Born with a Beard
Mein Leben war von Anfang an etwas kompliziert. Als ich geboren wurde, sorgte meine Erscheinung für viel Verwirrung. Denn anstatt des kleinen, zarten Babys erblickte meine Mutter nach der Geburt ein kleines Würmchen mit kurzem Ziegenbärtchen.
Ich kann leider nicht beurteilen wie es genau war, dafür war ich zu klein aber mein Anblick muss wohl für viele Probleme gesorgt haben. Der Arzt muss sich wohl, so hat meine Mutter mir es jedenfalls erzählt, nach dem Anblick das Leben genommen haben. Scheinbar war das zu viel für ihn. Der Bart in meinem Gesicht wuchs in einer überdurchschnittlichen Geschwindigkeit weiter.
Meine Eltern zogen mich dennoch auf. Viele Alternativen hatten sie ja auch nicht. Sie wollten mich zwar abgeben, aber mich wollte wohl niemand. Scheinbar sind Kleinkinder mit Vollbart nicht so im Trend.
Zum Kindergarten durfte ich nicht, denn in meiner Umgebung gab es nur religiös geprägte Kindertagesstätten, die der festen Überzeugung waren, dass sowas das Werk Satans gewesen sein musste. Ich musste mir die grundlegenden, sozialen Kompetenzen selbst beibringen. War nicht einfach, denn außer Holzklötzen besaß ich nichts. Nicht einmal Haustiere wollten bei mir bleiben. Ich war stets sehr einsam.
Zur Schule ging ich dann einige Jahre später, wie es sich nun mal gehört. Es war eine schlimme Zeit. Kinder können echt grausam sein. Nicht nur, dass ich bei der Einschulung auf dem geistigen und sozialen Niveau eines Steins war, hatte ich auch noch einen langen, dichten Vollbart. Die Schimpfnamen machten mir eigentlich gar nichts aus. Schlimmer fand ich, dass ich regelmäßig mit meinem Bart irgendwo festgeknotet wurde. Der Gedanke mir den Bart abzurasieren oder mindestens kurz zu halten kam mir zwar in den Sinn, doch alle Rasierapparate versagten beim Versuch sich durch diese Haarwucht zu schneiden.
Das machte mir schwer zu schaffen, denn auch Frauen wollten mit mir nichts zu tun haben. Grade in der Pubertät war das alles andere als schön. Während alle anderen Jungs in meinem Alter ihre ersten Beziehungen hatten, saß ich zu Hause und habe meinen Bart gekämmt. Ich ging auch nicht mehr vor die Tür, vom täglichen Gang zur Schule abgesehen, denn all diese glücklichen Paare, grade im Frühling machten mich krank. Ich verfluchte meinen Bart.
Doch dann, als ich die Schule als Abiturient verließ, machte sich der Gedanke in meinem Schädel breit, dass mein Bart doch gar nicht so schlecht war. Ich zog die Aufmerksamkeit der Leute auf mich und in Kneipen löste meine Erscheinung bei den anwesenden Kerlen regelmäßig Bartneid aus. Von da an wurde mein Bart zu meinem treusten Begleiter.
Doch so lieb ich meinen Bart auch hatte, so erschwerte er mir auch einiges. Einen Arbeitsplatz zu bekommen war sehr schwer. Die Arbeitgeber sagten mir alle, dass ich mit meinem Bart nicht ins Ambiente der Firma passte.
Es war eine sehr schwere Zeit, denn jeder zog sein Stellenangebot zurück, nachdem er mich sah. Ich schlug mich Zeit meines Lebens mit Nebenjobs durch. Mal spielte ich in einem großen Kaufhaus den Weihnachtsmann, mal spielte ich den krachledernen, bayrischen Hinterwäldler bei Volksfesten, sowas halt. Nur mühselig konnte ich mich über Wasser halten, doch irgendwie klappte es dann doch immer. Als ich Mitte 30 war, gab es in meinem Leben doch noch eine sehr positive Veränderung.
An einem kalten, verschneiten Weihnachtsabend als ich grade Feierabend hatte und noch etwas durch die schneebedeckte Innenstadt schlenderte - immer noch als Weihnachtsmann verkleidet- traf ich sie. Die schönste Frau, die ich jemals sah. Sie sprach mich an, vor Aufregung lief ich rot an. Schließlich war dies die erste Frau, die sich tatsächlich für mich interessierte. Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln war ihre erste Frage, ob mein Bart echt sei. Ich bejahte, sagte allerdings auch, dass er weiß gefärbt sei und an sich ein kräftiges, glänzendes Rot habe. So ging es noch einige Minuten weiter. Sie stellte mir Fragen zu meinem Bart und war total fasziniert. Dann kam sie auf den eigentlichen Grund zurück, warum sie mich angesprochen hatte. Ihre Neffen wären zu Besuch und sie wolle sie mal so richtig überraschen, ob ich am nächsten Tag als Weihnachtsmann bei ihr auftauchen könnte. An sich hatte ich da jetzt nicht so direkt Lust zu aber wenn eine gut aussehende junge Dame fragt, da sag ich doch nicht nein.
