Eingebildet: Baptist
"Sie haben ihr Ziel erreicht."
Das Navigationsgerät wirkte auch verunsichert. Zum dritten mal sagte
es jetzt bereits, dass das Ziel erreicht wäre. Paul aber hielt sich
noch am Lenkrad fest und starrte aus dem Wagen. Seine interne Pro-
und Contra-Liste lähmte ihn.
Er hatte ein Boot gekauft. Im Internet. Es war eine ganz impulsive Handlung, ganz ohne einen Plan dahinter. Nichtmal einen Bootsführerschein hatte er. Aber, als wäre er ferngesteuert, hat er alle Empfehlungen durchgeführt, die ihm der Verkäufer per Email zu geschickt hatte. Er mietete einen Liegeplatz, besorgte sich Werkzeug, informierte sich darüber, was er für sein Boot bräuchte.
Er hatte ein Boot gekauft. Im Internet. Es war eine ganz impulsive Handlung, ganz ohne einen Plan dahinter. Nichtmal einen Bootsführerschein hatte er. Aber, als wäre er ferngesteuert, hat er alle Empfehlungen durchgeführt, die ihm der Verkäufer per Email zu geschickt hatte. Er mietete einen Liegeplatz, besorgte sich Werkzeug, informierte sich darüber, was er für sein Boot bräuchte.
Es fühlte sich alles so richtig an,
dachte Paul, rechnete aber immer noch jeden Moment damit, dass er
wach werden würde und wieder der vernünftige besonnene Typ war, der
er sonst war.
Foto: Ellen Hempel Fotografie |
Es war der bisherige Besitzer und
Verkäufer des Bootes, so stellte es sich heraus. "Einen alten
Fischereikutter füt privat, ich müsste lügen, wollte ich behaupten
ich wäre nicht überrascht.", sagte er und hinkte ein wenig
beim Gang zum Anlieger und rief bei Paul so einige klischeehafte
Vorstellungen der Schifffahrt ab. Paul nickte geistesabwesend und
antwortete: "Ja, ich war auch überrascht." Der ehemalige
Kapitän reagierte nicht darauf, weil er nicht verstand und redete
einfach über was anderes: "Nicht, dass ich ihnen nicht dankbar
wäre. Ein Fischereiboot bekommt man nicht so einfach los. Ist jetzt
nicht so als wären die Fischersleute reich genug, sich mal eben ein
zusätzliches Schiff zu kaufen. Dafür laufen die Geschäfte auch
nicht gut genug. Die Baptist war ein gutes Schiff all die
Jahre, da wäre es eine wahre Schande gewesen, sie zur Schlachtbank
zu führen." Ähnlich dem Kapitän, reagierte Paul nicht, weil
er nicht verstand. "Zur Altschiffverwertung in der Werft. Das
ist Organhandel bei Schiffen. Die nehmen einem Schiff alles raus und
verticken das Zeug als Ersatzteile. Egal ob da noch Leben im Schiff
war oder nicht."
"Und in der Baptist ist noch Leben?" wollte Paul wissen. Der Kapitän lachte schallende los und boxte Paul leicht auf die Schulter: "HA! Da können Sie aber Gift drauf nehmen. Der Gute fährt wie am ersten Tag." Dann sah er aber an sich runter und klopfte sich mit einer Hand in den unteren Rücken: "Ich aber nicht mehr."
"Und in der Baptist ist noch Leben?" wollte Paul wissen. Der Kapitän lachte schallende los und boxte Paul leicht auf die Schulter: "HA! Da können Sie aber Gift drauf nehmen. Der Gute fährt wie am ersten Tag." Dann sah er aber an sich runter und klopfte sich mit einer Hand in den unteren Rücken: "Ich aber nicht mehr."
Der Kapitän erzählte noch ein wenig
und Paul reagierte weiterhin nur wenig. Er hatte sich ein Schiff
gekauft. Er war von der Arbeit nach Hause gekommen, hatte sich bei
Ebay eingelogt und hat ein Schiff gekauft. Einen Fischereikutter, mit
Netzen an den Seiten und all diesen Werkzeugen, von denen er keine
Ahnung hat wofür sie gut waren. Paul wusste nicht mal, wofür das
Schiff gut war.
Genau wie bei der Ersteigerung, fühlte
sich Paul jetzt ohnmächtig. Fremdgesteuert. Deshalb folgte er auch
weiterhin dem Kapitän, stellte keine Fragen und nickte passend, wenn
es ihm als passend erschien.
"Und hier liegt der gute Baptist." Pauls Augen weiteten sich. Vor ihm lag ein dreckiger Pott von einem Schiff. In tiefstem Schwarz lackiert, aber mit schäbigen Lack-Nasen und -Platzern. Die hochgebundenen Netze waren aufgeraut und angegraut. Und da waren doch Muscheln, oder? Irgendwas klebte sichtbar am Schiff. Die Scheiben der Kapitänsstandes waren gesplittert. Nichts, aber wirklich nichts an diesem Schiff sah mehr neu, neuwertig und unverbraucht aus. Vermutlich suchte die Baptist auch nur noch einen ruhigen Platz zum Sterben.
"Wunderschön.", sagte Paul und boxte den Kapitän leicht gegen die Schulter. "Was für ein wundervolles Schiff." Selbst der Kapitän war verwundert, denn auch wenn er froh war den Kutter loszuwerden, wollte er hier nicht unaufrichtig sein: "Werden sie jetzt gerade etwas zynisch mit mir? Ich meine, klar, da ist noch Leben in Baptist, aber ein wunderschönes Schiff sieht nu' wirklich nicht so aus." - "Nein, Kapitän." Und Paul griff des Kapitäns Hand um sie zu schütteln. "Danke sehr. Von ganzem Herzen."
