Sternensprung

Autor: Jay
Verfasst: April 2009

Sternensprung

Alleine steht er auf dem Feld. Er und eine Reisetasche. Darin alles, was er ist. Alles, was er braucht. Ein paar Bücher. Notizen. Ein Lebenslauf, den er kurz bevor er gegangen ist geschrieben hat. Seine Lieblingskleidung. Erinnerungsstücke. Ein Tuch, das nach ihr riecht. Eine Uhr von seinem Großvater. Die Briefe von seiner Mutter. Schmierzettel. Alte Fotos. Er in der Schule. Er an der Uni. Er auf der Arbeit. Er alleine. Er mit ihr.
Die Arme streckt er aus. Er lächelt. Er ist bereit. Bereit zu gehen. Bereit die wenigen Bindungen aufzulösen, diese Welt zu verlassen. Diese Welt, die er nie schlecht fand. Die er nie gehasst hat. Er hat sie aber auch nie geliebt. Dünn seine Bindungen zu dem, was anderen gefällt. Geld, Besitz, Wettbewerb, Realität.
Er ist rumgekommen, hat viel gesehen. Wüsten, Wälder, Weiden und andere Dinge die mit "W" beginnen. Auch die anderen Buchstaben des Alphabets hatte er durch. Es war nicht so, dass ihm nicht reichte was er gesehen hatte. Er hatte soviel gesehen, dass er sogar wieder Dinge vergaß. Wie Muscheln riechen. Wie kalt das Wasser in der Donau war. Wo Erkenschwick liegt. Die Farbe des Hauses in dem seine Großeltern gelebt haben. Den Namen seiner zweiten Freundin. Wie Tee mit Honig schmeckt.
Es war nicht das Gefühl mehr wissen zu müssen, das ihn hier her geschickt hatte. Es war das Gefühl hier nicht zu hause zu sein. Nicht zugehörig zu sein. Diese Erde war nicht seine Heimat. Selbst bei ihr hatte er es nicht gefühlt. Er fühlte sich wohl. Er fühlte sich gut. Aber setzen und rasten wollte er nicht. Er hat zwar verstanden was andere ihr zu hause nennen, was ihre Heimat ist, aber das Gefühl erlernen konnte er nicht.
Er wartet darauf, dass ein Lichtstrahl ihn erfasst. Oder das er einfach der friedlich wippenden Wiese entschwebt. Er könnte sich auch vorstellen, sich in glänzende funkelnde Lichter zu lösen und dann in den Himmel zu schießen. Nicht in den Himmel. Weg von dieser Welt, hin zu seiner.
Nichts ändert sich. Er lächelt. Er ist bereit. Das Gras wippt, die Reisetasche steht. Er ändert sich nicht. Die Zeit steht still.
Sie steht dort und beobachtet ihn. Kann nicht glauben. Kann nicht verstehen. Sucht Schuld.
"Wenn du zurück kommen willst, dann werde ich hier sein für dich, okay?" Sie schluchzt. Sie will lieber seine Vorstellung akzeptieren. Sie hat Angst sonst keine Bindung zu ihm zu haben.
Eine kleine Träne fällt aus seinem Gesicht. Sie erstarrt auf dem Boden und schickt einen sanften ansteigenden Wasserstrom unter seine Füße.
Laut knallt es und mit einem mal ist er verschwunden. Sie erschrickt nicht der Unwahrscheinlichkeit des Bildes, sondern vor dem plötzlichen Fehlen. Er hat einen Sternensprung gemacht.
"Vielleicht findet er so, was er sucht."



Anmerkung:
Irgendwie bin ich mit diesem Text bei wiederholtem Lesen eher unzufrieden. Es besteht die Möglichkeit, dass ich ihn nochmal anders veröffentliche.

Kommentare

  1. Dann werde ich heute Abend auch mal wieder nach den Sternen greifen.

    Ich hoffe er findet was er sucht.

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  2. Anonym7.4.09

    Mir mag das Ende nicht gefallen, ab der ersten Rede.
    Alles davor ist schlicht geil und super geschrieben. Wunderbare Aufbruchsstimmung verdeutlicht das Gefühl der nicht existenten Zugehörigkeit, aber wie gesagt, dann verschwindet er und...naja...irgendwie komisch.

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  3. Also wenn du den Text wirklich noch ändern willst, dann so, wie Marco gesagt hat: Nur das Ende. Irgendwie passt das nich so ganz zum Rest. Es ist toll geschrieben, aber... Naja.

    Versuch dich in 'ner stillen Minute einfach nochmal dran, wenn's dir sowieso selbst nich so gefällt. Aber lass den Anfang gleich, der is wunderschön.

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  4. Ich finde den Text auch genial. Das Einzige, was mir dabei aufgefallen ist, dass zwischendurch die verschiedenen Zeitformen etwas wirr verwendet werden.
    Gegen das Ende hab ich so gar nichts auszusetzen!

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  5. Meyeah, da hattest du recht, es waren ein paar Tempusfehler im Text. Ich habe mich bemüht sie zu korrigieren. Danke für den Hinweis.

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