Ich habe geträumt, dass ich eine andere Frau geküsst habe


Welle um Welle rauschte bunt durch die Decke über uns. Hitzig schwül warm trug ein Wind durch die Laken. Vernäht zu einem einzigen Meer, überschlugen sich über uns die Seidentücher und wildwachsenden Texturen. Wo Seerosen untergehen und Goldfische auftauchen, brechen in gestickter Gischt die Farben, nur um sich in neue Muster zu werfen, gleichförmig der Art, in der ich mich gebettet hatte. Schemenhaft vermochte ich zu erkennen, wie einzelne Pfosten, wie sie auch eine Ruhestätte tragen könnten, das Meer über diesem magischen Ort hielten.

Mit meeressalziger Note, umgriff ein anderer Sinn meine Augenlieder, zog sie sanft hinab und öffnete mir einen anderen Winkel dieses Ortes. So scharten sich um mich eine Wolke aus spielenden Kindern, die sich im fröhlichen Spiel jagden, fingen, nur um wieder von vorn zu beginnen. Koriander, Basilikum, Harissa und Curry sind ihre Namen gewesen, die mein Geist immer rief, sobald sie nur leicht die freundschaftlich geöffneten Armen meiner Wahrnehmung berührten.

Und auf einmal war da Lachen. Ein herzliches vereinigendes Lachen, aus ungezählten Gesichtern, denen ihre begrüßende Gestik anzuhören war. Und Sprechen und Rufen, das mich wie eine Mutter wiegte. Auf und ab im Klang von befreundeten Worten, schelmischen Verhandlungen und Freude des Wiedersehens und Findens.

Es ist wie ein Wachwerden, als sich meine Sinneseindrücke wieder verknüpfen und ich in ganzer Breite meiner Wahrnehmung erkenne, dass ich auf einem Basar, tief in einer, von meinen geringen Kenntnissen über persische Architektur gebauten, Siedlung stehe und um mich herum das Leben explodiert.

Und dann greift mich diese Hand, und gibt mir eine Richtung, so dass ich nicht mehr Kreisel der Eindrücke bin, sondern gelenkt die Geschichte erfahre, die dieser Markt erzählt. Von Händlern, die weite Reisen machen und Waren bieten, die ich so niemals zuvor gesehen habe. Schmuck, der nicht mit unserem inflationärem Gold, sondern Kupfer glänzt. So feingliedrig verziert, dass es scheint, als wäre er am Baum gewachsen. Gewürze, in Farben, deren Namen ich weder kenne und selbst wenn, so könnte ich sie kaum mit meiner unbegabten Zunge so singen, wie es die Einheimischen tun. Und so stürzen auf mich Wortfälle und Bildfluten, die meine Vorstellungskraft ertrinken lassen.

Und das ist der Moment, in dem sich diese Frau umdreht, schwebenden Schrittes um mich tanzt und in einer Drehung plötzlich auf den Mund küsst. Ein schöner, ein sanfter Kuss, weich wie ein Kissen, in das ich meinen geschundenen Kopf nach einem anstrengenden Tag legen will. Ein plötzlicher, ein heftiger Kuss, ein eröffnender Blitz eines Sommergewitters, aus klarem blauen Himmel. Ein vergänglicher, ein abschließender Kuss, der mich aus meinem Schlaf aufwachen lässt.

Ich habe geträumt, dass ich eine andere Frau geküsst habe.

Eine, die mir Leichtigkeit beibringt und mich an Orte führt, zu denen es mich vorher nicht geführt hätte. Eine Frau, die es mir erlaubt, nicht der Mensch zu sein, der ich morgens bin, wenn ich das Haus verlasse, sondern eine Frau, die mir erlaubt der zu sein, der ich in meinem Kopf bin und so selten sein Haus verlässt. Eine, die mir das Glück zeigen kann und mit mir seine Geschichte erleben will.
Eine andere Frau, nach der jeder Tropfen Blut in mir fragt, wenn er mein Herz passiert.

Ich habe geträumt, dass ich eine andere Frau geküsst habe, als ich damals geküsst habe. Eine andere, als ich kennengelernt habe, als wir uns damals getroffen haben. Eine Frau, mit der ich weiter träume, auch wenn ich wach bin.

Kommentare

  1. Sehr schön! :)

    Weiß das deine Frau?

    Jetzt sicher schon! :D

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    1. Als du gefragt hast, wusste sie das witzigerweise nicht.

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