Pinball FX 2
Es ist irgendwann gegen Ende der 90iger
Jahre, da sitze ich bei meinem Cousin vor einem Amiga. Heute nur noch
als Relikt der damaligen Computerheimtechnik einigen wenigen bekannt,
war der graue Kasten - mit Diskettenlaufwerk in der Tastatur! Warum
gibt es das heute nicht mit USB-Anschlüssen? - ein Kernbereich der
Spielekultur.
Na gut, es war mein Kernbereich
der Spielekultur. Ich kenne bis heute niemanden außer meinem Cousin,
der auch einen hatte, denn die Umstellung auf 286er und 386er mit
fetziger SVGA-Grafik war schon im vollen Gange. Trotzdem waren die
Wochenenden bei schlechtem Wetter bei meiner Tante für mich ein
Kracher. Der Grundstein meiner wissenschaftlichen Abhandlung, ob
übermäßiger Konsum von Videospielen tatsächlich eckige Augen
mache, so wie meine Eltern es dann immer androhten.
Spiele damals waren anders als heute,
ich werde mich hüten irgendwas von dann oder jetzt als besser oder
schlechter darzustellen. Was aber sicher war, dass damals andere
Spiele erfolgreich waren. So erinnere ich mich immer mal wieder, so
etwa einmal im Jahr, wenn mir in irgendeiner Kneipe mal wieder ein
echter Flipper begegnet ist, an Pinball Dreams.
Es gab mehrere Teile davon, in jedem eine gewisse Zahl von Flippern
enthalten und mich hatten diese Spiele oftmals fest im Griff. Egal ob
der Flipper, der Eisenbahnbau im Wilden Westen zum Thema hatte, "Game
Show" oder dieser eine Flipper, den es immer geben muss, in dem
als Geschichte ein Autorennen nachgestellt wurde: Ich habe sie alle
geliebt.
Der treibende Soundtrack, die spannenden Effekte, das schnelle Spiel,
dass eigentlich sich pur und reduziert daher kam, immerhin war es ja
nur ein großer Geschicklichkeitstest. Damals habe ich zwar nicht
verstanden, was ein Modus bei einem Flipper ist, wusste nicht, was
die Rampen bedeuten und habe mich geärgert, wenn da ein Ball
"arretiert" wurde, weil ich immer dachte, ich hätte eine
Kugel verloren.
Aber die Punktejagd hat mich damals ein Weilchen angefixt und mit dem
Untergang des Amigas – In meinem direkten Umfeld – waren auch die
Flipperspiele verschwunden.
Es hat bis zu diesem Jahr gedauert, aber aus dem Reich der
Zeitfresser stieg ein Nekromant auf, der versuchen wollte, diese Lust
in mir wieder ins Leben zu heben. Mit einem Konzept, dessen Ruf so
schlecht ist – Ja, es als schwarze Magie der Videospielbranche
gelten könnte – dass ich selbst mich immer ein wenig schlecht
fühle, wenn ich darauf "reinfalle".
Pinball FX 2 nennt sich dieser düstere Unhold und ist vor einiger
Zeit auf der XboxOne erschienen. Mit einem Prädikat, dem mensch als
Besitzer dieser zu letzt dünn mit guten Spielen ausgestatteten
Konsole sehr anfällig ist: "KOSTENLOS". So steht es
wirklich in CapsLock im Store der Konsole und so habe ich mit von der
indikativen imperativen Wirkung dieses Wortes zwingen lassen, das
Spiel mal zu testen.
Um direkt im Spiel zu merken, dass die deutsche Vokabel "kostenlos"
das genaue Gegenteil von dem ist, was da präsentiert wird. Es gibt
von Anfang an über 40 Flippertische zur Auswahl, nur einer davon ist
"kostenlos" alle anderen können gekauft werden. OH NEIN!
Wir befinden uns in der DLC-HÖLLE! Wie konnte das nur passieren?
Verfluchte schwarze Magie! Wo war das "It's a
trap!"-Hinweisschild im Store? Das Spiel fliegt aber sowas von
meiner Platte. Sofort. Jetzt. Ich bezahle doch nicht für jeden Tisch
einzelen. Bis zu 2,99€ für einen Tisch? Frechheit! Die
StarWars-Tische gibt es nur in Sets für jeweils 9,99€? ABZOCKE!
Ja,
ABZOCKE. So sollte es im Store stehen! Ich werde dieses Spiel jetzt
sofort löschen. Sofort. Also, sofort, nachdem ich auf Sorcerer's
Lair
nochmal versucht habe meine eigene HighScore zu schlagen. Oder
wenigstens die von einem meiner Freunde. Das kann doch so schwer
nicht sein.
