Destiny: Die Zeit auf dem Mars
"Einundzwanzig, Zweiundzwanzig, Dreiundzwanzig, Vierundzwanzig. Das muss schneller gehen. Nochmal. Trommel ausklappen, altes Magazin raus, neues Magazin rein, Trommel einklappen. Vierundzwanzig. Das muss noch schneller gehen."
Vollkommen routiniert schaute Eliza über die Brüstung ihres Verstecks. Eine Phalanx der Kabale trottete über das staubige Feld. Der Feind sammelte sich wieder, um den nächsten Versuch zu starten. Und wieder würde Eliza warten. Es wäre ein leichtes, jetzt diesen einen Soldaten zu erlegen, aber der Lärm und die Aufmerksamkeit würde die anderen dazu bringen, sich vorsichtiger ins Gebiet zu bewegen. Eliza wartete nur auf den passenden Moment.
"Hespe ist in der Nähe." verkündete ihr Geist, in einem stummen Ton, der nur in ihrem Kopf zu hören war. Es war ihr selbst noch unheimlich, wie das kleine Licht das bewerkstelligte, aber inzwischen war ihr das auch zu egal geworden, als dass sie längere Zeit Gedanken daran verschwenden würde. Die Kabale gingen durch den Geist auch nicht weg, also war das Teil für sie nutzlos.
Es fehlte nur noch der Koloss und es würde sich für sie lohnen. Alles war perfekt vorbereitet. "Eliza, kannst du mich hören?", tauchte Hespe im Gruppenfunk auf. Eliza drückte den Revolver an ihre rechte Schulter, weil es ihr gewohntes Ritual war, bevor sie ihre Kraft in die Knie drückte. "Ja.", gab sie knapp zurück, bevor jedes Wort in Feuer verschwand.
"Einundzwanzig, Zweiundzwanzig, Dreiundzwanzig, Vierundzwanzig.", ein Schuss folgte auf den anderen und sie alle durchschlugen der Reihe nach die Helme ihrer Feinde. "Fünfundzwanzig, Sechsundzwanzig, Siebenundzwanzig, Achtundzwanzig.", nur für den Koloss, der die Kabale auf dem Feld schützen sollte, hatte sie eine besondere Überraschung. So zog sie den Mahner hoch, warf ihn schwungvoll auf ihre Schulter und nahm sich nicht mehr die Zeit zu visieren. Zu oft hatte sie diesen Schuss genauso abgegeben, als dass die Rakete noch hätte verfehlen können.
"Achtunzwanzig? Von jemandem der so lange hier ist, hätte ich mehr Abschüsse erwartet.", scherzte Hespe, die im Türrahmen des zerklüfteten Turms aufgetaucht war. Eliza duckte sich wieder ab und atmete schwer aus. Es musste noch ein Moment vergehen, bevor sie sich Zeit für Hespe nehmen würde. In ihrem Helm hatte sie die Augen geschlossen, was nie jemand sehen konnte. Dann war sie aber wieder da: "Ich zähle nicht die Abschüsse. Ich zähle wie lange ich brauche." Hespe lehnte unnötig lässig mit einem Bein an dem, was von einer Gleittür übrig geblieben war. "Und? Zufrieden?", fragte sie nur und Eliza wusste genau, dass Hespe zynisch gelächelt hätte, wenn sie Lippen hätte. "Das muss noch schneller gehen."
Eine ganze Zeit sprachen Hespe und Eliza nicht mit einander, während sie vom Turm aus die Lage sondierten. Hespe unterhielt sich gerne, aber Eliza hatte keine Verwendung mehr für Smalltalk. Aber Hespe war sowas wie eine Freundin, daher würde sie antworten, wenn sie etwas gefragt würde. "Wie lange bist du jetzt schon hier?", war nach etwa einer Stunde Schweigen das, womit Hespe die Stille zerschnitt. "Siebzehn Tage." Hespe legt überrascht und überraschend den Kopf zur Seite; Eliza wunderte sich immer noch, dass auch die Exos als Roboter scheinbar Mimik und Gestik hatten. "Braucht ihr Menschen nicht regelmäßig diese Nahrung?" Eliza schaute wieder über die Brüstung. Die Kabale sammelten sich erneut. Seit Hespe hier war, hatten sie schon zwanzig Wellen niedergestreckt. "Ich gehe, wenn die Situation hier es zu lässt, in mein Schiff in den Orbit und esse dort." Und dann spielte Eliza wieder ihre Nachladeübungen durch.
