Rezension: Marc Aurel blogt

Na, ganz richtig ist es so nicht, da er nicht weblogt sondern, in Ermangelung von Internet nur analoge Beiträge verfasst, aber die Ähnlichkeiten sind nicht von der Hand zu weisen.

Marc Aurel, uns bekannt als Philosoph der Antike, hat, dann und wann ihn ein Gedanke beschäftigt oder gefasst hat, diesen aufgeschrieben, in kleinen Beiträgen, die er, sobald sie für ihn eine stimmige Einheit ergaben, als Buch veröffentlichte. Mit der Veröffentlichung, wurden seine Beiträge diskutiert, Fragen bemüht und – in bester moderner Facebookmanier – geteilt. Ob als Abschrift oder Kommentar, Marc Aurels Ge(b)logtes erfreute sich höchstem Interesse.
Und vielleicht, sollte es das auch noch heute. Wenn man seine Beiträge, hunderte von Jahren alt, nämlich heute liest, dann ist man durchaus im Stande, moderne Probleme und Entwicklungen wiederzuerkennen. Marc Aurel sorgt sich über die Ruhmsucht, die Ellbogengesellschaft, den Fremdenhass, das Konsumverhalten der jungen Menschen und die viel zu große Begeisterung für das Boulevardeske. Uli Hoeneß hätte gut daran getan Marc Aurel zu lesen, statt Börsenblatt, denn er beschäftigt sich auch mit Steuertreue und der Pflicht der Reichen gegenüber den Armen und dem Staat.
Und Marc Aurel ist ein Blogger durch und durch, denn findet er ein Thema noch nicht fertig besprochen, so macht er es zur Serie und kehrt oftmals dazu zurück, die gleiche Ansicht mit anderen Vergleichen und Worten zu unterfüttern.

Sprachlich tut sich die Übersetzung seiner Texte aus dem altgriechischen(?) dabei allerdings etwas schwer, den sperrige Satzkonstruktionen verwehren einem oft den direkten Zugriff zu Aurels Gedanken. Auch die, mal über alle Maßen modernen und dann wieder sehr altbackenden Worte die zur Übersetzung gewählt wurden, erschweren zunächst das Verständnis und die gute Lesbarkeit.

Als ich mich erstmal über diese Hürden gewunden hatte, durfte ich mit Erstaunen feststellen, wieviele der damaligen Probleme noch modern sind, oder besser gesagt sich für heute modernisiert haben. Wenn heute "gefällt-mir"s auf Facebook geerntet werden, in der Hoffnung von kurz-, mittel- oder sogar langfristigem Ruhm, da mahnt Aurel, dass auch der Ruhm niemals vor dem Tod schützt und meist nur die großartige Leistung vor dem Kollektiv die Unsterblichkeit bieten kann, wenn auch nur in den Geschichtsbüchern und Gedanken der Menschen.
Aurel offenbart sich dabei als angenehm kritisch, vorallem selbstkritisch und bietet Denkansätze, die eine Überprüfung des eigenen Verhaltens erleichtern. Dabei kann die deprimierende Note der ständigen Aussage, dass der Mensch sterben wird aber nicht überlesen werden, so wahr es auch sein mag.

Marc-Aurels "Wege zu sich selbst" ist mit Sicherheit keine "Gute-Nacht"-Lektüre und auch sonst kein angenehmes Buch. Es fordert Zeit ein, es verlangt Konzentration und strengt an.Wenn mensch sich diese Zeit aber nimmt, dann bietet es auch heute noch, was Marc Aurel mit dem Titel damals versprochen hat: Wege zu sich selbst.

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