Schmerz


Salzverkrustet fährt ein Finger durch die fleischige Wunde. Einzelne Kristalle springen begeistert ab, um sich dann tief ins Fleisch zu brennen. Wie glühende Nägel lassen sich die kleinen Steinchen ein und entlocken mir ein Seufzen. Im unpräzisen wilden Schnitt, über meine Brust, lodern viele kleine Feuer und entbrennen mir meine Energie.
Ich liege in vielen winzig kleinen Scherben und spüre wie sie mich fein-säuberlich filetieren. Jeder Tropfen Blut kostet mich Kraft, aber trotzdem fühlt es sich so an als würde ich gereinigt. Als würden die Schmerzen aus dem Körper gehen. Als würden all diese Erinnerungen aus der Seele gehen. Ich kann mich nicht bewegen. Ich kann nicht weg. Hier bleiben schmerzt, weg laufen aber noch viel mehr.
Mein Kopf fühlt sich stumpf an, jeder Gedanke ist einfach und kurzatmig. Keine sprachliche Eleganz und keine scharfen Argumente in ihnen. Simpel und gerade aus. Ich werde den Eindruck nicht los, ein Beule würde mir am Kopf wachsen. Aber der Gedanke, dass aus meinem Kopf etwas erwächst macht mich zufrieden.
Alles verhakt sich in meinem Körper und zieht an ihm. Die Haut, nur eine abreißbare Verpackung. Darin: Alle Schätze meines Lebens, alle Erinnerungen an Tage, die andere längst vergessen haben.
Das Unwichtige blutet aus. Ein Kribbeln, wie Käfer unter der Haut, sagt mir, dass ich lebe, dass ich nicht sterbe. Steh auf. Genieße es. So lange du etwas fühlst, lebst du.
Alle anderen Gefahren schauen mich irritiert an. Sie schaudern. Trotz der Schmerzen steh ich auf und lache. Sie zögern, sie bekommen Angst vor mir. Sie bekommen Angst davor nutzlos zu zerschellen.
Ich stehe stark und marschiere vorwärts. Meine Wunden fressen Luft und sammeln Energie. Später einmal werden sie als Narben auf meinem Körper stehen. Sie werden eigene Geschichten erzählen können und wann immer das Wetter wechselt, der Wind sich dreht, werden sie jucken, um mich an diese Tage zu erinnern. Und dann werde ich wieder alle Gefahren anlachen. Seht, ich habe soviel durch gemacht, was soll mir noch passieren? Was kann schon noch kommen?
Ich habe mich schützend vorgeworfen und bereue es keinen Tag.

Kommentare

  1. Eine interessante Sichtweise. Man könnte fast denken, du gehörst zu den Yuuzhan Vong. ;-)
    (http://www.jedipedia.de/wiki/index.php/Yuuzhan_Vong#Religion)

    Spaß bei Seite! Ich finde Deine bildliche Schreibweise sehr gelungen. Man wird förmlich an seine eigenen "Schmerzen" erinnert. *auf die Narben zeig* ^^

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  2. Bei dem Text muss ich mich doch auch glatt mal wieder zu Wort melden.

    Es is wirklich suuuper geschrieben, finde ich. Als ich die ersten Wörter gelesen hab', hat's mich erstmal geekelt und innerlich geschüttelt. Dann dachte ich, dass es vielleicht ein Selbstmordversuch sein könnte. A la Teenager wurde von der "Liebe seines Lebens" verlassen und sieht keinen Sinn mehr... Das war aber nur ein kurzer Einfall. Es gab' noch Assoziationen zu Masochismus, aber... Hat sich auch verlaufen.
    Und dann am Ende saß ich nurnoch sprachlos da.
    Ich bin ja selber ein Fan von Narben und vernarbten Männern, gerade weil sie dann schon was erlebt haben, Geschichten erzählen können, abgehärtet sind, usw.

    Irgendwie hat dein Text eine ermutigende Wirkung auf mich. Auch, wenn du zu Boden geschlagen wirst und alles in dir danach strebt, liegen zu bleiben und den Schmerz gering zu halten, solltest du aufstehen. Die Wunden, den Schmerz als einen Teil von dir akzeptieren und ihn dich stärker machen lassen.
    Kann ich grade gut gebrauchen, danke für den text :-)

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  3. Anonym12.1.09

    Richtig geil geschrieben. Richtig richtig geil.

    So lange du etwas fühlst, lebst du.
    gefiel mir besonders gut, nur leider wird das irgendwie nebensächlich, wenn man mal gefoltert wird. :/

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  4. Bei mir tauchten zwei Assoziation auf:
    zum einen die eines Menschen, der einen Unfall erleidet, aber daraus erstarkt hervorgeht,
    zum anderen die eines Menschen, der sich selbst Schmerzen zufügt, um sich selbst leben zu fühlen. Manche tun das, ritzen sich, weil sie sich sonst taub fühlen, oder um all das, was sich in ihnen aufgestaut hat, "abfließen" zu lassen.

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