Ein einfacher Soldat

Ein einfacher Soldat,
Mehr ist er nie gewesen.
Er kann zuhören.
Er kann schreiben.
Und er kann auch lesen.

Er überdeckte Zweifel damals mit einem Lachen
Und sagte:
„Das ist ja auch nur ein Job
Und irgendwer muss ihn ja machen.“

Er ist ein guter Mann
Und will gutes schützen.
Also will er mit Finger am Abzug
Der Menschheit nützen.

Kann man alles diskutieren:
Wahrheit, Frieden, Demokratie.
Muss man aber nicht.
Überbringen muss man sie.

Soldat sein, das kann jeder.
Soldat sein ist nicht schwer.
Und Freiheit hat man trotzdem,
Man dient ja demokratisch seinem Herr.

Doch bevor man Wahrheit überbringt,
Da muss man sie verstehen.
So schickt man ihn in die Grundausbildung,
Wo man ihn lehrt die wahre Wahrheit auch zusehen.

Die Ausbilder trinken Schaumwein
Und es wird gelacht.
So lehrt man den Soldaten:
„Wahrheit ist, was du daraus machst!“

Manche rollen mit den Augen.
Man verbietet ihnen schnell den Mund.
Kasernenrunde, Liegestütze, Stubenputzen, Überstunden:
Wenn man trotzdem redet, geht es rund.

Er ist ein einfacher Soldat.
Mehr muss er nicht verstehen.
Er lernt überhören.
Überschreiben.
Und auch übersehen.

Er sieht Zweifler in den Reihen.
Bleibt selber lieber stumm,
Denn Zweifler verschleißt man härter,
So werden sie hörig, stumpf und dumm.

Er ist immer ganz präzise,
Befolgt Befehle ganz genau,
Denn wer im Dienst nicht spurt,
Wird von Vorgesetzten gefoltert und verhauen.

„Verdrängen sie den Zweifel;
drücken sie gefälligst ab.
Wenn sie den Feind nicht haben,
Ist er es, der sie hat!“

Für den Einsatz muss man lernen,
Denn da draußen gibt es keine Gnade.
Es entscheiden nur Sekunden,
Welche Soldaten eine zweite Chance haben.

Ein einfacher Soldat.
Mehr muss er nicht mehr wissen.
Man sagt ihm er kämpft fürs Gute,
Doch man hat ihn beschissen.

So treffen andere die Entscheidungen.
Es sind andere die hier lenken,
Denn dem Soldat bekommt es nicht,
Dieses selbstbestimmte Denken.

Und er glaubt es und ist präzise,
Befolgt Befehle ganz genau,
Denn wer im Dienst nicht spurt,
Der wird gefoltert und verhauen.

So bekommt er Angst vorm Verschwinden.
Sucht in der Einheit Schutz.
Wenn die Perspektive schlecht ist,
Dann frisst man gerne Schmutz.

Neun Millimeter unterscheiden von nun an
Leben und auch Tod.
An seinen Feinden ist es Mord,
Für ihn, wird es nahrhafter als Brot.

Ein einfacher Soldat.
Nicht weniger nicht mehr.
Und er kämpft nicht alleine,
In diesem seelenlosen Heer.

Für ihn, da ist es Arbeit
Und Arbeit, die bringt Geld.
Es ist so leicht dem Ruf zu folgen:
Geld regiert die Welt.

Ein einfacher Soldat,
Der ist er nie gewesen.
Er kann schreiben, hören und auch lesen.
Er kommt über jedes Land und ist tödlicher als Pest,
Dabei würde er doch gerne heilen,
Wenn man ihn nur lässt.
So steht er im ewigen Zwiespalt,
Weiß nicht wer er ist,
Denn er ist ein einfacher Soldat,
Doch sein Beruf heißt Journalist.

Kommentare

  1. Thematisch und insbesondere die Pointe: ausgezeichnet! Schön, wie das Offensichtliche durch ein Wort nur umgedreht wird.

    Belehren + unterhalten soll ein Text ja klassisch und das hat er getan. Hat mir viel Spaß gemacht!

