Rezension: Film verstehen

In vielen Bereichen gibt es sogenannte Standardwerke, die immer wieder als Grundlage herangezogen werden. Im deutschsprachigen Raum ist der Duden zu nennen, geht es um Rechtschreibung und Grammatik, oder die Brockhaus Lexika, geht es um fundierte, allgemeine Nachschlagewerke in den Bereichen Kultur, Politik, Geographie, Geschichte und Technik. Im Bereich Film hat sich über die Jahre hinweg ebenso ein Standardwerk herauskristallisiert, das nicht nur von Filmschulen, sondern auch von Filminteressierten weiter empfohlen wird. Ich ließ mich ebenso überzeugen und kann jedem, der sich theoretisch wie praktisch für Film interessiert, dieses Werk empfehlen. Die Rede ist von James Monacos Film verstehen.


Der gesamte Titel des Buches: Film verstehen – Kunst, Technik, Sprache, Geschichte und Theorie des Films und der Neuen Medien. lässt befürchten, dass sich der Autor James Monaco ein wenig übernommen hat. Und tatsächlich kann das Buch nicht all das erfüllen, was es zunächst verspricht, was jedoch vor allem an den Erwartungen des Lesers liegen dürfte, wenn dieser erwartet, nur dieses Buch zu benötigen, um anschließend alles über das Medium Film zu wissen. Bei Film verstehen handelt es sich immer noch um ein Grundlagenbuch, das gar nicht den Anspruch erhebt, alle Schwerpunkte gleichermaßen und in aller Vollständigkeit zu beschreiben.


James Monaco: Film verstehenFilm verstehen vermittelt das nötige Grundwissen, um über alle Facetten des Films informiert zu sein und bietet darüber hinaus ein ausführliches Literaturverzeichnis, das auf Titel verweist, die einzelne Schwerpunkte detailliert behandelt. Monacos Buch ist entsprechend der perfekte Ausgangspunkt, wenn man Filmwissen komprimiert in einem Buch sucht.

Film verstehen unterteilt sich in sieben Kapitel:

1. Film als Kunst
An dieser Stelle wird die theoretische Grundlage für die Beschäftigung mit dem Medium Film gelegt. Die Entwicklung von Sehgewohnheiten werden ebenso behandelt wie das Verhältnis zwischen Produktion und Rezeption.

2. Filmtechnik
Hier wird wirklich alles besprochen, was auf technischer Seite zur Realisation eines Filmes notwendig bzw. möglich ist. Dies beinhaltet: Objektive, Kameras, Filmmaterial, Bildformate, Tonaufnahme, Postproduktion inkl. Schnitt, Tonmischung und Special Effects. Auch der Einfluss von kostengünstigen Möglichkeiten des Filmemachens (Stichwort: Digitales Filmen) und die neuen Distributionswege von Filmen (beispielsweise Youtube) wird besprochen.

3. Filmsprache
Warum können wir Filme verstehen? Was sind die Zeichen des Films? Wie hat sich eine Filmsprache des Films entwickelt?

4. Filmgeschichte
Hierbei handelt es sich nicht um einen einfachen Abriss über die Geschichte des Films und verschiedene Strömungen. Vielmehr werden die Zusammenhänge zwischen wirtschaftlichen Interessen, Politik, ästhetischen Entwicklungen in Kombination mit dem technischen Fortschritt hergestellt. Darin findet das langlebige amerikanische Studiosystem ebenso seinen Platz wie die Entwicklungen im europäischen Film, insbesondere in Frankreich, Deutschland und Italien vor und nach dem 2. Weltkrieg, der auch für die Filmgeschichte von immenser Bedeutung war.

5. Filmtheorie
Im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen ausgewählte philosophische und weltanschauliche Konzepte, die den Film maßgeblich beeinflusst haben bzw. vom Film beeinflusst wurden.

6. Medien
Der Film musste zunächst seinen Platz zwischen bereits bestehenden Medien finden. Zudem kamen nach ihm weitere Medien hinzu, die eine Neuplatzierung von ihm verlangten. Erwähnt werden sowohl Print- als auch elektronische Medien, Radio, TV und Internet. Insbesondere das Fernsehen wird in seinen Gemeinsamkeiten und Abgrenzungen zum Film besprochen.

7. Multimedia
Das schwierigste Kapitel des Buches, weil die technischen Entwicklungen mittlerweile schneller als das gedruckte Wort sind und manche aktuellen Möglichkeiten nicht in ihrer Gänze erkannt bzw. beschrieben werden. Dennoch bietet der Abschnitt interessante Gedanken zu interaktiven DVDs, Film im Internet und in E-Books, die Problematik des Urheberrechts und vielem mehr.

An dieses Kapitel schließt sich ein Anhang an, der es mit ca. 160 Seiten in sich hat. Darin finden sich eine Filmchronik, weiterführende Literatur zum Film, ein Register der Filmtitel sowie ein Personenregister.

Während die Gedanken zu modernen Entwicklungen in diesem Buch eher vernachlässigt werden können, bieten vor allem die Kapitel zu Filmtechnik, Filmgeschichte und Filmtheorie extrem viele nützliche Informationen, die besonders aufgrund der beschriebenen Zusammenhänge so wertvoll sind: Was ändert sich durch Objektive am Filmformat oder an einer Einstellung? Warum war der deutsche Film einmal die führende Filmwirtschaft noch vor Hollywood? Und wo kann man eine Grenze zwischen Fiktion und Realität im Film ziehen?

Der Aufbau des gesamten Buchs ist nachvollziehbar, die Sprache komplex, jedoch stets verständlich und lesbar und die Bebilderung ist ausreichend und trägt immer zum Verständnis bei. Zudem sind die über 800 Seiten mittlerweile als Taschenbuch erhältlich, was sich auch im Preis bemerkbar macht: Während ich meine Ausgabe (die 2000er) noch für fast 40€ erworben habe, ist die derzeit aktuelle Ausgabe (die 2009er) für die Hälfte, also 20€ erhältlich. Für so wenig Geld erhält man mit Film verstehen eines der umfangreichsten und informativsten Werke zum Film, das immer wieder einen Blick lohnt.

Das „Filme machen“ nimmt es angehenden Regisseuren, Kameramännern, Cuttern etc. natürlich nicht ab – liefert aber alle Grundlagen zur Theorie der Bildsprache, hebt das Verständnis für Ästhetik, Zusammenhänge zwischen Wirtschaft, Politik und Film und schärft den Blick für Filme allgemein. Kurz: Mit diesem Buch wird man tatsächlich jeden Film verstehen.

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