Alles okay

Es steht ein Haus in unserem Innenhof, an dem, was wir immer sehr übermotiviert unseren Garten nennen. Ich sitze auf der kleinen Treppe vor dem Haus, schau in den Himmel oder lasse ihn auf mich herunter schauen, je nach Blickwinkel. Die Wolken fahren in langsamster entspannter Gemütlichkeit auf unsichtbaren Bahnen herum.

Die Tür die aus dem Keller in den Innenhof führt schließt hörbar auf und ich merke erst jetzt, dass ich seit einiger Zeit hier draußen ausgesperrt war. Sie, kommt den kleinen Treppenabsatz hinauf, zur Hälfte besorgt, zur anderen fröhlich schauend. "Ist alles okay?", fragt sie eine der häufigsten Phrasen unserer Beziehung und setzt weiter nach: "Du bist doch sonst nie hier draußen."
Während sie auf mich zu kommt, lächele ich und sage einen anderen, zum Glück, so üblichen Satz: "Ja, es ist alles gut.", lächele und ergänze: "Mir ist aufgefallen, dass ich nie hier draußen bin. Da dachte ich, ich mach das mal."

Die kleine Schräge hinauf nahm sie immer die Steintreppe am umrandenen Weg, um dann aber den restlichen Abschnitt über die Wiese zu gehen. Ich rutschte eine Halbe Po-Backe nach rechts und bot ihr so Platz an meiner Seite, den sie gerne annahm. Dann lehnte ich mich an die Tür hinter mir und schaute wieder hinauf.
Wie ein Gefängnishof wirkte es mit den dann doch verhältnismäßig hohen Häusern, die einen Himmel umrahmten, dem das Treiben, welches durch die Fenster zu uns drang, nicht weniger egal sein konnte als uns. Es ist dieses Belebte, was diesem Gefängnis hier die Beklemmung nimmt.

"Guck mal, in der Regenrinne wächst eine Pflanze.", deutet Sie über uns und ich zeige auf den Kugelgrill, der da einfach neben der Treppe steht. "In dem Teil ist auch schon Moos gewachsen." Eine kleine Kolonie, wo sonst die Kohle hingehörte, zeigte deutlich an, dass hier schon lange nicht mehr feurige Hitze, sondern kalte Feuchtigkeit regierte.
"Den Garten benutzt wirklich niemand, oder?", meint sie und ich nicke. Die letzten Menschen die ich im Garten gesehen habe, waren die zwei von der Grünflächenpflege, die regelmäßig einmal jeden irgendwas vorbei kamen und den Rasen mähten. Den erreichbaren. Innerhalb des Kleintiergitters, das auf der Wiese stand, wurde lang schon nicht mehr gemäht.

"Ob so ein Moment wohl in einer Geschichte ein zu fangen wäre?", frage ich unabsichtlich laut und sie schüttelt verständnislos den Kopf: "Das bei dir aus allem eine Geschichte werden muss.", lächelt aber sanft hinter her, als hätte es keinen Sinn mich belehren zu wollen.

"Muss es nicht, aber diese Entspanntheit und Ruhe, lässt sich das einfangen?" Schultern zuckten. "Vielleicht." Das war mir nicht ausreichend, also dachte ich laut weiter: "Und würde das jemand lesen wollen? Geschichten leben doch von Aktion und Konflikt, von Spannung, Anstieg und Abstieg. So stille Momente im Innenhof würde doch niemand lesen wollen, oder?" Erneutes Schulternzucken abgelöst von einem sanften Lachen: "Wenn du so viel redest, ist es ja auch gar nicht mehr so still."

Ich schmunzelte, weil es angenehmer war als irgendwas zurück zu frotzeln und schwieg dann wieder. Die Wolken liefen immer noch oder vielleicht auch nicht, möglicherweise sah ich immer die selbe festgenagelte Wolke, merkte es nur nicht, da unsere Blicke sich so unregelmäßig treffen. Irgendwo hämmerte jemand und ein Telefon klingelt, alles erkennbar, aber unerreichbar. So, dass es auch uns nicht zu erreichen vermochte. Während ich anfing mich zu wundern, was überhaupt in diesem Haus im Hof drin ist, weil dort nie jemand ein und ausging, sagte sie plötzlich: "Es müsste echt sein, dann könnte es gehen."

Leicht neige ich meinen Kopf zu ihr und deute so, dass ich mehr hören will. "Es dürfte kein fiktionaler Text sein. Nichts übertriebenes. Alles müsste so sein, dass sich jeder hinein versetzen könnte." Ein kleiner Vogel, den ich nicht benennen kann, landet auf der Wiese. "Also keine Namen für die Figuren, einfach nur Er und Sie." - "Lieber einen Ich-Erzähler.", unterbicht sie mich. Der Vogel hüpft ein wenig umher und verschwindet unter diesem Strauch mit den gelbgrünlichen Blättern, den ich auch nicht benennen kann. "Und dann muss alles ruhig, aber auch bilderreich erzählt werden.", ergänzt sie mich.
"Wie ein Kings of Convenience-Song.", stelle ich fest und sie stimmt mir zu: "Ja. Ruhig, bescheiden, in sich gekehrt. Aber, ob das dann jemand lesen wollen würde, kann ich dir trotzdem nicht sagen." Ich schweige.
Der kleine Vogel sitzt auf einem Ast des Strauches und schaut hinauf. Er wartet auf die Freigabe durch die Luftraumkontrolle und als diese erteilt ist, schwirrt er als kleiner brauner Punkt elegant davon. Meine Augen treffen die überhängenden Blätter der Pflanze, die in der Regenrinne des funktionslosen Hauses in unserem Garten wächst. Wie dort Pflanzensamen hin gekommen sein könnten, scheint mir noch erklärbar, aber worin wurzelt sie?
"Ist alles okay?", fragt sie mich und ich lächele. "Ja, wie ein Kings of Convenience-Song."

Kommentare

  1. Schöner Text. Die Grundstimmung, Beschreibungen und der Dialog gefallen mir sehr!

    Sieht noch jemand auf den Bild einen Lila T-Rex!?

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    1. Jetzt schon. Ich kann ihn nicht mehr nicht sehen.

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    2. Dann ist ja gut! :D

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    3. Alternativ ... (betrachtet man es mal von der anderen Seite) könnte es auch ein ausgewachsenes, lila Manneken Pis sein.

      Das hat zumindest eine gewisse Dame angemerkt, die wir beide kennen und ich muss sagen, sie hat recht! ^^

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