her. Der Oberkellner Gebrauchsanleitung kommt hinzu.
Blog: „Ich hatte euch ja schon geschrieben, dass ich heute gegen diese Ungerechtigkeit demonstrieren gehe. Anbei ein paar Bilder von Grafik Novelle und mir vor dem Restaurant.“
Grafik Novelle: „Klick! Foto.“
Gebrauchsanleitung: „Ein Gebrauch der Sprühfarbe auf glatten transparenten Ebenen ist nicht zu empfehlen. Vorsicht! Nur in gut gelüfteten Räumen und mit Atemschutzmaske verwenden!“
Grafik Novelle: „Noch ein Gefangener seines Schemas. Zack! Bumm! Du musst ausbrechen!“
Gebrauchsanleitung verwundert: „Ausbrechen? Besprühen ist nicht der Verwendungszweck dieses Restaurants!“
Blog: „Wir sind die Gemeinschaft und wir verändern die Welt. Wir verändern die Regeln mit der Macht der Masse.“
Grafik Novelle: „Wir sind neue Helden in ansprechenden Formen und Farben. Wir brechen die alte Ordnung!“
Gebrauchsanleitung: „Ist ja gut. Genug. Was wollt ihr denn erreichen?“
Blog: „Anerkennung von den hohen Fürsten. Wir sind auch Kunst, wir wollen auch im Kulturgut speisen können! Die Privilegierten sollen etwas von ihrem Kuchen abgeben.“
Grafik Novelle: „Oder wenigstens zu ihren Kindern stehen, immerhin ist der ach so gescheite Fürst von Epik mein Vater!“
Gebrauchsanleitung: „Ihr Vater? Dann wird er also für diesen Schaden aufkommen?“
Blog: „Schaden? Wir verhungern hier doch fast. Wir wollen auch in den noblen Literaturclub gehören dürfen. Entweder man lässt uns freiwillig hinein, oder ihr werdet den großen Schaden noch erst haben!“
Blog und Grafik Novelle heben beide einen Stein vom Boden.
Blog: „Wir sind vernetzt und viel schneller als ihr alle. Wenn wir einen Stein nach euch werfen...“
Grafik Novelle: „...dann geht das ZACK! BUMM! KLIRR! Und bis ihr die Scherben zusammen gefegt habt und reagiert habt, haben wir entweder den nächsten Stein in der Hand...“
Blog: „...oder klauen euch die Inhaltsstoffe aus euren Vorräten.“
Gebrauchsanleitung erstaunt: „Ihr seid ja ein starkes Team.“
Grafik Novelle und Blog zusammen: „Wir haben ja auch einen gemeinsamen Webcomic!“
Gebrauchsanleitung: „Aber ihr wendet euch an den Falschen. Ich nutze dem Restaurant nur, ich be-nutze es nicht.“
Grafik Novelle: „Also doch der Stein!“
Grafik Novelle wirft den Stein in die Scheibe.
Grafik Novelle: „KLIRR!“
Von Epik, Dramatik und Lyrik treten vor.
Lyrik: „ Schmrgl! Haken! Hirsch! Frnz!“
Dramatik wütend zu Grafik Novelle: „Jetzt ist Lyrik wieder ganz Dada! Was sollte das denn?“
Grafik Novelle: „Wir machen uns ein Bild vom Kulturgut und sprengen den Rahmen, damit wir hinein passen.“
Dramatik: „Und dafür das ganze Theater?“
Grafik Novelle: „Kein Theater! Viele Bilder.“
Blog in ein Handy tippend: „Das ist gut. Das stelle ich direkt online.“
Epik: „Was? Ich verstehe nicht. Wollt ihr die erzählten Geschichten verändern? Was soll denn das hier?“
Blog: „Wir wollen auch die selbe Anerkennung wie ihr. Ihr seid alt und werdet deshalb respektiert, denn viel Arbeit liegt schon hinter euch und natürlich noch einige vor euch. Aber wir wollen auch arbeiten. Wir wollen auch Anerkennung und den Lohn dafür. Warum sollen wir verhungern?“
Grafik Novelle: „Fürst von Epik, ich bin doch deine Tochter. Ich sehe dir vielleicht nicht ähnlich, aber ich trage deine Züge in mir.“
Epik zögernd: „Meine.....Tochter?“
Lyrik: „Angriff auf unser edlen Tafel, doch so reinlich ist doch unser....“
Blog unterbrechend: „..Geschwafel!“
Lyrik: „ Und eure Wort wild und blind, wir sind die einzigen die sind. Und vielleicht fühlt ihr euch in eurer Inspiration zwar heiter, aber wie geht dieses Schauspiel weiter?“
Dramatik: „Einleitung – Wendepunkt – Lösung. Unsere Geschichte ist ein Schauspiel?“
Epik: „Kann es sein, dass du jetzt dramatikst?“
Dramatik: „Erst werden die Figuren vorgestellt.“
Grafik Novelle nimmt einen Stein in die Hand.
Dramatik: „Dann wird das Problem vorgestellt.“
Grafik Novelle jongliert weiter den Stein.
Dramatik dramatisch: „Und dann....“
Grafik Novelle holt zum Wurf aus und zielt auf Lyrik.
Lyrik ängstlich: „Kommt es wohlmöglich zu einer Tragödie.“
Epik: „Aber wie soll unsere Geschichte von hier an weiter gehen?“
Grafik Novelle: „Sagt eurem Oberkellner doch nur, dass er uns in Zukunft auch in euren noblen Literaturclub lassen soll. Wenn doch genügend Platz für uns alle da ist, dann müssen auch keine Steine mehr fliegen.“
Epik: „Eine Idee, die durchaus Stoff für eine Geschichte ist.“
Lyrik: „Oder ein Gedicht, das wäre doch auch schön oder nicht?“
Dramatik: „Und ich könnte aus diesem Stoff vielleicht eine Geschichte mit verteilten Rollen schreiben. „Der noble Literaturclub“. Wo ist Film? Sie muss das visualisieren!“
Film und Kochrezept treten Arm in Arm auf und passieren die anderen.
Film laut: „Das kann ich nicht! Mein Freund und ich ziehen uns zurück und werden zusammen Kochsendungen in die Welt setzen.“
Film und Kochrezept gehen wieder ab.
Epik: „sagte sie und so endete die Geschichte von dem noblen Literaturclub und seinen neuen Mitlgiedern.“
Dramatik: „Und dafür das ganze Theater!“
Ende

