Thesen eines Mittwochs

Der Mensch in der Großstadt hat es nicht leicht. Als einzelne Person ist er ein Punkt von tausenden in einer diffusen fleischigen Masse. Um nicht in dieser Menge unter zu gehen; um nicht vergessen zu werden, individualisiert er sich. Er versucht Merkmale zu schaffen, die ihn von anderen unterscheiden. Über Musik, Kleidung, Aufenthaltsorte, Frisur und Auftreten versucht er seine Identität nach Außen zu tragen.
Wenn aber sich alle Menschen zeitgleich individualisieren, dann grenzen sie sich voneinander ab. Sie messen sich an ihren Nachbarn und ihrem Umfeld und versuchen sich noch weiter zu individualisieren.
Erkennend, dass er nicht alleine bestehen kann, sucht der Mensch sich nun Individuen die in verschiedenen Bereichen Merkmale mit ihm teilen. Es bilden sich Gruppen und Subkulturen. Je stärker eine Subkultur, desto deutlicher sind ihre Erkennungszeichen.
In einem Feld von verschiedenen Gruppen, die verschiedene Merkmale und zum Teil sogar Einstiegskriterien haben, kann der Mensch merken, dass er gar nicht mehr individuell und besonders ist. Er hat lediglich innerhalb einer großen Gruppe eine Schnittmenge, eine kleinere Gruppe geschaffen.
Anhand von weiteren Individualisierungsmerkmalen fängt er an sich weiter ab zu grenzen um seine einmalige Persönlichkeit weiter heraus zu stellen. Um eine Blase zu schaffen. Seinen Raum in dem nur er zählt.
Er läuft damit Gefahr zu vereinsamen. Die vollständige Individualisierung kann nämlich nur dann erreicht werde, wenn man mit keinem anderen in seinem Umfeld eine erkennbare Gemeinsamkeit hat. Könnte man denken.

Die Erfahrungen die ein Mensch macht sind einmalig. Und selbst wenn zwei Menschen dasselbe erleben, so nehmen sie es aus verschiedenen Positionen wahr. Niemals können zwei Menschen den exakt selben Platz einnehmen.
In Wirklichkeit machen uns unsere Erfahrungen individuell. Sie sind der Startpunkt der langen Kette von Vorgängen, die in unseren Erkennungsmerkmalen, Vorlieben und anderen, nach Außen getragenden, Individualisierungsmerkmalen endet.
Um dem zunehmenden Gefühl der Einsamkeit also entgegen zu gehen, könnten wir versuchen unsere Individualität über Erfahrungen zu definieren.
Wir müssen vielleicht mehr kommunizieren und uns austauschen, denn je mehr Wissen wir unseren Erfahrungen zu führen desto besser können wir sie vergleichen und definieren. Und so können wir besser feststellen, dass wir individuell sind.


Anmerkung:
Die Inspiration für diese Gedanken kam aus einem sehr tollen Gespräch mit einer guten Freundin. Es handelt sich hierbei quasi um eine Zusammenfassung des Gesprächs.
Wenn ihr andere Ansichten habt oder denkt, dass ich falsch liege, dann kommentiert bitte. Ich würde mich freuen.

Kommentare

  1. Es stimmt, der Mensch indiviualisiert sich durch Vergleiche. Es gibt kein "Ich" ohne "Du".

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  2. Anonym21.12.08

    Ich schließe mich Sonne an!

    p.s. Schöner Text, by the way.

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