Inzwischen sind Wochen vergangen und ich habe das Spiel nicht
gelöscht. Ganz im Gegenteil. Ich bin dem unheiligen Angebot
verfallen und habe sogar neue Tische gekauft. Nur zwei, aber ich
werde mir bestimmt noch weitere kaufen. Der Hersteller macht nicht
mal aus seiner dunklen Machenschaft ein Geheimnis, warum sonst ist
der erste Tisch die Geschichte zweier Kinder die in der Burg eines
Hexers gefangen sind. Die Kinder sind das Sinnbild für den Spieler,
der immer weiter in den Fängen der Flipper untergeht. Ganz sicher.
Anders kann es nicht sein.
Aber
diese Gefangenschaft ist eine angenehme, denn wer hinter die
Vorurteile gegenüber DLC schaut, wird schlagartig ein liebevoll
gebautes Spiel entdecken. Ein Spiel, das sich sehr bemüht, nie
langweilig und gleichförmig zu werden. Um den Beweis an zu treten,
anbei einfach mal drei einzelne Rezensionen zu den Tischen, die ich
mein eigen nenne. Plus eine Minirezension, zu einem besonderen Tisch.
Und dann noch ein Special. Civil War
Die
Macher von Pinball FX arbeiten, wie Flipperhersteller in der echten
Welt auch, mit Lizenzen zu Filmen, Figuren und Fiktion. So kommt es,
dass zum Start des Spiels eine illustre Auswahl diverser
Marvel-Geschichten und Helden zur Verfügung steht. Zum Beispiel den
von mir hier auch schon begutachteten Bürgerkrieg der Marvel Helden
gibt es auch als Flippertisch.
Und
was für ein Flippertisch das ist. Die gesamte Geschichte des Comics
wird hier spielerisch eingefangen. So stehen schon auf dem Tisch, der
niemals nie in der Realität existieren könnte, in verschiedenen
Ecken animierte Figuren von Iron Man und Captain America, die zu
verschiedenen Situationen ihre Kommentare abgeben und sich auch
unterhalten.
Pinball
FX 2 protzt mit großartigen Sprechern und Civil War beweist das von
Anfang bis Ende. Wer den Tisch nämlich startet, bekommt vor dem
eigentlichen Tisch eine Nachrichtensendung zu sehen, welche die
Ausgangssituation des großen Kampfes erklärt. Einen kurzen
Multiball lang, einem Modus in dem der Spieler mehrere Bälle
gleichzeitig jonglieren muss, geht es darum über Rampentreffen
Verwundete zu retten.
"Eine
Schweigeminute für die Opfer von Stamford."
Wirklich.
Beim ersten Spielen hatte Gänsehaut. Es ist zwar keine volle Minute,
die Musik und Licht aussetzen, aber die Stille vollkommen
einvernehmend. So sehr, dass kurz zu vergessen ist, dass es sich hier
nur um ein Flipperspiel handelt und nicht um einen großbudgetierten
Blockbustertitel. Und dann streiten sich Cap und Iron Man darum, ob
Superhelden sich registrieren sollten oder die Geheimidentitäten
geheim bleiben müssen.
Auf
welcher Seite stehst du? Der Automat zwingt uns auch eine Wahl zu
treffen und diese beeinflusst nicht nur welche Figur das Spiel
kommentiert, sondern auch das Layout der unsichtbaren Rampen. Da
diese nämlich zum Kämpfen verwendet werden, gibt es immer wieder
Situationen, in denen die Helden Flipperkugeln abwehren, und über
vorher nicht sichtbare Rampen an andere Stellen des Tischs bringen.
Nebenher
versuche ich als Spieler möglichst viele der Zehn anwerbaren Helden
auf die eigene Seite zu bekommen, damit in manchen Modi des Tisches
die Zeitlimits höher angesetzt werden. Zum Beispiel wenn Iron Man
und Captain America gegeneinander in den direkten Kampf gehen. Und
das tun sie wirklich. Die vollanimierte Iron Man Figur fliegt
aufeinmal auf Steve Rodgers zu und ich muss durch passende
Rampentreffen den mehrphasigen Kampf gewinnen. Was mir noch nie
gelungen ist.
Civil
War ist nämlich ein verdammt schneller Tisch, der zwar sehr
übersichtlich gebaut ist, aber gute Reflexe fordert. Ein
Einsteigerfreundlicher Tisch sieht anders aus, aber die
erzählerischen Elemente motivieren höchstgradig, es weiter zu
versuchen und doch wieder an höheren Punkte Regionen zu kratzen.
Epic Quest
Neben Lizenztischen, gibt es aber auch Eigenkreationen des
Programmierstudios, die sich aber wirklich nicht verstecken müssen.
Vorallem nicht, wenn so ein großartiger Kuddelmuddel zweier Genres
entsteht. Ich präsentiere: Das Flipper-Rollenspiel.
Epic Quest beschäftigt sich mit Max, einem Helden, der eigener
Aussage nach für "Ruhm, Ehre und kostbare Antiquitäten"
kämpft. Eine wirkliche Geschichte kommt nicht auf, aber in dem für
meinen Geschmack etwas zu bunten Flipperabenteuer gibt es alles, was
Rollenspiele aller Art bieten und anbieten.