Anmerkungen: Entschuldige die Verspätung, aber es sollte auch meinen Ansprüchen genügen.

Kommentare

  1. Das ist mit das Beste, was ich hier jemals gelesen habe. Sehens, hörens und lesenswert. Ich will ein Film, ein Hörspiel eine Liveaufführung und eine Fortsetzung. :D
    *Der Imperator klopt JayNightwind
    anerkennend auf die Schulter und verlässt die Bühne.*

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  2. Dem kann ich nur beipflichten. Sehr gute Idee. Ich bin aber eher für die Umsetzung als Webcomic.

    .."Zwei Jugendliche kochen am Eingang ihr eigenes Süppchen auf einem Krisenherd." - ausgezeichnet :D

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  3. Ich fand es auch sehr interessant zu lesen! Auf so eine Idee muß man erst mal kommen... ^^

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  4. Ich liebe es =)
    Humorvoll, tiefsinnig, spitz und analytisch - ich hab mich schon beim ersten Lesen wie geplättet vor begeisterung gefühlt, das hat sich bis heute nicht geändert. Ein großer Text.
    Ein anschaulicher und unterhaltsamer Text zu deinem Literaturverständnis.
    Vielleicht auch gerade sehr interessant für diejenigen, die sonst mit "klassischen" Literaturgattungen wenig zu tun haben. Grandioses dramatis personae.

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