Mit Hund II


Das erste Mal habe ich darüber nachgedacht, wie es wohl ist wenn unser Hund stirbt, als meine Freundin für eine Woche außer Landes war. Ich hatte einen dieser kleineren Schock-Momente, die daraus entstehen, dass inzwischen auf den Straßen die Nahrungskette umgedreht ist: Autos haben natürlich an jeder Kreuzung immer Vorfahrt vor Fussgängern und so war es scheinbar naiv von Keks und mir, an einer freien Straße zu versuchen die Seite zu wechseln. Es ist nichts passiert, außer das mein Hunde-Kumpel und ich uns vor dem abrupt abbremsenden Auto erschreckt haben, aber dann war der Gedanke genau so plötzlich da, wie das Auto:

Ein Glück, dass uns nichts passiert ist. Oh mein Gott. Wenn uns was passiert wäre! Wenn Keks etwas passiert wäre! Wie hätte ich es nur meiner Freundin erklärt? Wie hätte ich mich davon abgehalten dem Fahrer des Autos eine reinzuzimmern? Wie hätte ich mich nur gefühlt?

Ich habe versucht diese Gedanken schnell ab zu schütteln. Es war ja nichts passiert, warum also die große Sorge aufkommen lassen, die nur das eigene Gemüt belasten würde? Es ist mir nicht so recht gelungen aus dieser Gedankenspirale zu entkommen, aber es gab einen guten Grund dafür.

Ich liebe diesen Hund. Er ist in der kurzen Zeit die wir uns kennen, einer meiner besten Freunde geworden. Nicht so, wie es ein Mensch wäre, aber trotzdem spüre ich einfach, dass ihn und mich ein inniges Band verknüpft. Eines, dass ich selber zu einem Tier noch nie hatte.
Meine Eltern hatten zwar mal einen Papagei, aber neben der Tatsache, dass diese Tiere nicht so die schmusigen flauschigen Kontaktkuschler sind, wollte mich der Papagei damals schlicht und ergreifend umbringen. Da wollte irgendwie nicht so das innige Band zwischen uns aufkommen, ganz im Gegenteil, ich war immer ganz froh, wenn wir sorgfältig getrennt wurden.

Keks vermisse ich inzwsichen schon, wenn ich nur einen langen Arbeitstag habe und deshalb erst spät nach hause komme. Er ist ein vollwertiges Mitglied unserer kleinen Familie geworden. Und da liegt meine tiefe Sorge: Wäre etwas passiert, hätte ich ein Familienmitglied verloren. Ich habe – Im Gegensatz zu meiner Freundin – keine Erfahrungen, wie es ist wenn ein Hund stirbt, aber da liegt eine weitere bittere Wahrheit, die ich nicht verdrängen kann: Ich werde diesen Hund überleben.

Das basiert auf der arroganten Annahme, dass ich selbst nicht vorher schlimm krank werde oder mir was zu stößt, aber sollte alles entsprechend Prognose laufen, habe ich eine Lebenserwartung von 90 Jahren und unser kleiner Schnuff aber nur eine von Fünfzehn Jahren. Die brutale Realität ist, dass ich mich genauso intensiv wie ich mich mit ihm angefreundet habe, irgendwann mit der Endlichkeit dieser Freundschaft beschäftigen muss.

Ich erinnere mich bei all diesen Gedanken dann an ein berührendes Video. "Last Minutes with Oden". Darin wird eine Familie gezeigt, die ihren Hund zum Einschläfern bringen muss und die letzten Minuten dokumentiert. Ich weiß nicht, was genau das Ziel dieses Videos war – Ob es zum Beispiel darum ging dem Hund ein Denkmal und Andenken zu setzen oder ganz genau Menschen wie mir die Chance gegeben werden sollte sich vorzubereiten – Aber ich weiß, dass es eine intensive Darstellung dessen ist, wie unglaublich tief die Freundschaft zwischen einem Menschen und einem Tier werden kann.


