Rezension: Schaschlik

Mülheim an der Ruhr, Pommes Nordstraße, 19:30 Uhr.
Ein Bentley Intercontinental fährt vor. Auf der Fahrerseite springt ein beschwerlicher Mann aus dem Wagen, läuft um den Wagen und spannt, während er die hintere Wagentür öffnet, einen Schirm auf. Ein junger Mann ohne Arme und Beine steigt hinaus, seine Fäuste und Füße schweben frei, Körper und Kopf wirken magisch in der Luft verankert.

Rayman steuert zielsicher und voller Vorfreude auf den Imbiss zu. In den Zeiten, in denen es für ihn und seine Karriere als Videospiel-Star nicht so gut lief, hatte er in bescheideneren Verhältnissen leben müssen, dabei aber das beste Schaschlik aller Zeiten entdeckt. Jetzt, wo es für ihn wieder deutlich bergauf ging und man sich mit den Leuten von Ubisoft in teuren Restaurants für Vertragsgespräche einfand, wollte er aber trotzdem nicht auf die guten einfachen Sachen verzichten. Er konnte selbst kaum unterscheiden, ob da Regen auf den Boden tropfte oder es sich um seinen gesammelten Appetitspeichel handelte.
Die Imbissbude, ihres Zeichens und Klischee nach immer noch Zuflucht der hartarbeitenden unterschichtigen Bevölkerung, beheimatete an diesem Abend nur einen einzelnen Mann, von oben bis unten mit Dreck und Matsch versehen. Die einzigen Hautstellen, die zu erkennen waren, schimmerten durch einige kleinere Brandlöcher in der Kleidung und dann war da noch der Ring um die Augen, wo scheinbar vorher eine Schutzbrille lag.
Rayman hatte zuvor telefonisch geordert, der Mann in der Ecke schien auch schon etwas länger zu warten. Ungeduldig zitterte seine rechte Faust und seine Beine streckten und entspannten sich immer wieder.
Der Fettgeruch in der Luft und das Auftauchen des Kochs dieser Einrichtung deutete auf ein fertiges Essen. Sowohl Rayman als auch der schmutzige Mann gingen dem Bedienthresen entgegen. "Einmal Schaschlik für das beste Multiplayer-Jump'n'Run zum Mitnehmen!" gab er mit einer Papiertüte über den Thresen an.
Zwei Hände griffen die Papiertüte. 

