Mit anderen Augen - Teil 2
Jenny war ihm als Bedienung wahrhaftig
in den Schoß gefallen, als er mal wieder auf einer seiner Touren
war. Mit Geschäftspartnern oder anderen nützlichen Leuten um die
Häuser zog. Ganz die alte Schule. Für ihn war Jenny einfach und
angenehm, erfreulicherweise wurde sie auch noch jedes Jahr hübscher.
Ein Effekt, der sich bei Sarah relativ schnell aufgebraucht hatte und
nach 25 Jahren Beziehung irgendwie verwirkt war. Das Kind mit Jenny
war eines von zwei Zugeständnissen an sein altes Leben, das Zweite
war, dass er sich an den Wochenenden um seine Kinder kümmerte. Würde
er es nicht tun, würde Sarah ihn auf Unterhalt verklagen. Ihn da
greifen, wo es ihn am heftigsten schmerzt, sagte Sarah.
Jenny stand mit einem ehrlichen und
herzlichen Lächeln am üblichen Treffpunkt. Zwar hatte Herr Schmidt
Rüttenscheid vor der Nase, aber er wollte seine lieber erst zwischen
Jennys Brüste und dann ihre Schenkel legen. Trotz all der Jahre
Sport, der Qual im Fitnessstudio, war er zwar noch gut drauf, aber
dem Alter entsrpechend auch ganz schnell drunter. Und wenn er sich
dann darauf konzentrierte nicht durch schweres Atmen seine Schwäche
zu zeigen, lies er Jenny immer von Liebe und der Zukunft sprechen.
Und auch dieses Mal war es so, bis sein klingelndes Telefon ihn aus
dem Bett warf. Jenny hatte ihm im sexuellen Handgemenge nicht nur das
Ohr, sondern auch seine Zeit abgekaut.
"Adrian, du bist wieder zu spät."
- "Die Arbeit." - "Natürlich, wie immer, die Arbeit.
Wie früher auch: Immer die Arbeit wenn du nicht da bist. Aber es ist
gut, dass du so viel arbeitest, denn ich habe dich ausreichend
gewarnt: Ich werde dich verklagen, Adrian." - "Tu das
nicht. Ich bin doch gleich da." - "Auch das habe ich schon
oft genug gehört. Ich bin gleich da, Schatz. Ich werde mich ändern,
Schatz. Adrian, du brauchst nicht mehr kommen. Das war es, das
nächste und letzte Mal sehen wir uns vor Gericht." - "Sarah,
sei doch vernünftig. Ja, ich habe dich gerade belogen." -
"Gerade? Wenn ich es noch zählen würde." - "Aber am
Schalter im Kino war eine lange Schlange, wie sollte ich sonst die
Überraschung für die Kinder vorbereiten?" Und während Herr
Schmidt aus seiner Geldbörse ein paar Scheine fummelte, ruderte
Sarah zurück. "Nun gut. Entschuldige. Aber du verstehst nicht,
wie sehr du mich damit verletzt. Dass du mich nicht mehr liebst, das
lasse ich noch gelten, aber lass bitte unsere Kinder nicht darunter
leiden." - "Ich bin sofort da.", log er, als er in
seine Hose kletterte, dann legte er auf.
"Jenny, Schatz.", begann er
und Jenny, die schon angezogen war, beendete seinen Satz: "Ich
kaufe Kinokarten für irgendeinen Kinderfilm, ja. Kann ich Niklas
mitnehmen?" Herr Schmidt nickte nur, bemüht sein Hemd zu
finden. Jenny ging auf ihn zu, warf es ihm über und fragte nach:
"Soll ich dir auch eine Karte kaufen?" Herr Schmidt
richtete sich auf, knöpfte sich zu: "Du, ich muss jetzt los."
Kaum ins Auto gestiegen, nutzte er die
Pferdestärken und gab dem BMW die Sporen. Die Kosten eines Bußgeldes
gegenüber denen der Unterhaltszahlungen waren vollkommen lächerlich.
Außerdem, würde der Bescheid vermutlich erst in die Firma gehen und
dann könnte er immer noch eine draufgängerische Geschichte
erzählen. "Schmidt hat vergessen alt zu werden.", "Heißer
Reifen für einen Knacker." würden die Jungspunde dann sagen
und den Damen würde er dann so etwas sagen wie: "Für meine
Kinder lasse ich natürlich alles stehen und liegen." und das
eine oder andere "Oh, wie schön." ernten.
Vom Klingeln seines Handys ganz aus der
Unkonzentration gerissen, bemühte sich Herr Schmidt, das Handy mit
ein paar Fingern aus der Jackettinnentasche zu fummeln, befürchtend,
dass Sarah heute nicht auf ihn reinfallen würde. Doch das falsche
Armani-Logo hielt mit schlechten Nähten an dem Handy fest, so dass
er tiefer in die Tasche greifen musste. Liebevoll ergriffen, sprang
das Handy vorfreudig raus und er konnte es gerade noch so fangen.
"Jenny" flimmerte da über das Display und noch beim
Aufklappen hörte er schon ihre Stimme: "Adrian, soll ich nach
dem Film erst die Kinder und dann dich ins Bett bringen? Kannst du
dann schon wieder?" - "Klar, bei dir kann ich immer.",
sagte er zum Teil verklemmt, aber auch erschüttert wie sein Handy,
dass ihm von der Schulter rutschte.
"Und dann war ich hier."
