Der Geiz der Weihnacht
Wie ein Auftragskiller stand ich da. Kühl, wortlos, zielgerichtet. In mir knirschte alles noch ein wenig, weil ich zur Vorbereitung der Bescherung mit der Nachbarin in die Kirche geschickt wurde. Was für eine Lächerlichkeit. Nicht, weil es die Kirche war, sondern ich längst wusste, dass dieses Jahr kein Weihnachtsmann kommen würde und auch kein Christkind die Geschenke bringen würde. Der Zauber war verflogen und ich reduzierte Weihnachten auf das, was es war: Spiel auf Zeit.
Erfreulicherweise hatten meine Eltern recht schnell aufgegeben mich Gedichte vortragen zu lassen, oder auch Blockflöte unter dem Baum zu spielen. Die Romantik der kindlichen Kunstromantik war der eiskalten Realität der musischen Unfähigkeit des Ahnen gewichen. Noch so wenig Frühförderung mochte Talent in diese Familie spülen, wir blieben für alle Ewigkeit dem Hören von Musik verpflichtet. Und das war auch gut so.
Das hatte aber auch zur Folge, dass nach dem Abendessen kein Programm mehr über war, welches zwischen mir und den Geschenken stand. Dem Geschenk. "Darf ich den Tisch abräumen?" hatte ich gefragt. Ich wusste, dass ich mich kooperativ geben musste, die Macht über die Glocke, die zur Bescherung führte lag bei meiner Mutter. Also funktionierte ich nur, um der Effizienz dieses Abends zu tragen. Es darf einfach keine weiteren Verzögerungen geben. Ich esse gerne, aber Vor-, Haupt- und Nachspeise dauerten einfach zu lange.
Warum wir denn nicht noch ein wenig gemütlich zusammensitzen könnten, fragte meine Mutter. Wäre ich nicht erst zehn gewesen, hätte ich ihr bescheinigt, dass wir das noch nie getan haben und auch nie besonders gut konnten. Nach dem Essen wurde beschert, das war immer so. Und ich bekam den Verdacht, dass das Ziel dieser Übung auch nur war, mich zu quälen. Eine besondere Qual, gab es dieses Weihnachten nichtmal mehr Neugier.
Höchstens, auf welcher Seite des Baumes mein Geschenk lag. Ich kannte schon die Abmessungen, ich hatte auch schon alles vorbereitet; das Geschenk konnte direkt aufgebaut, angeschlossen und zum Einsatz gebracht werden. Ohne das meine Eltern es gemerkt hatten, waren sogar schon meine bevorzugten Spiele raffiniert unter dem Schrank versteckt, so dass es nicht mal mehr einen Grund gab in mein Zimmer zu gehen.
1994: Der Super Gameboy erscheint in Deutschland und Nintendo bietet ihn als Set mit dem Super Nintendo Entertainment System, kurz SNES, an. Ich war der einzige Junge in meinem Freundeskreis, wenn nicht sogar im Universum, der noch kein SNES hatte. Und es war bitter nötig. Und ich habe hart dafür gestritten. Aber ich hatte gewonnen. Zu einem Preis.
Da meinen Eltern die Spielkonsole zu teuer war und es mein erstes richtig teures Weihnachtsgeschenk gewesen wäre, verpackte mein beauftragtes Erziehungsgespann auch noch etwas Pädagogik in Weihnachten. So durfte ich die Hälfte des Kaufpreises aus eigenem Taschengeld stemmen. Ich habe das nur als überzogenen Geiz meiner Eltern realisiert. Aber ich habe gespart. Sogar das - von meinen Eltern finanzierte - Mickey Mouse-Hefte-Abo stampfte ich zu Gunsten der Konsole ein. Alles sollte nur noch auf diesen einen Punkt führen.
Weihnachten sollte für mich nicht der sanfte Einstieg in den Jahresabschluss werden, sondern der Auftakt einer Ära. Die Ära der Teilnahme am virtuellen Leben.
Erst viele Jahre später habe ich verstanden, was mir eigentlich geschenkt wurde. Denn tatsächlich spare ich motiviert und hart für die Sachen, die ich mir kaufen möchte und kann mir so manchmal leisten, was über meinen Verhältnissen wirkt. Das meine Eltern damals eigentlich auch gar nicht das Geld gehabt hätten mir das Geschenk zu kaufen, hätte ich nicht so hart gespart, habe ich offiziell nie erfahren. Durch Zufall habe ich viel später mal in die Finanzen von damals schauen können.
Verzicht fällt mir heute oft leicht, wenn ich sehe wofür ich da spare. Und inzwischen ist mein Auftragskillergesicht das höchste mögliche Zeichen von Vorfreude in mir. Kühl, wortlos, zielgerichtet.
Weil ich die Dinge zu schätzen weiß. Und das nicht nur in ihrem Geldwert.
Vielleicht das größte Geschenk, das ich jemals bekommen habe. Nach dem Super Nintendo.
