Der Fotograf, das Alien

Das Meer toste und schäumte, brach sich an den Klippen und umspülte die kleinen Felsen, die aus dem Wasser ragen. Für Mitteleuropäer ohne direkten Zugang zum Meer - wie mich - ein spektakulärer Anblick, den ich mir jedoch mit zahlreichen anderen teilen musste. Die meisten betrachteten das Naturschauspiel allerdings nur indirekt - über den Bildschirm ihres Smartphones. Einhändig knipsten sie, was die interne Speicherkarte an Bildern hergab. Wie das Bild letztlich aussah, war dabei irrelevant. Schließlich gibt es Instagram. Die Filter würden es schon richten. Ich stand zwischen diesen Menschen, die ihre "Kunstwerke" (Zitat) sofort in sozialen Netzwerken verbreiteten und ihrer Touristenpflicht somit in ihren Augen nachgekommen waren. Sie wendeten sich gleich nach dem Upload ab und verließen die Szenerie, ohne dem Meer noch eines ungefilterten, ohne dazwischengeschobenen Bildschirm, zu widmen. Es stimmte mich traurig - und ließ mich zugleich mit dem Gefühl zurück, ein Außenseiter zu sein.

Denn ich kam mir mit meiner digitalen Spiegelreflexkamera sehr altmodisch vor. Zunächst beobachtete ich die Szenerie in aller Ruhe, machte mir einen Eindruck von den Lichtverhältnissen, suchte mir eine günstige Stelle, von der aus ich mein Foto machen würde, überlegte mir, ob Einzel- oder Reihenaufnahme sinnvoller ist und wagte erst dann einen Blick durch den Sucher, um meinen finalen Bildausschnitt zu wählen.

Während meine Finger die Gummiringe des Objektivs bewegten, sprach mich ein Herr von der Seite an: "Schöne Kamera haben Sie da. Die macht bestimmt tolle Fotos." Natürlich - entscheidend ist allein die Kamera, schließlich muss man "nur" auf den Auslöser drücken. Eine Meinung, die mir gegenüber bereits sehr häufig geäußert wurde, wenn Leute mich mit der Spiegelreflexkamera in der Hand sahen.

Ich antwortete dem Herrn erst, nachdem ich auf den Auslöser gedrückt und mich über das gewohnte, wundervolle "Klacken" meiner Kamera gefreut hatte: "Danke." Ich hielt es nicht für nötig, mehr dazu zu sagen - mein Gegenüber hingegen schon: "Möchten Sie, dass ich Sie einmal vor dem Meer fotografiere?" Die Frage entlockte mir unweigerlich ein Schmunzeln. Er war einer von denjenigen, die zuvor noch ihr iPhone für ein Bild bemüht hatten. Dennoch willigte ich ein, weil ich sehr selten auf Fotos zu sehen bin. "Ja, gerne."

Ich reichte ihm meine Kamera und sah Erstaunen in seinem Blick: "Die ist aber ganz schön schwer. Die würde ich aber nicht die ganze Zeit mit mir herumtragen wollen." Ich lächelte freundlich und zuckte nur mit den Schultern. Dabei berührte ich sanft meine kleine Kameratasche, die mir den Transport wesentlich erleichterte. Die Kamera war zugleich immer griffbereit.

Währenddessen beobachtete ich mein Gegenüber: Es dauerte, bis er für sich einen angenehmen Weg gefunden hatte, die Kamera zu halten. Mit einer Hand gelang es ihm zunächst nicht. "Wo sehe ich denn, was ich fotografiere?" Er starrte dabei auf den Monitor, auf dem die Bilder nach der Aufnahme erscheinen. "Sie müssen durch das kleine Guckloch in der Mitte schauen - das ist der Sucher." Er folgte meinem Rat, woraufhin ihm ein erstauntes "Aha" entfuhr. Anschließend tat er nichts, nur sein Zeigefinger zuckte hin und her. "Wo muss ich denn draufdrücken? Hier sind so viele Knöpfe."

Ich dirigierte seinen Finger zum großen schwarzen Knopf, den Auslöser. Er betätigte ihn sogleich und blickte anschließend missmutig auf den Monitor. "Das Bild ist aber hell geworden." "Oh", antwortete ich, während ich mich auf ihn zubewegte, "die Kamera steht noch auf 'Manuell'. Warten Sie, ich stelle Ihnen die Kamera schnell auf 'Automatik' um, sonst müssen Sie die Blende und so selbst einstellen."

Seine Augenbrauen schnellten nach oben. "Na, lassen Sie mal. Das ist mir zu kompliziert." Er streckte mir die Kamera wie eine tote Ratte entgegen. "Haben Sie vielleicht ein Smartphone? Damit mache ich Ihnen schnell ein tolles Bild." Ja, ich habe ein Smartphone. Dennoch log ich ihn an. "Schade", war seine knappe Antwort.

Ich dankte ihm für seine Mühen. "Kein Problem", sagte er, drehte sich herum und machte im Vorbeilaufen ein Bild von einer Möwe. Ich fotografierte ihn dabei, legte den Fokus dabei auf sein Gesicht. Es zeigte keine Regung, nur einen starren, fast gelangweilten Blick auf den Bildschirm vor seiner Nase.

Mein eigener Blick wanderte hoch zur Möwe. Elegant schwebte sie auf den Luftströmungen des Windes, der auch das Meer aufpeitschte. Es war ein tolles Bild - und doch behielt ich meine Kamera in der kleinen Tasche. Der reine Anblick genügte mir - und ich wollte ihn mit niemandem teilen.

Im Folgenden eine kleine Auswahl meiner Urlaubsbilder zum Thema "Wasser".










Kommentare

  1. grunge-content - top! :)

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    1. Beim ersten Bild dient die Vignette tatsächlich nur dem Zweck, das Gesicht zu verdecken. ;) Bei den anderen Bildern habe ich es dann einfach mit drin gelassen, weil sie auch gerade in der Auswahl waren und es irgendwie nett aussah. :)

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