Last Minutes with ODEN from Eliot Rausch on Vimeo.

Keks und ich kennen uns erst seit etwa Acht Monaten, aber schon jetzt kann ich mir nicht vorstellen ohne ihn zu leben, obwohl ich auch vorher 28 Jahre ohne Hund gelebt habe. Es sind nicht die Erfolge beim Üben, nicht die annähernd väterlichen Gefühle, als er zum Beispiel schwimmen gelernt hat. Es ist die bedingungslose Freundschaft die ich in solcher Reinheit nur selten verspüre.

Manche fragen mich, ob sich mein Leben mit Hund verändert hat. Meist habe ich dann keine besonders gute Antwort parat und rede nur über Zeiten und mehr Rausgehen. Würde mich jetzt jemand fragen, könnte ich ihm sagen, dass mein Leben mit Hund mich zu einem glücklicheren Menschen macht. Denn ich lerne von ihm. So wie es bei allen guten Freunden ist.

Kommentare

  1. Ich finde, deine "Mit Hund"-Posts setzen ihm schon zu Lebzeiten ein Denkmal.

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    1. Ich hoffe das. Mit dem Foto-Blog, den meine Freundin für Keks macht, tut sie auch einen Teil.

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  2. Du bist auch so ein Memento-mori-Typ, oder? Mir gehen auch immer solche Gedanken durch den Kopf, obwohl ich es gar nicht will. Zwar haben wir keinen Hund, dafür aber eine zwar oft nervige, aber dennoch liebenswerte Katze, die ebenfalls meine Freundin in unsere kleine Familie gebracht hat. Sie ist jetzt sechs Jahre alt (Die Katze, Mensch, die Katze!!!), und wenn alles wirklich, wirklich optimal läuft, hat sie noch mal gut das Doppelte vor sich, aber eben eventuell auch nicht. Der Gedanke, eines Tages nach Hause zu kommen und eben kein lautes Mauzen mehr zu hören ... Ja, schon wirklich sehr traurig.

    Übrigens ist das wirklich ein sehr niedlicher Hund. Heißt der echt Keks? Ich kann mir gut vorstellen, dass man das Wollknäuel schnell ins Herz schließt.

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    1. Ich musste erstmal nochmal nachgucken, was der Spruch den genau bedeutet, aber als ich dann geguckt habe: Stimmt. Ich denke viel über Verlust nach, was auch daran liegt, dass ich schon oft mit dem Thema konfrontiert wurde und nie so ganz sauber da raus gekommen bin.

      Er heißt wirklich Keks. Unter Janakunterbunt.tumblr.com kannst du dich der ganzen Niedlichkeit hingeben, da unterhält "er" nämlich einen Fotoblog über sein Leben.

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    2. Hab ich mir angeschaut. Ich hab mir dann vorgestellt, wie solche Fotos wohl mit unserer Katze geraten wären. Und die Antwort ist: gar nicht. Sehr schöne Bilder auf jeden Fall!

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  3. Beschäftige dich mit dem Hier und Jetzt.
    Vorbereiten kannst du dich nicht.
    Vielleicht bleibt dir der letzte Gang erspart und der Wuschel steht einfach morgens nicht mehr auf.
    Ja, das gibt es noch.
    Wir hatten dieses Glück nicht.
    Wir mussten durch wochenlange schwere Krankheit und man denkt das bereitet einen vor auf den jenen letzten Gang.

    Tut es nicht.
    Ich hab gedacht ich ersticke als er in unseren Armen eingeschlafen ist.

    Versau dir nicht die schöne Zeit vorher mit solchen Gedanken.
    Du kommst eh nicht drum herum.

    Und.

    Das Leben geht weiter.
    Irgendwann.