Erfreulicherweise hatten meine Eltern recht schnell aufgegeben mich Gedichte vortragen zu lassen, oder auch Blockflöte unter dem Baum zu spielen. Die Romantik der kindlichen Kunstromantik war der eiskalten Realität der musischen Unfähigkeit des Ahnen gewichen. Noch so wenig Frühförderung mochte Talent in diese Familie spülen, wir blieben für alle Ewigkeit dem Hören von Musik verpflichtet. Und das war auch gut so.
Das hatte aber auch zur Folge, dass nach dem Abendessen kein Programm mehr über war, welches zwischen mir und den Geschenken stand. Dem Geschenk. "Darf ich den Tisch abräumen?" hatte ich gefragt. Ich wusste, dass ich mich kooperativ geben musste, die Macht über die Glocke, die zur Bescherung führte lag bei meiner Mutter. Also funktionierte ich nur, um der Effizienz dieses Abends zu tragen. Es darf einfach keine weiteren Verzögerungen geben. Ich esse gerne, aber Vor-, Haupt- und Nachspeise dauerten einfach zu lange.
Warum wir denn nicht noch ein wenig gemütlich zusammensitzen könnten, fragte meine Mutter. Wäre ich nicht erst zehn gewesen, hätte ich ihr bescheinigt, dass wir das noch nie getan haben und auch nie besonders gut konnten. Nach dem Essen wurde beschert, das war immer so. Und ich bekam den Verdacht, dass das Ziel dieser Übung auch nur war, mich zu quälen. Eine besondere Qual, gab es dieses Weihnachten nichtmal mehr Neugier.
Höchstens, auf welcher Seite des Baumes mein Geschenk lag. Ich kannte schon die Abmessungen, ich hatte auch schon alles vorbereitet; das Geschenk konnte direkt aufgebaut, angeschlossen und zum Einsatz gebracht werden. Ohne das meine Eltern es gemerkt hatten, waren sogar schon meine bevorzugten Spiele raffiniert unter dem Schrank versteckt, so dass es nicht mal mehr einen Grund gab in mein Zimmer zu gehen.
1994: Der Super Gameboy erscheint in Deutschland und Nintendo bietet ihn als Set mit dem Super Nintendo Entertainment System, kurz SNES, an. Ich war der einzige Junge in meinem Freundeskreis, wenn nicht sogar im Universum, der noch kein SNES hatte. Und es war bitter nötig. Und ich habe hart dafür gestritten. Aber ich hatte gewonnen. Zu einem Preis.
Da meinen Eltern die Spielkonsole zu teuer war und es mein erstes richtig teures Weihnachtsgeschenk gewesen wäre, verpackte mein beauftragtes Erziehungsgespann auch noch etwas Pädagogik in Weihnachten. So durfte ich die Hälfte des Kaufpreises aus eigenem Taschengeld stemmen. Ich habe das nur als überzogenen Geiz meiner Eltern realisiert. Aber ich habe gespart. Sogar das - von meinen Eltern finanzierte - Mickey Mouse-Hefte-Abo stampfte ich zu Gunsten der Konsole ein. Alles sollte nur noch auf diesen einen Punkt führen.
Weihnachten sollte für mich nicht der sanfte Einstieg in den Jahresabschluss werden, sondern der Auftakt einer Ära. Die Ära der Teilnahme am virtuellen Leben.
Erst viele Jahre später habe ich verstanden, was mir eigentlich geschenkt wurde. Denn tatsächlich spare ich motiviert und hart für die Sachen, die ich mir kaufen möchte und kann mir so manchmal leisten, was über meinen Verhältnissen wirkt. Das meine Eltern damals eigentlich auch gar nicht das Geld gehabt hätten mir das Geschenk zu kaufen, hätte ich nicht so hart gespart, habe ich offiziell nie erfahren. Durch Zufall habe ich viel später mal in die Finanzen von damals schauen können.
Verzicht fällt mir heute oft leicht, wenn ich sehe wofür ich da spare. Und inzwischen ist mein Auftragskillergesicht das höchste mögliche Zeichen von Vorfreude in mir. Kühl, wortlos, zielgerichtet.
Weil ich die Dinge zu schätzen weiß. Und das nicht nur in ihrem Geldwert.
Vielleicht das größte Geschenk, das ich jemals bekommen habe. Nach dem Super Nintendo.
Sehr schöner Text. Ich freue mich immer, wenn ich mich mit einem Text identifizieren kann :)
AntwortenLöschenSchade nur, dass nicht jeder Mensch im Erwachsenenalter mit diesem weisen Blick auf die Kindheitstage zurückschaut.
Freut mich auch, wenn es gefällt. Der vielleicht auch belehrende Inhalt vor Weihnachten war auch Absicht. Vielleicht verläuft sich ja jemand mit unweisem Rückblick hier her. ;)
LöschenOh ja, der Kampf mit den Eltern um das begehrte SNES. Kann ich mich auch sehr gut mit identifizieren und wenn ich so überlege mag da tatsächlich eine erzieherische Maßnahme hinter gesteck haben und nicht nur das Bedürfnis der Eltern das Kind am Esstisch leiden zu sehen ;)
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