Leerzeichen

Autor: Jay
Verfasst: 13.09.2009

Leerzeichen

Unmittelbar nachdem ich die Augen auf mache, da fehlst du schon. Da ist dieser Platz im Bett an dem du immer liegst. Oder eher in dem du liegst, denn über die Zeit hinweg hast du feinsäuberlich meine ausgeleierte Matratze an deinen zarten Körper gewöhnt und dich liebevoll abgedrückt. Mit ein wenig Gips könnte ich dich mit Hilfe meiner Matratze vermutlich gießen, oder zu mindest eine linke Seite von dir. Auf der liegst du nämlich immer. Damit du im Schlaf auf mich aufpassen kannst hast du gesagt. Und damit du morgens direkt etwas siehst, dass dir wichtig ist. Ich schmunzele, als ich auf die leere Form im Bett schaue.
Die Dusche läuft nicht, als ich in feinster Morgenroutine den Frühstückstisch decke. Und du fluchst auch nicht, dass ich sie immer noch nicht repariert habe. Du singst aber auch nicht, so wie sonst, während du dir nicht die Haare fönst. Während ich am Herd etwas Rührei mit einer ganz ganz leichten Zimtnote zaubere, wie du es so gerne magst, kommst du nicht herein und grinst mich an. Dass du keine Zeitung auf den Tisch gelegt hast, merke ich, als ich alleine anfange meinen Kaffee zu schlürfen und meine rechte Hand leer ist.
Da steht ein anderes Auto, wo sonst deines steht. Neben meinem Wagen steht irgend so eine rote Sportschleuder, nicht dein schwarzer Kombi. Irgendwie füllt er deine Parklücke nicht aus und schief steht er auch noch. Die zauberhafte Zweisamkeit unserer beiden schwarzen Autos ist aufgelöst. Es ist auch kein Handabdruck von dir an meinem Seitenfenster, da wo du so gerne deine Hand hingehalten hast, wenn ich zu Arbeit gefahren bin.
Irgendwann zwischen all den Emails von Geschäftspartnern und Käufern kommt eine Email mit leerem Betreff. Ich freue mich und überlege kurz, ob ich sie für die Pause aufbewahre, oder sofort lese. Ich schau über meinen Monitor ob jemand mich sieht und öffne sie. Sie ist leer. Du schreibst nicht über deinen bisherigen Tag und auch nicht was wir heute Abend machen. Ich antworte mit „Ich freu mich jetzt schon drauf.“
In der Pause erzählen alle von ihrem Wochenende und ihren Frauen, ich erzähle nicht von dir. Ich will dich nicht teilen und was wir so zusammen machen und was nicht, dass geht keinen etwas an.
Als ich in meinen Wagen steige um nach hause zu fahren, da bekomme ich eine SMS. Nur Leerzeichen, vermutlich von dir. Ich lächele etwas und stelle mir vor, was du mir so alles sagen willst in 160 Zeichen. Als ich am Steuer sitze atme ich plötzlich ganz schwer. Ich bin einsam geworden seitdem du weg bist.
Den Abend verbring ich dann mit Bier und Chips vorm Fernseher. Irgendwo unter dem Sofa ist der Karton mit unseren Urlaubsfotos und anderen Erinnerungen. Erinnerungen die gut und sicher in der Vergangenheit liegen. Ich geh früh ins Bett und starre die Zimmerdecke an.
Du bist damals gegangen und ich könnte nicht einmal sagen wohin. Vielleicht bist du in einer anderen Stadt mit einem anderen Mensch und hast tolle Kinder mit ihm. Auf der Klingel stünde „Meier &            ". Oder du bist irgendwo in dieser Welt und kämpfst für den Frieden. Oder vielleicht bist du auch gestorben, was ich dir nicht wünsche. Wenn ich dann einmal deinen Grabstein finde, dann wird darauf das stehen, was du bei mir hinterlassen hast:










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Kommentare

  1. Anonym7.10.09

    Ich find es sehr traurig, aber auch sehr schön.

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  2. Anonym7.10.09

    Es ist einfach grottig.

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  3. An Anonym1: Danke.

    An Anonym2: Wenn du das inhaltlich ausführen kannst, dann würde mir das helfen. Danke.

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  4. Gefällt mir, erinnerte mich an irgendwie an Frege: Eine Funktion bruscht ein Argument um sich zu füllen...
    Der Typ ist echt wie ein Funktion..
    schöner Text, aber sehr unsympathischer Typ, Bett,E-Mails, Sms, Autos und Geschäftspartner, waren das die Stellen die seine Freundin füllte? Was ist mit Zeit?

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  5. Er ist wirklich wie eine Funktion, das mag sein, aber diese kleine Situationen sind einfach nur Momentaufnahmen. Er verbindet nicht seine Frau/Freundin damit, sondern nutzt diese Situationen als zeitliche Orientierung.

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