    Die offene Gedichtform passt sehr gut, so fällt auch der Zwang von Reimschema und Versmaß weg.

    Allerdings sind da noch ein paar Kleinigkeiten, die (wenn sie schon angewendet werden) denke ich durchgängig verfolgt besser wirken und das Gesamtbild unterstützen würden.

    - Satzzeichen: Teilweise verwendet, dann wieder nicht
    - Kleinschreibung am Versbeginn ist vermutlich nur ein Ausreißer
    - Verse, bei denen sich die durchschnittliche Silbenzahl nahezu verdoppelt, lassen es unrund wirken
    - Reim: Die große Frage – ja oder nein? Es gibt Passagen, die wirken, als seist du darum sehr bemüht. Bei anderen scheinen sie dann Zwecks Inhalt zurückzutreten. Zum Beispiel bei „Wahrheit ist, was du daraus machst!“ hätte, wenn man den Reim auf „gelacht“ erreichen wollte, auch „Was man draus macht“ Anwendung finden können.

    Dabei will ich nichts gegen Abweichungen an sich sagen – am passenden Fleck wirken sie ja auch, wie z.B. am Ende.

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  2. Danke sehr.

    Zu den Kritikpunkten.
    -Satzzeichen: Habe ich nachträglich eingefügt. Fehler der aus dem Entwurf übertragen wurde.
    -Kleinschreibung: Ebenfalls ein Übertragungsfehler.
    -Verse: Unrundheit strebe ich manchmal aber auch an. Unrundheit kann Zäsur, oder wenigstens Betonungspunkt sein.
    -Reime: Bei deinem konkreten Beispiel habe ich die Nähe zu dem Werbeslogan einer bekannten Limonadenfirma gesucht, daher der schräge Reim.

    Man darf bei diesen Texten nicht vergessen, dass sie auch oft vor dem Hintergrund geschrieben sind, sie einmal vorzutragen. Unregelmäßige Reime zwingen den Zuhörer auch tatsächlich zu zuhören, anstatt sich zu sehr auf die Gleichmäßigkeit zu verlassen.
    Dass diese dann im geschriebenen stylistisch unsauber aussehen, ist aber sehr wahr.

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  3. Dass du oft einen Bruch anstrebst, weiß ich ja. Nur eben nicht, ob das in allen "unrunden" Fällen der Fall ist. deswegen mein Augenmerk darauf.

    Wenn ich mit den Text gesprochen vorstelle, oder mich gar mal am lau Lesen versuche, gibt es häufig den Punkt, an dem ich denke, hier ein Wort, eine Silbe mehr oder wneiger würde dem Ganzen guttun - Kurz: Ich weiß ja nicht, wie sichs vom Meister vorgetragen anhören würde =)

    Das spricht doch dafür, auch immer eine stimmliche Variante deiner Texte hier einzubinden, oder nicht ;-)

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  4. Es ist inhaltlich wieder sehr toll. gelungen. Ich bewundere dich für deine langen Gedichte.
    Vom Lesefluss stolpere ich zwar auch ab und an, aber von dir gelesen wirkt es bestimmt ganz anders. Wie bei den meisten Liedern auch; die Schnelligkeit des Vortrages passt sich den metrischen Voraussetzungen an. Also, sehr schön, Jay.

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  5. Ich habe zwar keine Ahnung von Gedichten, aber ich finde diese Zeilen sehr ansprechend. Ich habe die ganze Zeit gegrübelt was Du wohl meinen könntest, da für mich schon von Anfang irgendwie offensichtlich war dass der "Soldat" für etwas anderes steht. Ob das so gewollt war oder nicht kann ich nicht einschätzen.
    Daumen hoch!

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  6. An Citara:
    Ich rede über eine Aufnahme mal mit dem Kameramann meines Vertrauens.

    An den Träger:
    Danke sehr.

    An Me:
    Das war schon so gewollt. Die Ähnlichkeiten zwischen Journalisten und Soldaten sind schon erschreckend.

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