So kann Max zum Beispiel in der Stufe steigen. Nicht nur das dafür
über eine "Schwert", "Schild" und "Ausweichen"
Rampe Kämpfe ausgetragen werden, die erlangten Erfahrungsstufen
werden sogar von Partie zu Partie weiter getragen. Diese beeinflussen
dann manche Punktzahlen und so steigen mit jedem Spielen auch die
möglichen Punkte. Beute gibt es auch für die Kämpfe und auch das
klassisch-sexistische Klischee der Prinzessin taucht auf, auch wenn
sie in diesem Fall nicht zu retten oder befreien ist, sondern fürs
Ausgeben eines Belohnungsmultiballs zuständig ist.
Gerade die Kämpfe sind sehr unterhaltsam, da der Spieler
vielschichtige Optionen bekommt die Gegner nieder zu strecken. Neben
den typischen Kampfbewegungen sind auch durch Kombinationen von
Rampen Konter oder kritische Treffer möglich, die dann direkt auf
den Lebenspunktebalken an den Flippern abgerechnet werden.
Epic Quest ist ein langsamer Flipper, der im Vergleich zu Civil War
ganz schön beladen wirkt, dafür aber auch sehr motivierend ist.
Auch, weil nicht nur die Punktzahlen locken, sondern auch die
Stufenanstiege oder neue Zwischanimationen für die ansteigenden
Gegnerstufen. Bei meiner kleinen Tischauswahl der absolute Favorit.
Auch, weil ich tatsächlich immer noch über Max lachen kann.
"I eat Skelletons for breakfast. They stay crunchy in milk."
Sorcerer's Lair
Kinderhorrorgeschichten als Grundlage, bietet Sorcerer's Lair den
perfekten Einstieg in die Flipperfaszination. Die Tische zeigen die
tollen Möglichkeiten des Videospiels, denn mit einer Treppe ins
Dungeon werden schlagartig andere kleinere Tische verfügbar, auf
deinen die Regeln des Flippers sich verändern oder per
Geschicklichkeitstest auch ein Parkour absolviert werden muss.
Alle Stärken der anderen Tische sind hier auch zu erkennen.
Sorcerer's Lair ist aber weder besonders schnell, noch höchstgradig
schwer. Die Modi werden gut erklärt und das absolvieren eines
Abschnitts wird massiv belohnt. So schnellen für Erfolge die Punkte
schnell in astronomische Höhen. Übung macht den Meister.
Der Tisch macht gerade wegen seines Abwechslungsreichtum großen Spaß und ist aber auch das Zugestäündnis für die schwarze Magie, die ich zuvor vorgeworfen habe: Sorcerer! Der gratis Tisch! Damit ist es doch klar.
Um euch einen kleinen Eindruck zu geben, wie Pinball FX 2 aussieht, habe ich noch ein unkommentiertes Gameplay-Video der drei Tische aufgenommen und mal besonders schlecht gespielt.
Um euch einen kleinen Eindruck zu geben, wie Pinball FX 2 aussieht, habe ich noch ein unkommentiertes Gameplay-Video der drei Tische aufgenommen und mal besonders schlecht gespielt.
Abschließend sei gesagt, dass für jeden, der damals auch in Pinball Dreams verliebt war, Pinball FX2 die neue große Liebe sein kann. Besonders deshalb, weil einmal gekaufte Tische auf allen Systemen gespielt werden können, auf denen das Spiel erworben wurde. Aber auch einfach deshalb, weil die Macher Flipper einfach selber so sehr lieben, dass die ganze Sorgfalt und Liebe ins Spiel übergeht.
Den Test ist es garantiert wert, die kleinen Geldbeträge für die Tische auch in jedem Fall.
Ist mir wieder eingefallen... Durch Deinen Beitrag treibt sich dieser Flipper nun auf meinem und dem PC meiner Frau herum... inkl. dank Steam-Weihnachts-Sale einige Tische... Besonders die Star Wars Tische haben es mir angetan... Mein erster Flipper auf einem Computer lief auf meinem CPC464 und hatte irgendwas mit einem Zauberer zu tun... Außer das ich Stunden vor dem Bockschweren Teil verbracht habe, weiß ich allerdings nicht mehr viel. Später bei einem Freund auf dem Amiga hab ich Ärger bekommen, dass ich innerhalb kurzer Zeit seinen Highscore zunichte gemacht hab... Dann war Ruhe... bis jetzt... Und die Tische sind echt klasse! Und spielen sich alle unterschiedlich! Das finde ich auch besonders... nicht nur anderes Thema, sondern der Tisch und das verhalten der Kugel ist anders. Nun hoffe ich, das Han Solo auch noch in Sonderangebot kommt... ^^
AntwortenLöschenIch werde mir in Zukunft auch noch weitere Tische zu legen und dann hier darüber berichten. Freut mich aber besonders, dass ich hier gute Kaufberatung betreiben konnte. ;)
Löschen