Alles kam, wie sie es sich erhofft hatte. Ihre Neffen hatten sich gefreut wie hulle, alle waren zufrieden. Ich verstand mich sehr gut mit ihr, wir trafen uns auch nach Weihnachten noch oft. Nach zwei Monaten waren wir zusammen. Weitere sechs Monate später haben wir dann geheiratet. Das mag sich vielleicht überstürzt anhören aber sie war die erste und wahrscheinlich einzige Frau, die meinen Gesichtsurwald liebte. Da muss man zugreifen.
Nach zwei Jahren hatten wir dann auch Nachwuchs. Einen Sohn und eine Tochter, beide leider ohne Gesichtsbehaarung. Mein Sohn hatte mir allerdings im Alter von 8 versprochen sich, wenn er groß ist, auch einen Bart stehen zu lassen. Meine Tochter versprach mir sich nur mit bärtigen Männern einzulassen. Beide haben Wort gehalten. Mein Sohn, mittlerweile selbst verheiratet und stolzer Vater zweier Söhne, betreibt einen Laden für Haar- und Bartpflegeprodukte. Er trägt einen buschigen Vollbart. Meine Tochter lebt im Ausland, wo sie als Softwareentwicklerin arbeitet. Ihr Mann hat sich einen Kinnbart wachsen lassen. Das ist zwar nicht optimal, aber besser als nichts.
Ich bin mittlerweile Rentner. Mein Bart ist inzwischen weiß und reicht mir bis knapp über den Bauch. Meine Enkelsöhne besuchen meine Frau und mich häufig. Sie fragen mich auch oft, ob ich ihnen eine Geschichte erzählen könnte. Wenn ich dann mit Robotercowboys und Gangsterpiraten anfange unterbrechen sie mich. Sie sagen mir dann, dass ich ihnen Geschichten über meinen langen, weißen Bart erzählen soll. Ich muss meinen Sohn noch für die vorbildliche Erziehung seiner beiden Jungs loben.
Und wenn ich nicht gestorben bin, wächst mein Bart noch heute.
Ich kann leider nicht beurteilen wie es genau war, dafür war ich zu klein aber mein Anblick muss wohl für viele Probleme gesorgt haben. Der Arzt muss sich wohl, so hat meine Mutter mir es jedenfalls erzählt, nach dem Anblick das Leben genommen haben. Scheinbar war das zu viel für ihn. Der Bart in meinem Gesicht wuchs in einer überdurchschnittlichen Geschwindigkeit weiter.
Meine Eltern zogen mich dennoch auf. Viele Alternativen hatten sie ja auch nicht. Sie wollten mich zwar abgeben, aber mich wollte wohl niemand. Scheinbar sind Kleinkinder mit Vollbart nicht so im Trend.
Zum Kindergarten durfte ich nicht, denn in meiner Umgebung gab es nur religiös geprägte Kindertagesstätten, die der festen Überzeugung waren, dass sowas das Werk Satans gewesen sein musste. Ich musste mir die grundlegenden, sozialen Kompetenzen selbst beibringen. War nicht einfach, denn außer Holzklötzen besaß ich nichts. Nicht einmal Haustiere wollten bei mir bleiben. Ich war stets sehr einsam.
Zur Schule ging ich dann einige Jahre später, wie es sich nun mal gehört. Es war eine schlimme Zeit. Kinder können echt grausam sein. Nicht nur, dass ich bei der Einschulung auf dem geistigen und sozialen Niveau eines Steins war, hatte ich auch noch einen langen, dichten Vollbart. Die Schimpfnamen machten mir eigentlich gar nichts aus. Schlimmer fand ich, dass ich regelmäßig mit meinem Bart irgendwo festgeknotet wurde. Der Gedanke mir den Bart abzurasieren oder mindestens kurz zu halten kam mir zwar in den Sinn, doch alle Rasierapparate versagten beim Versuch sich durch diese Haarwucht zu schneiden.
Das machte mir schwer zu schaffen, denn auch Frauen wollten mit mir nichts zu tun haben. Grade in der Pubertät war das alles andere als schön. Während alle anderen Jungs in meinem Alter ihre ersten Beziehungen hatten, saß ich zu Hause und habe meinen Bart gekämmt. Ich ging auch nicht mehr vor die Tür, vom täglichen Gang zur Schule abgesehen, denn all diese glücklichen Paare, grade im Frühling machten mich krank. Ich verfluchte meinen Bart.
Doch dann, als ich die Schule als Abiturient verließ, machte sich der Gedanke in meinem Schädel breit, dass mein Bart doch gar nicht so schlecht war. Ich zog die Aufmerksamkeit der Leute auf mich und in Kneipen löste meine Erscheinung bei den anwesenden Kerlen regelmäßig Bartneid aus. Von da an wurde mein Bart zu meinem treusten Begleiter.