"Warum fragst du?", wollte Eliza nach vier, viel zu langen, Sekunden wissen. Hespe schaute durch das Zielfernrohr ihres Scharfschützengewehrs. "Weißt du, dein Plan funktioniert nicht." Eliza unterbrach ihre Routinen. "Im Turm denkt immernoch keiner darüber nach, den Mars wieder zurück zu erobern. Es ändert sich dort nichts." Dann begann Eliza wieder stur ihre Waffen durch zu prüfen: "Dann muss ich noch länger hier bleiben. Offensichtlich wissen noch nicht genug Leute von meinem Vorhaben." Hespe richtete sich auf, und versuchte Eliza an zu schauen, was durch die dicken Schutzhelme kaum möglich war. "Alle wissen davon, Eliza. Aber sie machen dich zur Heldin, ohne deine Geschichte zu erzählen." - "Wie meinst du das?"
Hespe setzte sich hinter die Brüstung. "Als ich mit Commander Zavala gesprochen habe, war er total stolz auf seine unaufhaltsame Titanin, die den Kabalen die Stirn bietet. Als ich ihn dann aber gefragt habe, warum er nicht die Kräfte der Vorhut bündelt und dich unterstützen will, meinte er, dass das nichts bringen würde. Auch, als ich sagte, dass doch der Sprecher selbst zu uns meinte, dass wir die Dunkelheit die den Reisenden und uns bedroht zurück schlagen müssen, sagte er nichts anderes. Es würden die Möglichkeiten fehlen." Eliza, deren Arme mit jedem weiteren Satz von Hespe mehr bebte, sprang auf:
"Es fehlen die Möglichkeiten? DIE MÖGLICHKEITEN? ABER JEDEM VERDAMMTEN HÜTER EINEN NEUEN SPARROW SCHENKEN?" Hespe griff Eliza am Arm, die ganz vergessen hatte, wo die beiden sich besprachen. "Das kann nicht wahr sein.", sagte Eliza in ihrer Wut, während sie sich wieder in Deckung sacken ließ. Dann drehte sie sich zu Hespe und korrigierte sich: "Natürlich ist es wahr. Warum solltest du lügen?"
Diesmal würden die Kabale länger Zeit bekommen sich zu sammeln, denn Eliza hing resigniert an der Wand, neben ihrer Freundin. Diese versuchte wenigstens ihr bei zu stehen: "Ich verstehe es ja auch nicht.", und dabei humorvoll zu bleiben: "Also, dich verstehe ich mit deiner Belagerung des Mars auch nicht, aber weshalb wir die Kolonien nicht zurück erobern, will mir nicht in den Sinn." Eliza schüttelte nur den Kopf, während Hespe einfach weiterredete. Irgendwann musste ja was dabei sein, was Eliza aufbauen könnte: "Wir haben Zeit und Möglichkeiten, alle Hüter in Wettbewerbskämpfen gegeneinander los zu schicken. Wir sammeln bei Patroullien Tag für Tag Kabel, Verschlussklappen und anderen Weltraumschrott für die Fraktionen im Turm. Aber keiner - Und ich habe mit allen Fraktionsvertretern gesprochen - keiner kann uns helfen." - "Keiner will uns helfen.", setzte Eliza wütend nach. Hespe zuckte mit ihren Schultern.
