Trends und der Supermarkttrick

Menschen sind wirklich großartig. Eine von sehr vielen Sachen an denen ich das für mich festmache ist das weite Spektrum an dem, was wir so erforschen, teilweise zur selben Zeit. So suchen wir Wege den Weltraum zu erobern, es hat aber auch jemand erforscht was die beste Methode ist um sich im Supermarkt (und an anderen Orten) wieder zu finden, wenn mensch mit mehreren Leuten unterwegs ist und sich getrennt und verloren hat. 

Die Forschung empfiehlt, dass mensch sich vorher immer verabredet, dass eine Person da stehenbleibt wo sie ist, beziehungsweise sich einen gutsichtbaren Platz sucht und da dann bleibt. Die anderen Personen dürfen in Bewegung bleiben. So sind die Chancen dann höher sich gegenseitig zu finden, als wenn alle sich gleichzeitig bewegen und sich gegenseitig suchen. Am Ende geht es bei so einer Forschung natürlich um Wahrscheinlichkeiten und unseren Einfluss darauf. Mit Menschen braucht es dann eine Absprache vorher, aber den Moment, dass zwei Sachen zueinander finden müssen und das nicht so ganz gelingt, die gibt es auch an anderes Stelle. 

Künstler*in sein, bedeutet immer auch irgendwie Marketing für sich selbst machen zu müssen, zumindest oder besonders, wenn Mensch auch mit seiner Kunst etwas verdienen möchte. Sei es Ruhm, Ehre, Aufmerksamkeit oder Geld. Es braucht Sichtbarkeit, die Kunst will eh auch irgendwie daraus, es braucht Reichweite. Durch den Einfluss von aktuellen Social-Media-Plattformen ist dieser Aspekt besonders lautgedreht. Gerade erst habe ich den Kommentar einer Kunstforscherin gesehen, dass aktuell es ganz oft nicht mehr darum geht die eigene Kunst zu zeigen, sondern eine Persona die zu der Kunst gehört. So gibt es dann charmante Video die zeigen wie ein Bild entsteht, Leute machen Live-Streams wie sie Kunst machen, es entstehen Medien mit dem Zweck Likes zu generieren und abzufangen. Und weil in dieser Aufmerksamkeitswirtschaft irgendwie alle in Konkurrenz zueinander stehen, trete ich nicht nur für meine Kunst an, sondern auch gegen alle anderen die gerade etwas hochladen. Vom Schuhgeschäft in meinem Stadtteil die etwas verkaufen wollen, bis hin zu Berta Bebsen (keine echte Person) die selbst gar nicht genau weiß, warum sie jetzt ihren Tag auf der Plattform dokumentiert und zeigt.

Was dabei entsteht, endlich wie Epochen und Strömungen in der Kunst, sind bestimmte Trends. Ganze Plattformen ergänzen Funktionen, wenn sich neue Trends beim Konsum von Medien abzeichnen. So haben plötzlich alle Plattformen "Stories" oder eben auch "Reels" oder "Shorts" übernommen, um dem Erfolg von anderen Plattformen etwas abzugraben. Und um eine Hölle für billiges schnelles Dopamin zu werden, aber das ist eine andere Geschichte. Es gibt bestimmte Methodiken und Arbeitsweisen die dann immer modern sind, Marketingagenturen verdienen teilweise ihr Geld damit, dass sie anderen erklären wie sie diese Spielchen und Bewegungen mitmachen. Und dann gibt es eben eine Woche wo sich alle als Spielfiguren hochladen oder mit Hilfe von K.I. andere Kunst imitieren und klauen, weil das "gerade alle machen". Und dann wird es mitgemacht, auch wenn vollkommen unklar ist, was es mit der eigenen Identität/Persona zu tun hat oder was es mit der eigenen Kunst zu tun hat. 

Einen Trend zu erwischen, das ist natürlich etwas gutes. Wer einen Trend trifft, bekommt eben mehr Sichtbarkeit und ist Teil einer temporären Bewegung. Das trifft für Werbung und Marketing zu, aber auch in anderen Bereichen des Lebens. Aus manchen Trends werden Genres oder sogar Subkulturen, weil Leute sich dort wohlfühlen und bleiben. Escape Rooms waren mal ein Trend, jetzt hat jede Kleinstadt mindestens einen. Schnell geschnittene Videos im Internet waren mal ein Trend, jetzt ist es der Stil einer ganzen Bubble. Wie schaffe ich es also einen Trend zu erwischen? 

Und da gehe ich zurück in den Supermarkt. Denn eine sichere Antwort habe ich nicht. Beziehungsweise habe ich einen Zweifel aus dem Blick des Anteils von mir, der Kunst macht. Nämlich der Zweifel, was es mit unserer Kunst zu tun hat, wenn wir einen Trend verfolgen. Oder ob wir dann anfangen nicht mehr unsere Kunst zu machen, sondern eben Marketing. Und irgendwann kippt es unter Umständen, weil wir nicht mehr überlegen was wir sagen und erschaffen wollen, sondern was klickbarer Content ist. Trends bewegen sich, das liegt in ihrer Natur. Erst wenn sich eine (Sub-)Kultur daraus entwickelt, werden sie langsamer und bleiben stehen. Trends sind zeitlich begrenzt. Wenn wir uns jetzt auch bewegen, weil wir ihnen Folgen, weil wir im Netz danach suchen was gerade Trends sind und versuchen da mit zu machen, dann haben wir eben zwei bewegliche Teile. Und wenn die Supermarktforschung da stimmt, dann verringert das die Chancen sich zu treffen. Es wird leichter zueinander zu finden, wenn ein Teil aufhört sich zu bewegen. 

Entweder ignorieren wir also die Bewegung des Trends und schaffen uns einen eigenen Stil mit dem wir an unserer eigenen Position bleiben, dort ihn entwickeln und uns gut erkennbar machen. So können wir das Glück haben, dass der Trend von alleine zu uns kommt oder uns eben die Leute irgendwann finden, die genau uns suchen. Und unseren Stil und unsere Kunst suchen. Leute die zum Beispiel auch gar nicht eine Persona sich anschauen wollen, sondern schöne Bilder. Schöne Texte. Tolle Musik. Wir arbeiten dann eher daran eine Bubble oder eine Subkultur zu schaffen, die immer leicht zu finden ist. Oder aber wir suchen so einen bestehenden Ort und bewegen uns darauf zu. Anstatt jedem kurzlebigen Trend nachzulaufen, schauen wir uns an wie andere an und imitieren ihre Art ihr Marketing zu machen. Wir schauen was wir gut und akzeptabel finden und übernehmen das, aber wir werden langsam und wenig hektisch dabei. Ja, wir suchen etwas, aber je schneller und ungeduldiger wir dabei sind, desto weniger nehmen wir war was und wer eigentlich um uns herum ist. 

Vielleicht ist der beste Weg also an einem Trend teilzunehmen, es so zu halten wie wenn mensch sich im Supermarkt verloren hat. Eine*r bleibt stehen, eine*r bewegt sich und dann findet alles schneller zueinander, als wenn sich alles immer gleichzeitig bewegt. 

Kommentare

Vielleicht auch spannend: