Der Johnson-Fall - Teil 6

Autor: Jay
Verfasst: März-April 2009

Der Johnson-Fall

Nummer 4. Alex Cutter. Als ich an der Tür klopfte, hörte ich im Inneren des Appartements lautes Gefluche. Schon an der Gegensprechanlage hatte ich eher den Eindruck, Cutter wäre einer dieser entspannten ausgeglichenen Typen. Rumpelnd öffnete er mir und fluchte dabei weiter: "Verdammter Mist, ich hatte es fast. Sind sie dieser MacGuire? Sie haben ja ewig gebraucht. Ich habe ihnen doch gesagt Appartementnummer drei...hundert....zwölf." Ich konnte nicht verhindern das meine Augen rollten. "Sie wohnen in der Vier.", stöhnte ich. "Was? Sie sind wohl ein besonders kluger, was?" Ich war wirklich versucht darauf zu antworten, aber er kam mir zu vor: "Ich dachte sie sind Detektiv, wo ist denn dann ihr Hut?"
Cutter trug nur ein Unterhemd und eine kurze Hose. Er wusste scheinbar seine Arbeitslosigkeit zu geniessen. Zumindest dachte ich das, bis ich sein Wohnzimmer betrat. Überall waren Buchstaben an den Wänden und darunter waren Zahlen notiert. Ich zweifelte kurz daran ob Cutter wirklich nur Zahlenlegasthenie hatte und fragte mich ob er die Tür hinter mir abgeschlossen hatte. Hoffentlich war sie offen.
"Passen sie auf, MacGuire. Was ich hier tue, geht sie nichts an. Sie wollen Fragen zum Tod von Bob stellen, also stellen sie sie. Aber keine anderen." Als Detektiv hatte man eine natürliche Neugierde. Es gab aber immer einen wichtigen Unterschied zwischen einem Detektiv und einem guten Detektiv: Die Neugierde eines guten Detektivs hörte da auf, wo es für ihn Lebensbedrohlich werden konnte. Es gibt auch noch den Unterschied zwischen einem guten und einem sehr guten Detektiv. Der sehr gute tauschte seinen Revolver nicht gegen Stifte und Schnaps.
"Cutter, wo waren sie in der Woche in der Bob Johnson gestorben ist?" - "Hier. Wo waren sie denn? Es hat die ganze Woche draußen tierisch gestürmt. Meinen sie da gehe ich draußen gemütlich spazieren?" Ich erinnerte mich dunkel an das Unwetter. Ich hatte die Woche auch "zu hause" verbracht. Zwischen Kloschüssel und Whiskyvorrat. "Sie waren also hier? Gut." Cutter stand mit dem Rücken zu mir und schrieb etwas auf die Wand. "Wie standen sie denn zu Bob Johnson?", fragte ich. Ich musste Cutter etwas aus der Reserve locken. "Wie ich zu ihm stand?" Cutter drehte sich zu mir und hielt seinen Stift bedrohlich in meine Richtung. "Das kann ich ihnen gerne sagen. Wir waren mal echte Freunde. Er hat mir immer zu gehört, war immer da, ich hab ihm Essen gemacht und gebracht. Bis diese Frau in mein Leben getreten war." Meine Klientin. "Ich hatte sie in meinem alten Job kennengelernt. Wir verstanden uns gut. Ich hatte mich in sie verliebt." Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Rache das Motiv gewesen sein soll. Ich hatte Zweifel. "Ich konnte sie sogar zu einem Abendessen einladen. Aber dann lief alles anders als geplant. Sie sah Bob und war direkt angetan. Ich spielte kaum noch eine Rolle." Ich unterbrach ihn: "Hatte er sich in das Date eingemischt?" - "Nein. Nichts. Das ist es was mich so wütend macht. Er hat sich keine Mühe gegeben. Er hat hier abgehangen, nichts gesagt, nicht gestört. Trotzdem hat er mir die Show gestohlen." - "Wie wütend hat sie das denn gemacht? Wütend genug für einen Mord vielleicht?"
Cutter warf seinen Stift auf den Boden: "Glauben sie etwa ich war es? Ich war doch gar nicht wütend auf Bob, ich war wütend auf sie! Auf ihre Klientin, die Frau in die ich mich verliebt hatte! Beim Essen sah sie nur zu Bob und redete von ihm, fragte mich über seine Vorlieben aus. Sie verbrachte den Abend mit mir, hatte aber nur Augen für Bob. Und dabei hat er nicht mal auf sie reagiert." Das war seltsam. Cutter atmete nun tief, er kämpfe mit seiner Fassung. Er wollte sie vor mir nicht verlieren.
"Was geschah dann?" Lehrbuch für Privatdetektive, Seite 22, Kapitel: "Die wichtigsten Fragen". Sie hatte nur Platz 2. Platz 1 ging mit Abstand an: "Und das soll ich ihnen etwa glauben!?"
"Sie blieb über Nacht. Am nächsten Morgen waren sie und Bob weg. Alles was ihm gehörte hatte sie mit genommen, sogar sein Lieblingsessen. Sie war besessen von ihm! Ich hätte ihn nie töten können!" Cutter war seelisch gerade am Ende. Hatte ich vielleicht zu früh meine Klientin aus dem Verdächtigenkreis genommen? "Denken sie, meine Klientin hätte Bob töten können?" Cutter sammelte sich wieder. In einer guten Befragung musste man auch mal die Last des Verdachtes vom Verdächtigen nehmen. "Das weiß ich nicht. Ich weiß nur das sie besessen von ihm war. Sie hat ihn vergöttert. Ja heiraten wollte sie ihn sogar, sie wollte ihn regelrecht zwingen." - "Wissen sie warum sie nicht geheiratet haben?" Cutter lachte laut: "Bob hat keine Papiere. Er ist damals wohl aus Europa gekommen und hatte keine beantragt. Im Prüfungsprozess ob er jetzt welche bekommt, gab es immer wieder Verzögerungen weil Bob nichts unterschrieben hat und sein Passbild öfters die Bedingungen nicht erfüllt hatte. Wie ich ihn kenne, hat er nicht mal "ja" gesagt."
Plötzlich deutete alles auf meine Klientin, wobei ich immer noch nicht wusste wie Bob Johnson umgekommen war. Cutter war jetzt wieder genauso entspannt und freundlich wie zu Beginn der Befragung: "War es das jetzt? Können sie jetzt endlich gehen? Ich muss die alphabetische Sortierung aller Zahlen abschließen." - "Eins noch Cutter: Warum haben sie Bob Johnson nicht vermisst gemeldet, oder entführt?" Cutter schob mich regelrecht zur Tür. "Hab ich ja, aber die Polizei hat die Meldung wegen Nichtigkeit abgelehnt."

Ich weiß nicht mehr genau wie es passieren konnte, aber anstatt in mein Büro zu gehen um die bisher gesammelten Fakten zu sortieren, landete ich irgendwie in der Parkplatz-Bar. Ich hatte Zehn Dollar in meiner Tasche, mit denen ich nicht geplant hatte. Unerwartete Einnahmen sind schlecht fürs Geschäft, falls mal die Steuerbehörde kommt, dachte ich mir.
Driver lächelte etwas und sagte mir: "Ich hab ihnen extra ihren Platz freigehalten." Die Kneipe war abgesehen von ihm, mir und dem LKW leer. "Was darf es sein? Ein Briefbeschwerer?" - "Das klingt hervorragend, ich nehme eine Thermoskanne." - "Thermoskanne ist aus."
Über einem Briefbeschwerer und frischen Zigaretten sortierte ich nun also meine Notizen und Gedanken.
Bob Johnson war erstickt, hatte aber keine Fremdkörper im Hals und keine Würgemale. Er lag in Wasser und Scherben. Das Fenster war offen aber heile. Das Wasser hätte ich mit dem Unwetter erklären können, aber die Scherben?
Bob Johnson hatte keine Papiere, war scheinbar emotional sehr zurückhaltend und schweigsam. Er hat sich nicht mal wirklich um Papiere bemüht. Und er hat sich auch nicht bemüht zu Cutter zurück zu gehen. Eine Meldung bei der Polizei wurde wegen Nichtigkeit nicht weiter verfolgt.
Meine Klientin war am Tag des Todes nicht da. Sie durfte ihn nicht identifizieren weil sein Verwesungsprozess zu weit fortgeschritten war. Sollte es vielleicht auch einfach nur Selbstmord gewesen sein?
Meine Klientin hatte sogar sein Lieblingsessen von Cutter gestohlen. Warum tut man sowas, außer wenn man vollkommen verrückt nach jemandem ist? Vielleicht dachte sie, wenn er ihr nicht das Ja-Wort gibt, dann keiner.
Ich hatte den Eindruck mich der Lösung des Falles die ganze Zeit zu entfernen.
"Und? Wissen sie schon wer Bob umgebracht hat?" - "Nein Driver. Ich glaube es ist zu früh in den Ermittlungen. Ich glaube ich brauche mehr Informationen." - "Aber ihr Notiz....ist das ein Etikett von einer Whiskyflasche? Naja, es ist doch voll mit Notizen. Da muss doch was verwertbares dabei sein." Ich schüttete den Whisky in gleichen Teilen in mich rein und auf meine Hose. Mal wieder. "Sehen sie, Driver, einen Fall lösen ist nicht so einfach. Es macht nicht einfach "Klick" und man hat die Lösung. Man muss lange alle Optionen abwägen und man muss ganz viele Fakten sammeln. So was dauert." Zumindest hatte ich das gehört. Ich hatte ja erst einen Fall. "Das mag ja bei normalen Detektiven so sein, aber sie MacGuire, sie sind doch ein guter Detektiv. Zu einem sehr guten Detektiv fehlt ihnen doch nur der Revolver." Da hatte er recht. "Da haben sie recht." warf ich unmotiviert raus. Driver sagte leise "Aufs Haus" und teilte noch einen Briefbeschwerer aus.
"Wie sind sie denn beim Viereckfall auf die Lösung gekommen?" Ich überlegte etwas. "Ich saß in einer Bar, sammelte meine Notizen und dann..." Ich wusste nicht mehr was damals passiert war. Was war passiert, dass ich die Lösung gefunden hatte? "... dann fiel es ihnen wie Schuppen von den Augen?", fragte Driver.

Klick.

Kommentare

  1. Aaaaaaah! Ich will jetz wissen, wer der Mörder is, und wie Johnson umgekommen is! Manno! Mach's doch nich so spannend!

    ....Nein, mach's doch spannend! Und schreib' weiter! Und verrat bloß nich, wer's war, wie's passiert is und überhaupt, ich will weiter drüber nachgrübeln.


    Mal wieder toll geschrieben übrigens, ich hab' echt lachen müssen :) Irgendwie tut der Johnson-Fall gut, du musst nach dem UNBEDINGT noch sowas schreiben!

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  2. Dein Thriller ist echt Spannend! Freu mich auf die Folge :)

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  3. klick..

    sehr schön.. na das wird ja immer spannender..
    sehr gut!

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  4. So wie sich das hier entwickelt ist es sonnenklar: "Der Mörder ist der Gärtner!" :D

    Gespannt auf Fortsetzung wart ...

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  5. Ich kann mich da nur anschließen. Ist immer wieder lustig, wie sehr sich der der Herr über seinen eigenen Beruf lustig machen kann.

    Und der Spannungsbogen ist natürlich unerträglich ;-)

    Auch von mir ein "gut so, weiter so"

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