Doch so lieb ich meinen Bart auch hatte, so erschwerte er mir auch einiges. Einen Arbeitsplatz zu bekommen war sehr schwer. Die Arbeitgeber sagten mir alle, dass ich mit meinem Bart nicht ins Ambiente der Firma passte.
Es war eine sehr schwere Zeit, denn jeder zog sein Stellenangebot zurück, nachdem er mich sah. Ich schlug mich Zeit meines Lebens mit Nebenjobs durch. Mal spielte ich in einem großen Kaufhaus den Weihnachtsmann, mal spielte ich den krachledernen, bayrischen Hinterwäldler bei Volksfesten, sowas halt. Nur mühselig konnte ich mich über Wasser halten, doch irgendwie klappte es dann doch immer. Als ich Mitte 30 war, gab es in meinem Leben doch noch eine sehr positive Veränderung.
An einem kalten, verschneiten Weihnachtsabend als ich grade Feierabend hatte und noch etwas durch die schneebedeckte Innenstadt schlenderte - immer noch als Weihnachtsmann verkleidet- traf ich sie. Die schönste Frau, die ich jemals sah. Sie sprach mich an, vor Aufregung lief ich rot an. Schließlich war dies die erste Frau, die sich tatsächlich für mich interessierte. Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln war ihre erste Frage, ob mein Bart echt sei. Ich bejahte, sagte allerdings auch, dass er weiß gefärbt sei und an sich ein kräftiges, glänzendes Rot habe. So ging es noch einige Minuten weiter. Sie stellte mir Fragen zu meinem Bart und war total fasziniert. Dann kam sie auf den eigentlichen Grund zurück, warum sie mich angesprochen hatte. Ihre Neffen wären zu Besuch und sie wolle sie mal so richtig überraschen, ob ich am nächsten Tag als Weihnachtsmann bei ihr auftauchen könnte. An sich hatte ich da jetzt nicht so direkt Lust zu aber wenn eine gut aussehende junge Dame fragt, da sag ich doch nicht nein.
Alles kam, wie sie es sich erhofft hatte. Ihre Neffen hatten sich gefreut wie hulle, alle waren zufrieden. Ich verstand mich sehr gut mit ihr, wir trafen uns auch nach Weihnachten noch oft. Nach zwei Monaten waren wir zusammen. Weitere sechs Monate später haben wir dann geheiratet. Das mag sich vielleicht überstürzt anhören aber sie war die erste und wahrscheinlich einzige Frau, die meinen Gesichtsurwald liebte. Da muss man zugreifen.
Nach zwei Jahren hatten wir dann auch Nachwuchs. Einen Sohn und eine Tochter, beide leider ohne Gesichtsbehaarung. Mein Sohn hatte mir allerdings im Alter von 8 versprochen sich, wenn er groß ist, auch einen Bart stehen zu lassen. Meine Tochter versprach mir sich nur mit bärtigen Männern einzulassen. Beide haben Wort gehalten. Mein Sohn, mittlerweile selbst verheiratet und stolzer Vater zweier Söhne, betreibt einen Laden für Haar- und Bartpflegeprodukte. Er trägt einen buschigen Vollbart. Meine Tochter lebt im Ausland, wo sie als Softwareentwicklerin arbeitet. Ihr Mann hat sich einen Kinnbart wachsen lassen. Das ist zwar nicht optimal, aber besser als nichts.
Ich bin mittlerweile Rentner. Mein Bart ist inzwischen weiß und reicht mir bis knapp über den Bauch. Meine Enkelsöhne besuchen meine Frau und mich häufig. Sie fragen mich auch oft, ob ich ihnen eine Geschichte erzählen könnte. Wenn ich dann mit Robotercowboys und Gangsterpiraten anfange unterbrechen sie mich. Sie sagen mir dann, dass ich ihnen Geschichten über meinen langen, weißen Bart erzählen soll. Ich muss meinen Sohn noch für die vorbildliche Erziehung seiner beiden Jungs loben.
Und wenn ich nicht gestorben bin, wächst mein Bart noch heute.
Herrlich! So schön trocken und doch lustig.
AntwortenLöschenVielen Dank. Freut mich, dass der Text gefällt :)
LöschenBartneid! Glückwunsch zur neuen Anstellung! ^^
AntwortenLöschenDankeschön :)
LöschenDa ich hier auch mal nur als "Konsument" auftreten darf:
AntwortenLöschenSchöne Geschichte und ebenfalls aufrichtiger Bartneid.
Bei mir wird nur irgendwann so ein ranziger Flickenteppich daraus. Nicht zufriedenstellend, also der Bart. Aber besser ein bißchen, als gar nüscht.
In diesem Fall ist das durchaus zu entschuldigen ;-)
LöschenVom Hartmann zum Bartmann! :-)
AntwortenLöschenSchöner Text!
Ein richtiger Bartneid kommt bei mir dennoch nicht auf, weil ich weiß wie viel im Bart hängen bleibt wenn du Bananensaft trinkst! :-)
Jaja, wer schön/bärtig sein will, muss leiden ;-)
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