"Das Kapital", Tee und Monitore


Dampfend stand der Becher voller Tee vor mir auf meinem Schreibtisch. Eingekuschelt in meiner schwarzen Winterjacke schaute ich auf die Bildschirme. In ein paar Minuten ging sie los, die große Show. Mein Chef mochte es nicht wenn ich es so nannte. Aber ich konnte mich einfach nicht wehren. Es war immer ein riesen Ereignis, wenn er den Hof verließ.
Hier wurde es dann immer unheimlich ruhig. Der Vorarbeiter machte nur noch die Generatoren und Maschinen aus und dann ging es auch für ihn in die verdienten Betriebsferien. Ich freute mich zu sehen wie am letzten Tag alle nach und nach durch das Tor strömten um an die verschiedensten Orte der Welt zu verschwinden. Auf in den Urlaub.
Ich brauchte so was nicht. Mir war nie nach Urlaub. Mein Job hier gefiel mir so gut, ich ging nur ungern weg. Ich mochte die Rituale und all diese Prozesse die immer gleich blieben.
Freudig knabberte ich an einem Keks und beobachtete Patch, auf meinen Monitoren, wie er durch die Flure ging und die letzte "Abnahme" machte. Auf einem der Schirme sah ich den Chef. Seine Frau stand an seinem Wagen und drückte ihm noch einen dicken Kuss auf, bevor es los ging. Er muss heute arbeiten. Ausgerechnet an Heiligabend. Aber er ist ja nicht alleine. Ich arbeite ja auch.

Ich erinnere mich immer wieder gerne an mein Bewerbungsgespräch. Es fand in einem lauschigen kleinen Café in Hamburg statt. Es war der vielleicht dunkelste Ort an dem ich je war und mich wunderte es sehr, hier her eingeladen zu werden für ein Bewerbungsgespräch. Mein Chef war ein dicker älterer Herr, mit herzhafter Lache und Apfelwangen. Er fragte mich ob mir Kälte etwas ausmache und ob ich Lust hätte in meinem Beruf viel zu erreichen.
Ich wollte einfach nur Leben, nicht an irgendwelchen Zahlen gemessen. Ich hatte nie Familie oder viele Freunde, ich war viel für mich allein. Ich sagte ihm, ich wäre ein einfacher Mann und eigentlich würde mir ein ganz einfacher Beruf auch reichen.
Er sah mich tief und eindringlich an. "Du bist ein ganz besonderer Mann, Euergetes, und deshalb sollst du auch einen ganz besonderen Job bekommen." Er kannte meinen zweiten Vornamen. Ich hatte keine Ahnung woher. Er stand weder auf dem Lebenslauf, noch in dem Anschreiben meiner Bewerbung.

Patch klopfte an die Scheibe meines kleinen Nachtwächterhäuschens. Es war Ritual. Wie jedes Jahr kam ich heraus, gab ihm eine kleine Weihnachtskarte und umarmte ihn. "Euergetes, mein Freund, ich wünsche dir schöne Feiertage. - "Danke Patch, ich dir und deiner Familie auch." Dann sahen wir zur Ausfahrt. Das Tor war schon offen und der Chef vorgefahren. "Gleich geht es wieder los.", flüsterte ich Patch zu. Obwohl ich bereits seit Fünf Jahren hier war, war es doch immer wieder beeindruckend. "Du hast dir das Kind im Herzen erhalten, Euergetes. Das ist toll." In der Tat. Ich hatte wirklich diesen kindlichen Glanz in den Augen. Ich spürte es sogar selbst.
Aber ich glaube, dass muss so sein, wenn man für den Weihnachtsmann arbeitet. Patch und all die anderen guten Herzen der Fabrik, auch sie hatten immer diesen Glanz. Das Blitzen einer guten Idee oder das ansteckende Funkeln einer lachenden Seele.
Als der Schlitten aus der Einfahrt flog, da hatte Patch ein seeliges Lächeln im Gesicht stehen. "Jetzt kann ich in den Urlaub.", sagte er freudig. Ich umarmte ihn ein letztes mal, klopfte ihm auf die Schulter und wünschte ihm eine gute Reise. "Bis im Februar dann, Euergetes." - "Fröhliche Weihnachten Patch!" - "Fröhliche Weihnachten!"

