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An meinem Schreibtisch sehe ich durchs Fenster die Welt aufgehen. Leute fahren von einem Ort zum anderen, haben Ziele und Pläne, Vögel zwitschern, es passieren Hunderunden für Frühaufsteher*innen. Die Sonne stemmt sich über die Dächer der gegenüberliegenden Mehrfamilienhäuser.
Ein Wort, das sich in mir direkt zerlegt, es mehrfach verschiedenen betont wird. Es könnte und sollte auch aktuell eine politische Forderung sein: Mehr Familienhäuser! Ich suche versteckte Wörter in dem Wort. Das passiert fast jedes Mal wenn ich über Worte nachdenke, besonders wenn es welche sind, die ich seltener benutze.
Eine Person zu der die Verbindung sehr schwierig war hat mir immer wieder bescheinigt, dass ich so seltsam und so "altertümlich" spreche. Weil die Verbindung zu der Person schwierig war, fand ich diese Aussage immer wieder schwierig. Bei genauerer Betrachtung stimmt sie aber eigentlich, was ich rausrechnen muss ist der damals recht wertende Ton der an der Aussage hing. Ob es wertend war, ob es unpassend ausgedrückt, ob es unpassend wahrgenommen wurde, das kann ich nicht sicher wiederherstellen in meinem Kopf. Auch Kinder haben mich schon gefragt, warum ich so komisch rede.
Zwischen hier und überall anders gibt es Wege. Schnelle effektive Wege. Stehe ich vor ihnen und habe Zeit, nehme ich oft einen anderen. Ich habe sehr viele Straßen in meinem Stadtteil schon gesehen, weiß wo Ein- und wo Mehrfamilienäuser sind. Es gibt hier kaum Schleichwege, wenige gute Abkürzungen, sich verstecken und verschwinden kann mensch hier wirklich sehr gut. Wenn ich vor der Möglichkeit stehe, neige ich mich oft dahin etwas neues zu sehen. Auch im Bekannten. Neue Sticker, Graffitti, sowas fällt mir auf. Auch weil ich es möchte.
Zwischen Worten gibt es wohl auch Wege, auch viele sehr bekannte häufig gegangenen, wir glauben vorher zu wissen was jemand sagen will. Manchmal stehen mir Leute gegenüber und versuchen schon mein Satzende mitzusprechen. Ich versuche dann anders abzubiegen. Ich möchte gerne in meinem Satz alleine sein. Wenn ich dann schon etwas sagen möchte, dann möchte ich dabei nicht eine Hand am Lenkrad haben.
Zu erzählen habe ich immer weniger zur Zeit. Ich lebe in der Elternblase, der Arbeitsblase und bin mir recht sicher zu erkennen, was davon eigentlich nur für mich spannend ist. Aber ich weiß auch nicht gut was andere Menschen interessiert. Ich bin auch irritiert wenn Menschen mich interessant finden. Und das obwohl ich zum Beispiel ja weiß, dass ich interessant rede, weil ich anders rede als viele andere. Ich selbst sehr den Unterschied nicht. Ich wohne in mir drin, ich rede immer so, ich habe nicht den Eindruck, dass andere so anders als ich reden. Ich glaube aber inzwischen, dass ich auf dem Auge blind bin und es nicht so gut merke.
Es ist etwas Zeit, auch ein bunter Strauß Fahrzeuge vor meinem Fenster, vergangen. Heute werde ich vielleicht wieder ein paar mal in neue Wege abbiegen. Warum auch nicht? Vielleicht finde ich dort schöne seltsame neue alte Wörter. Den Namen eines Vogels, eine wunderschöne seltsame Straße, ein*e Hünd*in die gerufen wird, ein neuer Gedanke in mir. Und dann werde ich es hin und herrollen, zersetzen, rufen, flüstern, erfassen - in meinem Kopf. Für mich. Auf das es meine Sprache weiter verändert.
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