Rayman Origins Vs. Trials Evolution

Rayman: "Entschuldige, Meister, aber das ist mein Essen."
Trials: "Kann nicht sein, Bohnenmann, bestes Multiplayer-Jump'n'Run bin ich."
R.: "Das wage ich zu bezweifeln. 2012 führte kein Weg an mir vorbei. Aber, kann es sein, dass ich dich kenne?"
T.: "Keine Ahnung. Ich bin nur auf der Durchreise." Dabei zeigte der schmutzige Typ nach draußen auf ein Motorrad.
Rayman: "Moment mal, na klar, du bist der Fahrer aus Trials Evolution."
Trials: "Der feine Herr Rayman kennt also auch Independent-Produktionen? Ich bin überrascht. Wie kommt es?"
R.: "Ich habe Trials Evolution total gefeiert. Endlich mal wieder ein frischer Wind. Wir machen doch alle nur noch konservative Produktionen. Mario, Sonic, ja, auch unser Spiel ist alles nach dem klassischen Schema, aber ihr habt euch mal was getraut."
T.: "Danke, aber, naja. Es ist ja nicht unser erstes Spiel gewesen. Vom überraschenden Erfolg von Trials HD aus war es eigentlich nur klar, dass die Spieler mehr wollen. Und unser Gefühl war, es fehlt heutzutage an Spielen, die einen wieder mit den Freunden vor einen Fernseher bringen. So wie früher."
R.: "Ja man, so wie früher. Das war auch unsere Devise für unser Spiel, aber wir haben es ganz anders umgesetzt. Wir wollten wieder ein Jump'n'Run machen, das wirklich die Fertigkeiten der Spieler herausfordert."
T.: "Und dann ist euch auf halber Strecke die Puste ausgegangen?"
R.: "Was?"
T.: "Zugegeben, es gibt ein paar kniffelige Stellen und im zweiten Durchgang, wenn jede Welt nochmal eine zweite, schwere Unterwelt bekommt, da steigt das Niveau nochmal an, aber ein erfahrener Spieler bläst bei euch doch eben so durch."
R.: "Ja, wenn ich auf dem Thron der Einsteigerfeindlichkeit sitzen würde, würde ich auch so argumentieren. Bei euch gibt es zwar ein Tutorial und man glaubt es begriffen zu haben, aber dann knallt man steinhart auf den Boden der Spielrealität."
T.: "Wir nennen dieses Konzept ja Anspruch."
R.: "Schon möglich, aber das kann man auch anders machen. Ihr schließt damit schwächere Spieler aus, frustriert sie und verliert sie möglicherweise."
T.: "Oder: Wir fordern und fördern sie dadurch auch. Sie müssen wieder Skill haben und aufbauen. Besser werden, seinen Fehler analysieren, eventuell sich andere angucken, wie die das Problem lösen oder, wie früher, mit mehreren vor der Konsole sitzen und den Controller weitergeben, wenn man nicht weiterkommt.
Sonst entwertet man auch den Erfolg. Ihr habt da so ein Freikartensystem, das aktiv wird, wenn man im Level zu oft stirbt, aber das bedeutet ja auch, dass jeder das große Finale sehen kann, auch wenn er keinen Level geschafft hat."
R.: "Ja, vielleicht, aber wir richten uns auch einfach vielleicht an ein anderes Publikum. Unsere Comicoptik soll ja ganz eindeutig an Kinder gerichtet..."
T.: "Na klar und die dickbrüstigen Feen in zu kurzen Kostümen sollen auch die Kinder ansprechen?"
R.: (lacht): "Ja, sagen wir mal, es ist für jedermann etwas dabei."
T.: "Aber es stimmt ja schon, eure Optik, der Humor, die hervoragende Musik: Das ergibt schon alles ein geschlossenes funktionierendes Bild. Man sieht, dass ihr mit extrem viel Liebe an dem Spiel gearbeitet habt. Auch die Abwechslung, die aufkommt, wenn ihr plötzlich Fluglevel und Tauchlevel einbaut ist ganz toll. Das ihr es dabei sogar noch geschafft habt kleinere Rätsel und Geschicklichkeitstests einzubauen, ist unglaublich. Da können wir noch was von lernen."
R.: "Findest du? Ihr habt doch auch mit viel Liebe gearbeitet. Eure Anspielungen auf Inception, Zurück in die Zukunft und andere Werke der Popkultur waren zwar etwas versteckt, aber tolle und witzige Ideen."
T.: "Ja, aber wir sind nicht liebevoll. Wir sind präzise. Alles ist geplant und auf den Punkt. Liebevoll sind heute einfach ganz ganz wenige Spiele, da fällt es um so positiver auf, wenn es ein Titel mal wieder hinbekommt. Selbst im Multiplayerchaos, wo man nie weiß, ob man gerade zusammen oder gegeneinander spielt, wirkt alles noch so detailiert, vielfältig und bunt. Es gibt halt immer was zu entdecken. Das habe ich wirklich geliebt an eurem Spiel. Da kam eigentlich keiner dran in den letzten Jahren."
R.: "Oh, danke. Aber, wenn wir gerade dabei sind Komplimente zu machen, dann muss man euch aber für die große Freiheit loben, wie sie auch einem Independententwickler am besten steht. Euer Editor, das Levelup-& Downloadsystem, die Verwaltung der Inhalte durch die Community, das ist doch irre. Und die Möglichkeiten im Editor, Wahnsinn. Als ich reingeschaut hatte, hat da einer Space Invaders nachgebaut und auch einen Tischkicker für 4 Spieler. Nur mit eurem Editor. Was für ein mächtiges Teil. Das ist doch eigentlich die Zukunft. User Generated Content.
Da können wir nicht mit. Da sind wir die ganz alte Welt. Bei uns gibt es nur vorbereiteten Content."
T.: "Es ist die Geschichte, die euch zwingt. Wir sind so frei, weil es keinen Rahmen gibt. Es gibt die Mittel, die Ziele, aber keinen Rahmen. Und ihr dürft auch nicht darauf verzichten. Wenn Raymanspiele ihren Rahmen verlieren, verlieren sie ihren.....dich als Charakter. Du bist ja schon ein Sympathieträger. Ich bin nur ein Phantom."
R.: "Ja, aber genau deshalb kann man sich doch mit dir viel besser identifizieren. Und du steckst nicht im Druck des Ruhms. Die Leute passen deine Klamotten und dein Motorrad an und sehen sich im Sattel. Nicht du gewinnst, sondern sie. Nicht du bist so cool, sondern sie selbst. Wenn die Spieler zu viert über die Pisten heizen, dann ziehen sie ihre Freunde ab und nicht du. Und bei dir beschwert sich komischerweise auch keiner, wenn die Figuren gleich aussehen.
In unserem Spiel gibt es zum Freispielen zig Varianten der selben Figur, zwei Spieler sehen sich immer ziemlich ähnlich und alle meckern darüber. Bei euch merken ja sogar kaum Leute an, dass es nicht möglich ist eine weibliche Fahrerin zu erstellen."
T.: "Das mag sein."

Der Koch, sichtlich wütend, starte die beiden an. "Sagt mal Jungs, habt ihr es bald? Wenn sich jetzt nicht das beste Multiplayer Jump'nRun das Essen mitnimmt, hau ich es einfach in die Tonne. Ist eh schon kalt."
Der Fahrer aus Trials und Rayman sahen sich vergnügt an und wussten genau, wer es verdient hatte. Sie zeigten auf den jeweils anderen und wollten gerade das Essen abgeben, als plötzlich die Tür zur Imbissbude erneut aufging.
Herein kam ein kleinwüchsiger Kerl, mit roter Nase und Indiana-Jones-Kluft.
"Hörte ich gerade Essen fürs beste Multiplayer Jump'n'Run? Das bin dann wohl ich."
Rayman und Trials: "Und du bist?"
?: "Spelunky. Sehr erfreut."

Und so gingen die Diskussionen um das beste Multiplayer Jump'n'Run wieder von vorne los, bist spät spät in die Nacht.

Kommentare

  1. Anonym17.4.13

    Sehr schön umgesetzt - das Lesen hat schon Spaß gemacht. Warte nur ab bis Battleblock Theater diesen Dreikampf entdeckt ;-)

    MfG
    Hermann

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    1. Spelunky gegen Battle block Theater? Hm.
      Ist notiert.

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  2. Und wie ging es aus? ^^

    Seh schöne und vor allem lustige Vs.-Rezi und ich habe mich schon gefragt, was aus der Abstimmung damals geworden ist.

    Davon gerne mehr! :)

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    1. Wie es ausging, ist, wie man an Herrmanns Kommentar sieht, noch nicht entschieden.

      Ja, wir reichen die noch offenstehende Dinge nach, außer bei den Serien, die stehen noch auf "hold".

      Keine Sorge, die nächste Vs.Rezension ist in den Startlöchern und ich arbeite hart daran, dass sie lesenswert wird. ;)

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    2. Ich will Peter Mac G. zurück und du schuldest mir noch ein T-Shirt ;P

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