"Und hier liegt der gute Baptist." Pauls Augen weiteten sich. Vor ihm lag ein dreckiger Pott von einem Schiff. In tiefstem Schwarz lackiert, aber mit schäbigen Lack-Nasen und -Platzern. Die hochgebundenen Netze waren aufgeraut und angegraut. Und da waren doch Muscheln, oder? Irgendwas klebte sichtbar am Schiff. Die Scheiben der Kapitänsstandes waren gesplittert. Nichts, aber wirklich nichts an diesem Schiff sah mehr neu, neuwertig und unverbraucht aus. Vermutlich suchte die Baptist auch nur noch einen ruhigen Platz zum Sterben.
"Wunderschön.", sagte Paul und boxte den Kapitän leicht gegen die Schulter. "Was für ein wundervolles Schiff." Selbst der Kapitän war verwundert, denn auch wenn er froh war den Kutter loszuwerden, wollte er hier nicht unaufrichtig sein: "Werden sie jetzt gerade etwas zynisch mit mir? Ich meine, klar, da ist noch Leben in Baptist, aber ein wunderschönes Schiff sieht nu' wirklich nicht so aus." - "Nein, Kapitän." Und Paul griff des Kapitäns Hand um sie zu schütteln. "Danke sehr. Von ganzem Herzen."
Jede Lähmung und Paralyse war
vollkommen verflogen. Paul füllte sich so sicher und auch lebendig,
wie schon lange nicht mehr. Die Baptist, sie wäre sein Projekt. Er
würde aus diesem Schiff, sein Schiff machen. In ihm brannten
die Feuer auf, denn es war Zeit Pläne zu schmieden. Den
Bootsführerschein zu machen, das gute Ding neu zu lackieren, einige
Werkzeuge zu verkaufen, das Schiff um zu rüsten. Die Netze würde er
aber behalten, um den Charakter des Schiffes zu behalten.
Das war es. Die Baptist hatte
Charakter. Sie war vielleicht alt und nie gedacht für jemanden wie
Paul, aber er hatte sie trotzdem bekommen. Und selbst wenn es
wirklich nur das Ziel des Schiffes war einen Platz zum Sterben zu
finden, würde Paul ihn gerne suchen.
Paul war nie der impulsive Typ. Paul war aber auch nie der Typ, der vor irgendetwas flüchtete. Es gab keinen Partner, keine Kinder, keinen Stress, dem er entkommen musste. Auch keine überflutete Stadt oder Einsamkeit, die ihn trieb etwas dummes zu tun und ein Schiff zu kaufen. Es war einfach nur notwendig.
Paul war sicher, dass man manchmal irgendwas tun musste, um vorwärts zu kommen. Und seinem Unterbewußtsein zu trauen, war doch ein Anfang. Das war keine Flucht vor irgendwas, das war ein Schritt die Stufen hinauf.
Paul war sicher, dass man manchmal irgendwas tun musste, um vorwärts zu kommen. Und seinem Unterbewußtsein zu trauen, war doch ein Anfang. Das war keine Flucht vor irgendwas, das war ein Schritt die Stufen hinauf.
sehr sehr schön geschrieben.
AntwortenLöschenDanke sehr.
LöschenJa cool. War ja ein wenig skeptisch.
AntwortenLöschenWarum genau? Das wäre spannend für uns/mich zu wissen.
LöschenIch konnte mir nicht ganz vorstellen, in welche Richtung die Verbindung von Text und Bild gehen soll. Nicht, dass ich an euch gezweifelt hätte, aber ich war abwartend gespannt, was ihr aus der tollen Idee machen könnt.
LöschenDas Risiko besteht natürlich immer, dass die Verbindung nicht funktioniert, aber genau deshalb finden wir das Ganze auch so spannend.
LöschenFreut mich aber sehr, dass es gefällt.
Nachdem ich jetzt erst den Text gelesen und dann das Bild betrachtet habe muss ich gestehen, das es dir sehr gut gelungen ist, die Stimmung einzufangen. Daumen hoch! ;)
AntwortenLöschenAber ....
Der Text allein hinterlässt bei mir einen eher zwiespältigen Eindruck. Versteh mich nicht falsch. Er ist gut geschrieben, die Charaktere haben Profil und eine Bo(o)tschaft (haha) ist auch drin, doch irgendwie konnte er mich nicht mitreißen wie es viele deiner anderen Texte tun. Warum genau könnte ich dir jetzt so genau auch nicht sagen. Vielleicht liegt es einfach nur an der frühen Uhrzeit und meiner gegenwärtigen Stimmung. ;)
Er ist allein für sich, mangels besserer Worte ... nett ... aber nicht mehr. Das ist aber nur meine persönliche, aktuelle Auffassung und ich freue mich trotzdem auf weitere künstlerische Kompositionen dieser Art. :)
Danke, auch für deine Kritik.
LöschenEs ist auch beim Schreiben zwiespältig gewesen. Ich schreibe oft und gerne mit einem Knackpunkt, einer intensiveren Wendung, es wäre fast schon für mich klassisch gewesen, wäre es am Ende eigentlich gar nicht um das Boot gegangen.
Diesmal fallen Konflikt und Auflösung aber ziemlich unkritisch aus. Natürlich wäre es ein leichtes, jetzt zu sagen: "Genau das war Absicht." und damit meinen Text zu verteidigen, aber das werde ich nicht tun.
Ich halte deine Kritik genau im Blick bei den nächsten Kurzgeschichten, die ich veröffentliche.
Gerade freue ich mich eigentlich besonders, dass diese Geschichte von so vielen kommentiert wird. Das Interesse an Prosa/Geschichten scheint also auch immernoch vorhanden. Und unsere Wahrnehmung, dass wir da zu wenig machen auch richtig.