Alleine, Selbst und einsam
Wenn das Kind gerade etwas selbst machen möchte, sagt es "alleine". Wenn Leute sagen, dass sie sich alleine fühlen, sind sie meistens einsam oder denken das. Einsam kann ich aber auch sein, wenn ich mit Leuten bin. Und ob ich bei mir selbst bin, also mich als Teil meiner Wahrnehmung habe, das steht dann nochmal auf einem anderen Blatt. Für viele Menschen sind diese drei Worte synonym miteinander, so merke ich es, wenn ich an Kommunikationen mit ihnen scheitere, weil ich die Worte eben nicht synonym verwenden kann, weil ich für mich dringend lernen musste sie aufzuschlüsseln. Denn ironischerweise habe ich mich einsam gefühlt, obwohl ich mich dringend bemüht habe selten alleine zu sein und was dann aber geholfen hat, ist endlich mal mit mir selbst zu sein. Denn meine alte Einsamkeit, die kam daher, dass ich gar nicht aufnehmen, wahrnehmen und annehmen konnte was ich gemeinsam mit Menschen erlebe.
Da war ein massives Loch in mir, mein Ego hat es als Notfall eingestuft und dann unter den Regeln von rotem Alarm panisch und hektisch versucht Verbindung künstlich herzustellen, um die Einsamkeit zu besiegen. Aber wie ich in Betty Martins Buch über Konsens gelernt habe, braucht es eine nicht zu unterschätzende Menge an Fertigkeiten und Bewusstsein (da kommt das Selbst ins Spiel) um wertvoll nehmen und geben zu können. Denn ja, unser Geben und Nehmen ist durch viele äußere Einflüsse und Erwartungen beschädigt. Nehmen ist dämonisiert, so dass wir glauben immer geben zu müssen, auch wenn wir nehmen. Wenn uns jemand hilft, dann darf das nicht schwer, nicht unangenehm sein, es muss Fun sein und Bier und Pizza geben. Aber so entwerten wir, was andere uns geben wollen. Und wir betäuben das Erlebnis etwas anzunehmen. Und wenn durch eine Leitung nichts mehr fließt, dann ist die Verbindung unterbrochen.
Selbst ist dann da, wenn wir ein anhaltendes Bewusstsein haben dafür wo wir gerade stehen, oder uns darum bemühen. Wenn wir aktiv und passiv nach unseren Bedürfnissen schauen, unseren Wünschen und aus unsere Geschichte auch wissen, was uns und unsere Anteile herausfordert, verletzt oder alte Wunden berührt. Das klingt erstmal gar nicht so positiv, aber was wir daraus gewinnen ist das, was eigentlich Selbstbewusstsein sind. Wir nehmen uns selbst wahr an den Orten und in den Situationen in denen wir sind. Und das erlaubt uns eben auch diese Momente klarer mitzuerleben. Wenn wir das kultivieren und darüber hinaus auch üben einen Raum uns zu schaffen, der auch anderen erlaubt diese Forschung in sich jetzt gerade live zu machen, dann entsteht etwas, was wir heute "Awareness" nennen könnten. Ein Raum in dem alle jede Person wahrnehmen und annehmen können. Und bei "jede Person" zählen wir nämlich selbst auch dazu. Eine Person die mit sich selbst und der eigenen Geschichte keine gute Klarheit hat, die kann auch nur eingeschränkt gute Awarenessarbeit machen, wenn auch es da oft darum geht die eigene Geschichte außen vor zu lassen. Aber genau dafür muss ich sie klar haben, damit ich erkenne wann ich mich selbst in einer Situation abgrenzen muss. Denn so kann ich der Verantwortung gerecht und bewusst sein, die ich habe, während ich andere betreue.
Wenn das Kind "alleine" sagt, versuche ich es mit korrektivem Feedback. Einer Methode wo mensch nicht auf einen Fehler in der Sprache hinweist, sondern das gesagt nochmal verbessert wiederholt. Denn mir ist wichtig, dass mein Kind (und andere Menschen) die Chance bekommen klarer zu haben, was ihr Selbst ist, wann sie alleine sind und wann sie einsam sind. Denn diese Unterscheidungen haben mir sehr geholfen ein (etwas) besseres Leben zu führen. Auch wenn der Weg dahin lang war und ich spät dran.
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