"Entschuldigung, bitte was?",
fragte der Fremde am Schreibtisch und Herr Schmidt verstand
plötzlich. "Herr Kommissar, es tut mir leid. Aber sehen sie,
ich wollte unbedingt zu meinen Kindern. Sie sind noch jung, sie
verstehen das vielleicht nicht, aber Familie ist für mich alles.
Familie geht nie weg." Doch der Kommissar schüttelte nur
den Kopf.
"Herr Schmidt, sehen sie, zum
einen bin ich kein Kommissar. Zum anderen bin ich nicht so jung, wie
sie glauben. Ganz im Gegenteil, ich bin älter als sie vermuten. Und
Familie habe ich auch. Sie verstehen nicht ganz, oder?"
Immer noch Bußgeld gegen Unterhalt
rechnend, schaute Herr Schmidt auf sein Handy. Kein Emfpang. Wenn
Sarah ihn jetzt anrufen wollte, dann war er erledigt. Und auch Jenny
hätte er gerne gesprochen. Vielleicht hätte sie ihn auch mit ihren
hübschen Augen oder dem knackigen Hintern hier rausholen können.
"Herr Schmidt. Ihr Handy wird hier
nicht mehr funktionieren. Das ist tot." - "Herr Kommissar,
verstehen sie doch, ich ...", der Fremde schüttelte ganz
unmissverständlich den Kopf, "Herr Schmidt. Ihr Gedächtnis
schützt sie, aber ich kann das nicht mehr tun. Nicht nur ihr Handy
ist tot."
Herr Schmidt flog rückwärts durch die
Zeit, mit dem Blick auf ein fremdes Auto gerichtet, durch die
Windschutzscheibe in den Wagen zurück. Er schlug gegen die
Sitzfläche, mit dem Kopf zu erst, dann saugte ein klaffendes Loch an
seinem Kopf das Blut auf, das in der Luft schwebte, nur damit er
gegen das Amaturenbrett schmettern konnte, den Blick auf sein Handy
gerichtet. Das er dabei das Lenkrad zu sich herunterzog, mit festem,
vom Trieb geführten Griff, merkte er nun zu spät.
"Ich bin tod?", stammelte
Herr Schmidt, doch der Fremde entgegnete: "Das ist doch kein
Untergang, Herr Schmidt.", dann bemerkte er die mögliche
Feindseligkeit darin und setzte nur ein bemühtes Lächeln auf.
"Was kommt jetzt? Der Himmel, die
Hölle?", fragte der frisch Verstorbene. Der Fremde, jetzt seine
Vormachtsposition auskostend, entgegnete nur: "Meine Fragen. Ob
das hier Himmel oder Hölle wird, liegt ganz an ihnen."
Einige Fragen später; sowohl vom
Fremden, wie auch von Herrn Schmidt; durfte er das Büro verlassen.
Gerädert und überfahren, nahm ihn vor der Tür des Büros auch
schon eine junge Frau in Empfang. Lebend hätte er sie wohl umworben
und beflirtet, aber hier verspürte er keinen Trieb.
"Sind sie ein Engel?", hätte
man ihm wohl auch als Kompliment auslegen können, aber im seidigen
Glanz des sanften Gesichtes der jungen Frau war die Frage auch nicht
ganz unangebracht.
"Nein. Ich bin nur die Frau die
dich empfangen hat.", griff sie ihn an der Hand und lud ihn
freundlich ein: "Folge mir doch bitte, es geht weiter für
dich."
Das Bewußtsein für ein Jenseits hatte
Herr Schmidt nie entwickelt. Er war fest überzeugt, dass nach dem
Tod nur Dunkelheit kam. Wie beim Schlafen gehen, wo es schwarz wird,
man das Bewußtsein abgibt und nicht weiß ob und wann man wieder
aufsteht.
Doch er war wieder aufgestanden und es
ergab sogar Sinn für ihn. Den Religionen konnte es vermutlich egal
sein, ob man an sie glaubte, sie wußten ja, dass es sie gab. Und so
holte sich das Jenseits ihn und nicht andersherum.
"Bringst du mich jetzt zu Gott?
War das in dem Büro Petrus?" - "Nein, mein Sohn. Deine
Erfahrung hier ist keine religiöse, aber möglicherweise trotzdem
eine reinigende. Aber dir werden schon bald die Augen geöffnet."
So gingen die Beiden ein Weilchen in
Stille daher und Herr Schmidt wärmte sich an dem wohligen Gefühl,
dass eine zärtliche Hand in seiner lag. Ein wenig fühlte es sich
für ihn an, wie damals als er mit seiner Mutter, "Gibt es ein
Gefühl, dass du besonders vermisst? Einen Moment in deinem Leben,
der dich bedauern lässt?" und so stürzte Herr Schmidt
plötzlich wieder durch seine Erinnerung, rasend vorbei an Jenny, dem
BMW und all diesen Ereignissen, bis er wieder ein junger Mann war.
Die Antwort entging ihm, ganz fern- vielleicht sogar fremdgesteuert:
"Wie mein Vater stolz auf mich war, das vermisse ich. Und das
bedauere ich auch sehr, denn ich habe mich immer bemüht, das gute
Leben von dem er erzählte zu
leben, aber trotzdem war er nie stolz. Nur ein einziges Mal."
und da seufzte Herr Schmidt, "als ich ihm Sarah vorstellte und
ihm sagen musste, dass sie schwanger wäre." Von der
Redseligkeit ergriffen, wollte Herr Schmidt noch so vieles über
seinen Vater sagen, aber der Engel deutete nur auf eine Tür.
Sehr schön geschrieben. Und inzwischen "mag" ich Herrn Schmidt auch etwas lieber, auch wenn er im Leben ein Arsch war. ^^
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