Herr Hirsch
"Sehen sie", so sprach es
Herr Hirsch "im Laufe der Jahre haben wir es ja geschafft, aus
den wenigen Ressourcen die wir haben, ein echte Wertanlage entstehen
zu lassen. Als weiche Standortfaktoren sind wir ja gar nicht mehr weg
zu denken. Wenn es damals noch galt, dass die städtische Wirtschaft
uns verdrängen könnte, haben wir uns ja doch durchgesetzt.
Die weichen Standortfaktoren, die wir
mit unserem Naherholungsgebiet schon seit vielen Generationen bieten,
können die materialbezogenen Konzernvorstände überhaupt nicht
erschaffen, geschweige denn erdenken. Wir haben uns unsere
Natürlichkeit immer erhalten.
Die Vergnügungsparks, In-Kneipen und
anderen urbane Unterhaltungsbetriebe mögen zwar gelegentlich eine
erfrischende Wirkung haben, doch der Effekt der Innovation braucht
sich doch sehr schnell auf."
Herr Hirsch atmete einmal schwer durch,
sah meinen skeptischen Blick, fuhr dann aber fort: "Sehen sie,
ich will ihnen ja gar nicht absprechen, dass die Stadt ein schöner
Ort sein kann, aber ich denke, es zieht den Menschen wieder in die
Natur. Er will etwas erfahren, das nicht geplant, organisiert und
strukturiert ist. Hier hat alles seinen eigenen Geruch, alles
verändert sich und wächst. Fahren sie in der Stadt im Abstand von
einem Monat zweimal an den selben Ort, dann sieht es doch meist
gleich aus, aber im Wald, da lebt die Veränderung.
Und trotz all dieser Veränderung, gibt
es bei uns traditionelle Werte.", er deutet eine Bewegung an,
als würde er eine Tasse Tee trinken, "die so oft erwähnte
Gemütlichkeit, die findet man doch kaum noch in der Stadt. Alles hat
sich in einem so hohen Maße beschleunigt, dass selbst der Mensch
nicht mehr mithalten kann. Man hat versucht sich schneller zu
bewegen, als es die Natur vorgesehen hat, mit Autos, Zügen und
Flugzeugen und rennt dabei der Zeit hinterher, nur um Fünf Minuten
mehr Pause zu haben. Würde man sich aber mehr in dem Tempo bewegen,
dass für einen vorgesehen ist, dann hätte man ganz automatisch mehr
Pausen. Unser Wald, der hat keinen Platz für Autos, Züge, Flugzeuge
und Hektik. Wer sich hier her begibt, der bewegt sich so langsam, wie
es für ihn nötig ist. Und die Zeit, die man sonst mit komplexen
Lenkbewegungen und Vorsicht verbringt, die kann man jetzt ins
unaufmerksame gedankenlose Träumen investieren.
Sehen sie, wenn ich mich nicht auf
diesen Weg begeben hätte, dann wären wir wohl nie aufeinander
getroffen und hätten auch nie diesen angeregten Impuls über das
Leben im Wald gehabt. Sie sind Städter und haben es eilig, dass sehe
ich, ich nehme mir jetzt die Ruhe. Mir ist kalt, ich würde gerne
einen Tee trinken und dann sollte ich schlafen gehen."
Zweifelnd beobachte ich, wie er die
Augen schließt. Es war mir die ganze Zeit, als wollte er mit mir
reden; als wollte er mir etwas sagen, aber verstanden habe ich kein
Wort.
Schon sehr ironisch, dass ich mit dem
Kuhfänger einen Hirsch angefahren habe. Kam einfach aus dem
Wald gelaufen. Hat meinen Geländewagen kaum beachtet. Zum
rechtzeitigen Abbremsen war ich viel zu schnell unterwegs. Ich hatte
in so hohem Maße beschleunigt, dass der Hirsch nicht mehr mithalten
konnte.
Jetzt lag er da und sah aus, als würde
er im leichten Wahn seine letzten Worte sprechen. Und mir, mir geht
es zwar etwas schlecht, aber ich muss nun doch auch weiter zu meinem
nächsten Termin.
Wäre der Wald hier gerodet, wäre das
nicht passiert. Wald und Stadt, das passt einfach nicht zusammen.
Jay, das ist gut.
AntwortenLöschenDas klingt nach Arbeit für Herrn Jägermeister. ^^
AntwortenLöschenSpaß bei Seite, die Wendung am Ende kommt nahezu unverhoft und die Botschaft ist auch deutlich.
Klasse!
Nich schlecht. Bei dem Titel musste ich erst an etwas denken, was meine Oma mir früher immer gesagt hat, wenn ich mich zur Schule aufgemacht hab... Sie wollte mir nahe legen, mich zu melden und am Unterricht zu beteiligen, streckte also ihren Finger in die Höhe und sagte: "Denk dran: Hirsch heißt mein Vater!" ... Nur dass sie es etwas schneller aussprach und mich zum lachen brachte ^^
AntwortenLöschenWie auch immer, die Geschichte is echt nich so schlecht. Bisserl viele Phrasen/Fachbegriffe am Anfang, so dass man sich erstmal reinlesen muss, aber das Ende is echt nich schlecht =)
An Ilja: Danke sehr.
AntwortenLöschenAn den Imperator:
Der Jägermeister kommt erst, wenn es gilt die Sache zu verdauen. Alternativ kann der Jägermeister aber auch an so etwas schuld sein.
Spaß bei Seite, Danke sehr!
An Karen:
Eine sehr weise Frau, ganz offensichtlich.
Freut mich, dass es gefällt.
Schön, gefällt mir sehr.
AntwortenLöschenInzwischen erwartet man ja bei allen Texten von dir eine unerwartete Wendung und ist so ein bisschen vorgewarnt ;)
Spannend, welche Bilder der Text so erzeugt.
1. Gedanke: Ein Angent-Smith-Typ will jemandem graue-Herren-like etwwas auf- bzw. abschwatzen
2. Gedanke: Der Alkohol, Jägermeister, spricht als personifizierter Hirsch
An Citara:
AntwortenLöschenDas stimmt, ich mag es halt gerne mit Pointe.
Aber wo diese ganzen Jägermeisterassoziationen bei euch herkommen verstehe ich nicht. Ist die Vorfreude/der Vordurst auf das Wochenende schon so groß?