Mit anderen Augen - Teil 3

"Dahinter geht es für dich weiter.", zeigte sie auf die Tür. "Was kommt dort für mich? Kannst du mich nicht dorthin bringen?", fragte Herr Schmidt wie ein verängstigtes Kind, doch die himmelische Frau schüttelte nur den Kopf, erneut auf die Tür deutend.

Als sich die Tür hinter ihm schloss, schlossen sich auch seine Augen. Als sich seine Augen wieder öffneten, eröffnete sich ihm ein fremdes Bild.

Vivien.
Kam ganz nach Sarah. Hatte früh einen sehr fraulichen Körper. Nackt. Wie er nicht sein sollte. Auf einem anderen. Wo er nicht sein sollte.

Das Stöhnen kam nach Jenny. Es klang herzlich. Herzlich und falsch.
Einen Augenschlag später sieht sie einen fremden älteren Herren an. "Danke für die schöne Zeit, Hubertus. Ich liebe dich.", säuselte sie und er, verschwitzt, sortierte angestrengt seine Gedanken zusammen, um möglichst entspannt eine passende Antwort wie "Dann bleibe doch." zu sagen. Sie aber lächelte und log: "Du weiß doch, dass ich gleich arbeiten muss." Und dann schob der dickliche Mann mit letzter Kraft die Tür zu und verschwand in die Einsamkeit.
Noch im Treppenhaus zückte Vivien ihr Handy. Die Anrufe ihres Bruders und ihrer Mutter überblätterte sie einfach. Zu erst war es Zeit für das Geschäftliche. So schrieb sie Hubertus, dass der ganze Mittag, vom Essen bis zum Sex was ganz besonderes war. Darauf schrieb sie einem Martin, dass sie ja jetzt frei hätte und sie gerne zusammen einkaufen gehen könnten. Sie bräuchte noch Unterwäsche und jemanden, der ihr sagt, wie sie ihr steht.

Erst dann rief sie ihre Mutter an. "Vivien, wo bist du? Ich mache mir Sorgen.", krähte Sarah ins Telefon, aber Vivien versicherte: "Bei einer Freundin. Ich wollte doch noch an meiner Englisch-Note was tun, vielleicht schaffe ich ja die Eins in der nächsten Klausur." Und als ein zuversichtliches Seufzen mit den Worten - "Vivien, du musst dir aber auch mal was gönnen." - gab Vivien nur äußerst ironisch zurück, dass sie das mit Sicherheit nicht vergessen würde. Dann schwebte einen Moment lang eine angespannte Stille über dem Telefonat, so als wäre hier ein schwieriges Thema ausgelassen worden. Vivien durchbrach aber mit einem fröhlichen falschen Ton, wie beim Stöhnen auf Hubertus: "Weißt du was? Wir machen hier für heute Schluss mit Lernen und gehen shoppen." Zufriedenstellend genug, gab Sarah übliche und beliebige Abschiedsfloskeln von sich.
Was das schwierige Thema zwischen Sarah und Vivien war, blieb ungelöst, aber als Herr Schmidt sein eigenes Bild in Viviens Geldbörse sehen konnte, fühlte er sich plötzlich einsam. Und auch Vivien fühlte sich einsam und unsicher, denn sie spielte erst nervös mit ihrem Handy herum, bevor sie sich entschied Lukas doch anzurufen.
"Vivi, was geht?", schob Lukas ganz schön holperig durch das Funknetz. "Du hast mich angerufen, also was gibt es?" - "Ich habe hier einen Kumpel, Maik, der hatte noch keine." - "Und das betrifft mich wie?" - "Na, du könntest deinen Hintern ja hier rüber schieben. Auf seinen Schoß. Und dann..." - "Lass mich einfach in Ruhe mit deinem Scheiß." und dann legte sie auf.
Nur die Hände sehend und das Schluchzen hörend, merkte Herr Schmidt, wie sie weinte. Ganz bitterlich und da war nichts falsches an ihr.
Wenige Momente später, da fuhr aber wieder das Schauspiel in ihr auf, denn Martin fuhr mit seinem Wagen vor. Und mit dem verliebtesten säuselndem Ton umspielte Vivien den jungen Mann. Dann, im Aussenspiegel des Wagen sah Herr Schmidt, wie sie aufputschendes Lippenspiel und Augenklimpern hervorzauberte, wie er es auch von Jenny gewohnt war. Für Martin musste Vivien einfach und angenehm sein.
Als sich die Autotür hinter ihr schloss, schlossen sich auch ihre Augen.

Herr Schmidt atmete schwer in der Dunkelheit. 

Kommentare

  1. Intensiv und knackig kurz. Find ich sehr gut, auch weil es viel ungesagt lässt.

    Als Erster muss ich trotzdem Grammarnazi spielen:
    die Stelle "dem verliebtesten säuselndem Ton" find ich etwas holprig, da ist ein m zuviel und möglicherweise ein Komma zu wenig. Dem Telefon weiter oben fehlt noch ein e.

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  2. Korrigiere, streiche Telefon, setze Telefonat.

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