Jay lebt: Five by

Seit einiger Zeit habe ich ein, zugegebenerweise kleines, Problem. Manchmal ist Mensch ja unterwegs und hat einen wichtigen Termin vor sich oder droht den Zug zu verpassen oder ist sonst wie schwer zeitlich gebeutelt. Dagegen kann Mensch (und auch ich hier) erstmal nicht machen, aber:
Manchmal trifft bzw. sieht man ausgerechnet dann einen Bekannten oder sogar einen guten Freund. Zum Beispiel in der Innenstadt beim Einkaufsbummel, eine typische Zufallsbegegnung. Schlagartig entsteht neben Zeitdruck aber auch oft plötzlicher Sozialdruck. Je nach Bekanntheits- oder Freundschaftsniveau, fühlt Mensch sich genötigt, zu grüßen oder gar ein kurzes Gespräch anzufangen, so oder so, der oder die andere will freundlich registriert werden.
In einem glücklichen Fall, gehen wir jetzt mal davon aus, der Zeitdruck steht besonders heftig an, hat der Bekannte gegenüber einen noch nicht gesehen. Dann kann man ausweichen oder schnell wegschauen, um später immernoch behaupten zu können: "In der Innenstadt? Tut mir Leid, da habe ich dich wirklich nicht gesehen."
Aufrichtigere Menschen machen das natürlich nicht so. Die sagen, dass sie einfach gar keine Zeit hatten. Das ist dann wahr, aber natürlich nie für alle Seiten vollkommen zufriedenstellend.
Sollte der Mitmensch einen schon gesehen haben, müssen schlagartig wichtige Informationen verarbeitet und Entscheidungen getroffen werden.
- Mag ich meinen gegenüber überhaupt oder würde ich ihn nur aus Höflichkeit grüßen?
- Erwartet mein Gegenüber, dass ich ihn oder sie grüße?
- Was für eine Begrüßung ist zwischen uns üblich?
- Kann ich dieses Begrüßung kurzhalten?
- Wie lange habe ich meinen Gegenüber nicht mehr gesehen und ist das vielleicht seit langem mal wieder ein Treffen?
Und so weiter.
Ich biete nicht für alle Fragen Antworten, aber ich möchte heute ein einfaches simples System anbieten, dass Zufallsbegegnungen in der Stadt verkürzen kann und dabei trotzdem den Sozialanspruch einer persönlichen Begrüßung erfüllt. Ich präsentiere den

Five-By 

Als ich einmal in einer Situation wie oben gelandet war, entdeckte ich den Five-By, dessen Wortstamm auf dem "Drive-By"-Angriff basiert, bei dem bewaffnete Kriminelle aus dem fahrenden Fahrzeug auf ihr Ziel feuern.
Ich war in einer dieser ungünstigen Situationen. Am Essener Hauptbahnhof ist ein langer Fussgängerampelbereich, führend über eine starkbefahrene Hauptstraße, der Fußgängerüberweg ist dabei circa 50 Meter lang. Eine der äußerst knappen Grünphasen hatte gerade begonnen, als ich zwischen den entgegenkommenden Passanten Samuel entdeckte. Er ist ein guter Bekannter, den ich immer äußerst gerne, aber nur viel zu selten sehe. Ich wurde ganz euphorisch und freute mich total, verlor aber direkt wieder meine Laune, als mir bewusst wurde, dass ich ihn jetzt nicht mitten auf der Straße begrüßen konnte und mal hören konnte, wie es ihm so geht. Da ich tatsächlich auch auf dem Weg zu einem Termin war, hätte ich aber auch nicht mit ihm nochmal zurück gehen können. Zu dem war er a) in Begleitung und b) zügig unterwegs zum Bahnhof, was den Verdacht nährte, er hätte es auch sehr eilig.
Da es hier zu laut war, um ihn wenigstens ordentlich zu grüßen, ich auch nicht rumbrüllen wollte, sah ich mich irgendwie überfordert, bis dann aber mein Unterbewusstsein etwas geniales tat:
Ich hob meine Hand, die zu Samuel Laufseite hin lag an, für ihn gut sichtbar, so dass wir uns einen High-Five geben konnten. Und Samuel, dessen vieldeutiger Blick vorher signalisierte, das er sich die selben Gedanken ob unserer Situation machte, schnellte mit der Hand hoch und schlug ein.
Ich ging dann äußerst zufrieden weiter, mit dem Wissen, dass er mich registriert hatte, wir uns gegrüßt hatten und mit dem erbauenden Gefühl eines High-Fives.

Ich bin seitdem der festen Überzeugung, der Five-By ist eine gute Lösung für alle. Der Zeiteinsatz ist gering, die Geste eindeutig und motivierend, die Durchführung äußerst einfach. Auch bei Leuten, bei denen man eigentlich gar nicht stehen bleiben will um mit ihnen zu reden, kann man ganz unverbindlich einen High-Five geben, hat sein (soziale) Pflicht erfüllt und muss sich durch kein unangenehmes Gespräch quälen.

"Aber, was mache ich, wenn ich mir nicht sicher bin, ob der andere mich gesehen hat?"
Einen Halbfünfer! Statt den Arm ganz zu heben, stoppt man in der Beuge des Armes mit gehobener Hand. Sollte der Gegenüber die Geste erwidern: Five-By!, macht er es nicht, kann man es immernoch als harmloses freundliches Winken abtun und fällt nichtmal extrem auf.
Jetzt kommt aber der Punkt, weshalb ich diesen Beitrag schreibe:
Bevor dieses System weltumspannend funktionieren kann, muss es sich rumsprechen. Also, liebe Blogleser, Freunde, Bekannte und was für Kreaturen ihr sonst sein mögt, verbreitet den Five-By und macht hektische Zufallsbegegnungen für alle Beteiligten einfacher.

"Sekunde mal Jay, das hier ist doch alles totaler Bockmist. Man muss doch so einen Kram nicht reformieren und überhaupt darüber nachdenken, ist doch totaler Unsinn."
Stimmt. Wichtig ist es überhaupt nicht, aber: Wenn ich mal einen nicht so tollen Tag habe, da kann ich einen High-Five als gutgemeinte Geste immer gut gebrauchen und ich schätze, da geht es nicht nur mir so. Und an einem tollen Tag, unterstreicht ein High-Five nur die Laune.
Ganz ernstgemeint ist das Ganze natürlich nicht, aber sagen wir es mal so: Wenn ihr mich in der Innenstadt seht und ich die Hand hebe, wisst ihr jetzt was zu tun ist.

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