    Wir haben jetzt Katzen, weil es für unsere Situation mit einem neuen Hund nicht zu schaffen gewesen wäre.
    Und was dich verändert ist m.M.n. die Verantwortung die du über dieses Leben übernimmst.
    Ein Hund ist das beste Training für ein Kind finde ich.
    Du machst anfangs auch nichts anderes als füttern, die Häufchen weg machen und beim Schlafen zuschauen. :)

    Er ist immer in unseren Gedanken und auch nach jetzt 3 Jahren kriegen wir manchmal noch feuchte Augen.
    Fuck.
    So wie jetzt gerade ;(

    Ich brauch einen Kaffee...

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  4. Ich lebe seit gut 12 Jahren mit Emma Plemmplemma und Lolle Bolle. Eigentlich weiß ich nicht genau, ob es wirklich 12 Jahre sind. Vielleicht sind es auch 14. Oder 13. Ich habe irgendwann nicht mehr mitgezählt und weigere mich auch jetzt, dies zu tun, obwohl es mit ein wenig Konzentration durchaus machbar wäre. Bis vor 2-3 Jahren habe ich regelmäßig Rotz und Wasser geheult, weil ich dachte, dass Katzen eine ungefähre Lebenserwartung von 10 Jahren hätten…und die hatten die Beiden schon fast ausgeschöpft. Also dachte ich, dass es sich um ein sehr zeitnahes Ereignis handeln müsste, wenn ich mir vorstellte, dass ich irgendwann nach Hause komme und eine der Beiden tot auffinde. Dann hat mir irgendjemand gesagt, dass Katzen durchaus auch 20 Jahre alt werden können und seitdem entspanne ich mich diesbezüglich ein wenig. Betonung auf ein wenig.

    Alles hat in den letzten 10-12 Jahren gewechselt: Wohnorte, Freunde, Arbeitsstellen, Beziehungen. Meine Konstante sind meine Katzen. Die zwei Bekloppten, die nachts mit mir löffeln. Die katzisch mit mir reden. Die regelmäßig neben das Katzenklo pissen. Die mit mir mit den Augen um die Wette lächeln. Ein Leben ohne die Beiden kann ich mir nicht vorstellen und wenn es etwas bringen würde, würde ich ALLES dafür tun, dass sie irgendwann nicht gehen müssten.

    Eins habe ich mir trotzdem vorgenommen: Wenn sie krank werden, lasse ich sie gehen. Und dann will ich neben ihnen sitzen, sie streicheln, ruhig sein und nicht heulen. Weil ich sie in Geborgenheit gehen lassen möchte. Aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass ich das kann. Aber manchmal ist man ja genau in den Momenten stärker als man es sich selbst zutraut, in denen es nötig ist.

    Hätte ich "damals" gewusst wie sehr ich an Emma und Lolle hängen würde und wie sehr mich die Angst vor ihrem Verlust begleiten würde…ich weiß nicht, ob ich sie zu mir genommen hätte.

    Das, was Caliodings da oben schreibt, haben mir schon so viele Leute gesagt. Dass man sich die Zeit vor dem Verlust nicht mit der Angst davor kaputt machen soll. Das klingt so sinnig. Aber das Einzige, was mir hilft, ist Verdrängung. Und deshalb weiß ich auch nicht wie alt die Beiden wirklich sind.

    Mit anderen Worten: Ich verstehe Dich.

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  5. Und ich trau mich nicht, mir das Video anzugucken.

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    1. Tu es nicht. Die Tatsache, dass du hier kommentiert hast, hat es mich nochmal anklicken lassen und wieder weine ich. Aber ich kann dir sagen, dass darin ein Satz fällt, der vielleicht auch für mich stimmt und vermutlich auch die intensive Natur unserer Bindung aufzeigt:
      "He showed me how to love"

      Danke für den Einblick und den Kommentar.
      Ich habe früher Menschen mit Haustieren nie verstanden und nur für einsam gehalten. Und vielleicht hatte ich recht. Manchmal kommen die Tiere, weil Mensch einsam ist. Aber dann folgt Glück.

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