"Weißt du. Manchmal glaube ich, es geht gar nicht darum, die Menschheit zu retten. Mir kommt es vor, als wäre es eine riesige Show. Eine Beschäftigungsteraphie für uns Hüter. Bewaffnete Söldner, die besser beschäftigt gehalten werden, bevor sie selber nachdenken." Hespe drehte ihren Kopf zu Eliza: "Wie meinst du das?" Eliza starrte aber weiter die Wand vor sich an. "Naja, wir sollen für unsere Freiheit kämpfen, aber bekommen selber keine. Wir dürfen nur eine bestimmte Menge Geld haben, können nicht alle Teile des Turms einsehen, sind nicht als geschlossenes Militär organisiert, obwohl das Sinn machen würde. Nein. Alle Hüter sind so ein zusammen geworfener freiwilliger Haufen. Wie können wir uns dieses Luxus leisten, wenn wir schon in unserer letzten Bastion festhängen? Und anstatt uns zu einer mächtigen Einheit zusammen zu schmelzen, werden wir immer fein säuberlich separiert.Wir dürfen ja nicht mal Handel miteinander treiben! Ach, Handel. Du darfst mir nicht mal ein Päckchen Munition abgeben!"
Hespe nickte mit jedem Satz ein wenig mit. "Für was für eine Freiheit kämpfen wir hier denn? Hast du ein eigenes Haus? Eine Heimat? Nein. Wir leben alle in unseren Schiffen. In unseren Schiffen. Wir haben zig Millionen Schiffe von Hütern, können sie aber nicht so bewaffnen, dass wir mal die Extraktionsteams der Gefallenen oder die Grabschiffe der Schar vom Himmel fegen können." Hespe war sich nicht sicher, da sie diese Organe nicht hatte, aber sie glaubte, dass Eliza in ihrem Helm weinte. "Wir werden verdammt nochmal klein gehalten. Weder die Neue Monarchie, noch der Tote Orbit oder der Kriegskult der Zukunft nutzen etwas als Vertreter im Turm. Wo sind den deren alten Lager? Wo ist denn die Flotte, die der Tote Orbit aufbauen will? Uns wird so vieles versprochen, aber wenn wir dafür kämpfen, bekommen wir nichts."
Und dann gingen Eliza die Gefühle aus. Eine undankbare fressende Leere nahm sie ein. Erst als Hespes Hand auf ihrer Schulter lag, kam Eliza wieder ein wenig zu Sinnen. Hespe ergriff nicht nur ihre Schulter, sondern auch das Wort von ihrer Freundin: "Wir brauchen den Turm nicht. Jetzt verstehe ich, was du hier tust. Und weißt du was? Wenn wir den Mars erstmal erfolgreich für die Menschheit eingenommen haben, kann ihn uns auch kein Turm mehr weg nehmen. Die leichtfertigen schmalgeistigen anderen Hüter können sich ja weiter für irgendwelche Marken im Schmelztiegel gegenseitig zerfleischen, aber wir werden uns eine neue Heimat erobern. Und wenn wir erstmal mehr sind, dann muss uns auch die Erde vernünftig zu hören."
Und dann beschwörte Hespe ihren Geist in ihre Hand und zählte: "Einundzwanzig, Zweiundzwanzig, Dreiundzwanzig." Eliza packte neuer Mut und sie feste ihren Revolver. "Was zählst du da, Hespe? Wie lange wir gemeinsam den Mars belagern?" Und Eliza war sich sicher, das Hespe gelächelt hätte, wenn sie Lippen gehabt hätte: "Wieviele Verbündete ich für unsere Sache benachrichtige."
*g
AntwortenLöschenSehr schön geschrieben aber auch ein wenig traurig, das in dem Universum so viel Plotholeness herrscht. Destiny hätte so viel mehr sein können. Vielleicht richten es die DLC ja noch ein wenig, aber für ein Projekt dieser Größe ist das schon ein kleines Armutszeugnis.
Danke. Ich hatte/habe Lust im Moment ein wenig Fan-Fiction zu schreiben.
LöschenZwischenbericht aus dem ersten DLC: Plot-Holes werden gestopft. Stimmung ist besser. Welt nicht plausibel. Der Drive des Spiels hat sich aber nicht verändert.