Ich setzte mich wieder in mein Häuschen und griff mir ein Buch aus meinem Schrank. Als Nachtwächter des Weihnachtsmanns brauchte man nicht mit besonders vielen Ereignissen rechnen. Vorallem Heiligabend nicht. In vielen Stunden, wenn es wieder hell war, dann würde Santa zurück kommen. Nur ich und die Frau des Weihnachtsmanns waren jetzt noch hier. Auch sie mochte Rituale. Ich wette sie schaut jetzt wieder "Santa Claus" im Fernsehen. Ich fand das immer ulkig.
Ich war gerade richtig in "Das Kapital" und meinen Tee vertieft, als mein Telefon klingelte. Wie jedes Jahr. "Santa Claus" war vorbei und Frau Weihnachtsmann rief mich jetzt zum Abendessen. "Euergetes, ich habe gerade gekocht, magst du nicht rüber kommen?" - "Natürlich Frau Weihnachtsmann. Ich bin in ein paar Minuten im Haus." Sie hatte diese herrlich singende Stimme. Ich glaube, man hätte ihr nie etwas ausschlagen können.
Tief in meiner Dienstjacke vergraben schob ich mich durch das freudige Schneetreiben rüber zum Haus des Nikolaus. Sofort dachte ich an das lustige Kinderspiel. Das "Haus des Nikolaus" in einem Zug zeichnen. Es war immer toll und ich habe immer wieder aufs Neue vergessen wie es geht.
Es gab eine tolle warme Weihnachtssuppe. Frau Weihnachtsmann kochte vegan und mit sehr viel Gemüse. Das war mir nur recht, denn wenn man das ganze Jahr Süßigkeiten, Schokolade, Kekse und Kuchen sah und zu sich nahm, war man froh über etwas Grünes.
"Euergetes, wirst du nachher wenn Santa wieder kommt, ihn empfangen und bei den Rentieren helfen?" - "Natürlich. Wie jedes Jahr." - "Du bist zu gut, Euergetes." Ich wurde etwas Rot im Gesicht und freute mich total, dass Frau Weihnachtsmann mir durch die Haare fuhr. Ich hatte wirklich noch ein Kind in mir und es fühlte sich total wohl.

"Was liest du denn zur Zeit?" - "Das Kapital." - "Du machst auch vor nichts halt, oder?" - "Es beinhaltet interessante Ideen." - "Ich weiß. Schön, dass du immer noch so neugierig bist." - "Außerdem sieht der Autor dem Chef sehr ähnlich." Frau Weihnachtsmann lachte. Und ich lachte auch. Ich hatte eine Unsterbliche zum Lachen gebracht. Das gefiel mir.
Nach dem Essen saßen wir noch etwas zusammen und unterhielten uns über Staatensysteme und die Wirtschaft, über das Streben nach Geld und dass die Menschen sich wieder zu sich selbst besinnen. Frau Weihnachtsmann war eine tolle Gesprächspartnerin. Aber die Zeit war viel zu schnell verflogen und ich musste meinen ersten Rundgang machen. Ich stieg wieder in meinen Mantel und wollte gerade heraus gehen, da hielt mich Frau Weihnachtsmann auf. Sie streckte mir einen kleines Päckchen entgegen. "Von mir und Santa."
Ich war überrascht. Mir fiel plötzlich auf, dass ich all die Jahre nie ein Weihnachtsgeschenk bekommen hatte und auch den Beiden nie eines gemacht hatte. Es war "Die Regeln des Glücks" vom Dalai Lama. Ich hatte es schon länger gesucht und auch angemerkt, dass es in Santas Bibliothek fehlt.
"Danke sehr.", strahlte ich heraus und Frau Weihnachtsmann sah meine Kinderaugen. Es war immer irgendwo ein Kind in mir geblieben.
"Fröhliche Weihnachten, Euergetes."
"Fröhliche Weihnachten."



Anmerkung:
Mit dem Titel bin ich nicht ganz glücklich und ich befürchte, es sind auch noch Fehler im Text. Aber er ist mitten in der Nacht entstanden, ich hoffe du hast dafür Verständnis.


Ich wünsche dir und deiner Familie ein frohes Fest und schöne Festtage. Lass dich schön beschenken und mögen deine Wünsche in Erfüllung gehen. Fröhliche Weihnachten!

Kommentare

  1. Der Nachtwächter des Weihnachtsmanns. Unglaublich. Hervorragend. Ich verneige mich neidisch.

    Für dich und deine Geliebten und dich Liebenden wünsche ich ein besinnliches frohes Weihnachtsfest!

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  2. Feliz Navidad, Jay! :-D

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  3. Eine schöne Idee.
    Ich wünsche auch dir schöne Weihnachtsfeiertage. :)

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  4. Du überraschst mich immer wieder.
    Manchmal wünschte ich, ich könnte die Welt mit Deinen Augen sehen. ;-)

    Ich hoffe, du hast ein paar schöne Weihnachtstage gehabt.

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  5. Die Idee is echt super, und wie du schon gesagt hast, der Titel is... Mist. Kannste besser, und mit dem Titel lässt du diese tolle Geschichte nich drucken! *Nudelholz heb*

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