Ideendämmerung: Von Namen

Autor: Jay
Verfasst: November 2009

"Mit der Zeit habe ich das Gefühl dafür verloren."

"Wer bist du?", fragte ich ganz zaghaft. Ich musste herausfinden, mit wem ich es hier zu tun hatte. Der junge Mann, der Junge, wie auch immer, er sah krisengebeutelt aus. Er sah müde und erschöpft aus und seine Augen trugen einen ganz deutlichen Ton der Verzweiflung in sich. "Wer ich bin? Eine gute Frage. Mit der Zeit habe ich das Gefühl dafür verloren. Das Gefühl für die Zeit allerdings, das verliere ich nie." Irgendwie drängte sich jetzt gerade dieses defensive Ticken auf. Ich nahm es verwundert zur Kenntnis, als wir durch die verspielten Gassen dieses Ortes liefen. "Ich kann dich gut verstehen.", seufzte ich. "Ich habe auch keinen Namen, keine Heimat und keine Ahnung." So aufgezählt kam ich mir direkt ziemlich sinnlos vor. "Ich kann dich gut verstehen. Ich habe auch keinen wirklichen Namen. Ich werde immer nur "Junge" oder "Uhrwerkjunge" genannt." Ich sah ihn etwas verwirrt an. "Wie bist du denn zu dem Namen gekommen?"
Irgendwie musste ich einen Wundenpunkt getroffen haben. Ich wollte gerade versuchen das Thema zu wechseln, aber scheinbar wollte er den Kampf mit inneren Dämonen aufnehmen. "Das zeige ich dir, wenn wir bei mir daheim sind."
"Wo sind wir hier denn überhaupt?" - "Neuersheim. Meine Wahlheimat." Sagte mir nichts und weckte auch gar keine Erinnerungen. Wir gingen einige Schritte schweigend nebeneinander her. Ich ging meine Flucht vor Grendel noch einmal durch und stieß auf eine Frage: "Sag mal, wieso konntest du das Tor, die Tür zu Grendels ....Was-auch-immer-das-war abschließen?" Der Junge zog etwas aus seiner Tasche. "Ich hab halt den Schlüssel.", gab er knapp und wenig aufschlussreich zurück.

Der Junge lebte in einem Haus, das man, egal wie man es anders sagen wollte am Ende nur mit "niedlich" bezeichnen konnte. Alles sah so aus, als würde ein ganz altes Ehepaar hier leben und den Ruhestand genießen. In seiner Stube hingen nur erstaunlich viele Uhren.
"Wieso hilfst du mir?", fragte ich ihn. Er war gerade in der Küche und machte eine kleine Mahlzeit für uns. "Wieso nicht?", gab er knapp zurück, ergänzte dann aber um erstaunliches Wissen: "Du bist der Letzte, der Ignis gesehen und gesprochen hat." Eigentlich war ich überrascht, wollte aber eigentlich nicht weiter darauf eingehen. Ich hatte genug von Überraschungen. Vielleicht gingen sie ja weg, wenn man sie ignoriert.
"Wie bist du denn jetzt zu deinem Spitznamen gekommen?", fragte ich.
Wo bei anderen die Rippen beginnen, da waren eiserne Streben. Ein Gitterkorb schütze eine sensibele und zauberhaft hypnotische Maschine. Ein Uhrwerk, dass diesem Jungen das Herz ersetzte. Es dauerte sehr lange, bis aus meiner erstaunten Neugierde heraus meine Ekel übernahm und erkannte, welches brutale Machwerk hier von statten gegangen war. Es funktionierte nicht. Überraschungen ignorieren klappte einfach nicht. Ich wusste nicht, wie ich reagieren soll und sah in den Augen des Jungen, wie er seine Geschichte nocheinmal durchlebte. Ich hatte keine Ahnung wo ich gerade wirklich war, aber an den Ort, an dem er in Gedanken war, da wollte ich auf gar keinen Fall hin. "Daher habe ich meinen Spitznamen. Ich hatte auchmal einen richtigen Namen, aber den habe ich vergessen." - "Was steht den auf deinem Briefkasten?" - "Zeit." Er tat mir richtig Leid. Irgendwas musste ich doch für ihn

"Marius Ezekiel Zeit."

"Was?" - "Dein Name. Ich werde dich ab jetzt so nennen. "Uhrwerkjunge" oder "Junge" zu dir zu sagen finde ich einfach nicht in Ordnung." Er schüttelte sich, als würde ein Stromstoß durch seinen Körper fahren. Dann lächelte er aber. "Ich mag den Namen." Ich lächelte einfach zufrieden zurück.
"Marius Ezekiel Zeit. Ich hab einen Namen."

Kommentare

  1. Wie kommen die beiden denn plötzlich in diese Stadt? Und woher hat der Uhrwerkjunge den Schlüssel zu Grendels "was auch immer"?

    Sehr verwirrend das Ganze.

    Naja, wenigstens hat der Uhrwerkjunge jetzt einen Namen. :-)

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  2. Abwarten. Da kommen bestimmt noch Antworten drauf.

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  3. Hi,

    erstmal vielen dank nochmal für deine Kritik. Von dir nehme ich sie gerne an.
    Du hast übrigens richtig erkannt, dass ich zur Zeit in Bochum wohne. Schon interessant, dass man anscheinend die Nationalität nicht, aber den Ort schon heraus hört :)
    Schön, dass dit der zweite Teil gefällt und es stimmt schon, dass der letzte etwas kurz ist. Ich muss dazu sagen, dass es für einen Literatur Wettbewerb war und der Umfang daher vorgegeben war, aber ich sollte das Ende tatsächlich ausbauen.

    Viele Grüße,
    Dati

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  4. Anonym15.11.09

    Was für eine Grütze mal wieder von einem spießbürgerlichen Kleingeist. Ich kann nur lachen über solch ein Geschreibsel.

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  5. An Dati:
    Kein Problem, gerne.
    Das mit Bochum habe ich nur erkannt, weil ich überlegt habe, wo viele Straßenbahnen auch unterirdischen fahren. Bo-Hbf drängte sich mir da auf.
    Du hättest übrigens auch bei dir im Blog antworten können. ;)
    Wenn du mal wieder Feedback brauchst, dann schreib mir einfach. Hab ich Zeit, dann bekommst du welches.

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