Der Johnson-Fall - Teil 2

Autor: Jay
Verfasst: 04.03.2009

Der Johnson-Fall

Als erstes musste ich die Fakten für mich zusammenfassen, bevor die Recherche begann. Da ich nicht mal mehr Geld für Büromaterial hatte, löste ich sorgsam das Label von der Whiskyflasche und machte mir Notizen auf der Rückseite des Etiketts. Bob Johnson war der Freund meiner Klientin und lebte bei ihr zu hause. Was er genau tat wusste sie auch nicht. Solange sie da war, ging er nicht aus dem Haus. Ich musste also heraus finden, ob er Feinde hatte. Zudem hätte ich gerne einen Blick in den Polizeibericht geworfen.
Über Feinde fand man alles in Bars heraus. Im Haus des Opfers war eine Bar, die "Parkplatz-Bar". Total bescheuerter Name, aber ich dachte, wenn man drin saß, ergab es Sinn. Wobei, meist war es eigentlich genau andersherum. Nobele Clubs hießen in dieser Stadt "Eimer" oder auch "Pissoir", dreckige Spielunken dagegen "Zum blauen Samt" oder "Chez Horst".
Für den Polizeibericht musste ich ins Zentralrevier. Von hier aus gesehen, war das Polizeirevier näher. Außerdem fuhr dort hin direkt ein Bus. Natürlich hatte ich kein Auto. Hätte ich eins, dann bräuchte ich ja nicht im Büro wohnen. Erfreulicherweise hatte meine Klientin mir einen kleinen Vorschuss gewährt, sonst hätte ich versuchen müssen den Busfahrer mit Schnaps und Zigaretten zu bezahlen. Da ich immer noch die Whiskyhose und das Zigarettenhemd trug, konnte ich froh sein, dass er mich überhaupt mitnahm.

Man hatte mich hin und her geschickt um den Bericht zu sehen, bis ich in einem Wartezimmer vor einem vergitterten Archiv stand. Es war hier unheimlich laut. Lauter als im Zellenblock für betrunkene Randalierer. Kein Wunder, hier standen ja auch nur Anwälte und wetterten auf die ältere Dame am Schalter ein, sie müsse zu zig verschiedenen Fällen sofort Einsicht in die Unterlagen gewähren. Sie sah unheimlich genervt aus, aber auch sehr liebenswert. Immer wieder verwies sie auf die Nummer-Zieh-Maschine. Denn eine Nummer hatte keiner von all denen gezogen. Ohne Nummer dürfte sie schonmal rein gar nichts aushändigen.
Ich stand vor dem Aparat und zog eine Nummer. "4999 von 5000" stand darauf. Ich sah mir noch einmal die wütende Horde an und hatte eine Idee.
"Hey.", sagte ich. "Hey!", rief ich. "HEEEYYYY", brüllte ich nachdem ich mich auf einen Stuhl gestellt hatte. Ich wurde angesehen, mehr aber auch nicht. Am liebsten hätte ich mit meinem Revolver in die Decke geschossen, aber wir waren ja mitten in einem Polizeirevier. Erschwerend kam hin zu, dass ich damals den Revolver gegen einen Bleistift und den Whisky eingetauscht hatte. Also schlug ich zwei herumliegende Zeitungen zusammen, was auch wie ein Schuss klang.
Alle Augen lagen nun auf mir. Cool wie immer legte ich los: "H-h-e-e-y." Okay, ich kam mir cooler vor, als ich in Wirklichkeit wohl gewirkt habe. "Die gute Frau sagte doch bereits, ihr braucht eine Nummer." Es waren Wölfe, ich sah nur gefletschte Zähne, die darauf warteten mich mit Paragraphen zu zerreißen. Ihre Aufmerksamkeit hatte ich, eine falsche Bewegung und ich wäre Gehacktes. "Es gibt nur noch einen Zettel. Die Nummer 5000, wer die hat bekommt wohl seine Akten." Ich Idiot musste damit vor ihren Nasen rumwedeln. Aber meine Logik leuchtete ein. Gemessen an meinem Outfit, griffen die ersten zu ihrer Geldbörse. Ich leckte den Zettel an und klebte ihn an meine Schnapsflasche, die ich dann aus dem Fenster hielt. "Wer sie bekommt, kriegt seine Akten."
Ich war nur froh, dass keiner durch das Fenster der Flasche hinter her gesprungen war, aber jetzt hatte ich freie Bahn. Mit der Nummer 4999 winkend lief ich auf die gute Frau zu, sie zeigte sich aber unbeindruckt. "Guten Tag, ich bin die Nummer 4999, mein Name ist Peter..." - "Sie kommen sich wohl besonders schlau vor, hm?" - "Ich wollte ihnen doch nur zu etwas Ruhe verhelfen." - "Ja, danke. Wer sagten sie sind sie?" - "Peter Macguire, Privatdetektiv für be...." - "Der Viereck-Fall. Ich kenne sie. Was kann ich für sie tun?"

Der Polizeibericht war seltsam. Keine Fotos. Wenig Informationen. Die Leiche wurde in einer riesigen Pfütze auf dem Boden vor dem Fenster des Wohnzimmers gefunden. In der Pfütze lagen jede Menge Glasscherben. Das Fenster war zwar offen, die Scheibe aber unbeschädigt. Auf den Glasscherben waren Fingerabdrücke meiner Klientin. Alles deutete darauf hin, dass Bob Johnson erstickt ist. Es gibt allerdings keine Würgemale und er hatte auch kein Wasser im Hals. Für mich steht fest, Bob Johnson ist einen seltsamen Tod gestorben.

Kommentare

  1. Der Typ ist mir mal echt sympathisch. Sehr unterhaltsam geschrieben, besonders wie er seine drei Habseligkeiten bekommen hat und die Umschreibungen der Stadt (Chez Horst). Man kann sich sehr gut ein Bild von dem Kerl machen und ich bin mal gespannt, was es mit dem seltsamen Tod auf sich hat.

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  2. Erschwerend kam hin zu, dass ich damals den Revolver gegen einen Bleistift und den Whisky eingetauscht hatte.

    Besonders clever klingt das nicht. ;-) Wahrscheinlich war der gute zu dem zeitpunkt ziemlich "ausgetrocknet".

    Weiter so, sehr amüsant.

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  3. find ich super gut. durch sein Handeln, egal ob vergangenes oder momentanes, kommt der Witz der Geschichte heraus und das ist dir hervorragend gelungen. Ich finde das total lustig, amüsant und trotzdem total spannend. Meine Aufmerksamkeit hast du.

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  4. Total witzig erzählt! Klasse!

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  5. ..ich bleib auch dran... ;-)

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  6. Echt lustig :D Die zähnefletschende Meute, die nach Akten aus is... Super ^^

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