Poetry Slam von Innen: Die Krux mit den Journalisten
Jens Kotalla bei der Weststadtstory in Essen; Foto: Der Hartmann |
Journalist sein ist nicht einfach. Alles muss schnell gehen. Schnelle Recherche, schnelle schreiben, schnell veröffentlichen und oft ist es mit der Relevanz eines Artikels dann oft auch schnell wieder vorbei. Daher muss dann auch bald wieder ein neuer Artikel her und das Spiel beginnt von vorne. Entweder der Artikel beschäftigt sich mit etwas aus dem Hauptstrom, aber dann werden alle Blätter und Online-Portale was dazu haben oder aber, mensch schreibt über etwas, das nicht so richtig im Hauptstrom der Wahrnehmung ist.
Poetry Slam bietet sich da dann ja irgendwie an.
Trotz unzähliger junger Bühnenliteraten und -Literatinnen, ist es dann doch nicht so richtig bekannt. Und auch trotz Julia Engelmanns Youtube-Erfolg mit mehreren Millionen Klicks, gibt es immer noch genügend Menschen, denen erklärt werden darf/muss, was dieses Poetry Slam eigentlich ist. Ist ja alles auch nicht schlimm. So ist das mit manchen Kulturzweigen einfach. Wie Hiphop oder die Metalszene funktionieren, weiß ja auch nicht jeder, trotzdem sind die Anhängerschaften riesig. Und genau wie in diesen Szenen, ärgert mensch sich dann, wenn über seine etwas geschrieben wird, was so nicht stimmt.
Im Falle von Poetry Slam gibt es da so einen Klassiker.
Oftmals bezeichnen Nicht-Mitglieder der Slam-Szene einen einzelnen Bühnenvortrag als Slam, manchmal auch als Poetry Slam. Das diese Begriffe aber eigentlich die Abendveranstaltung bezeichnen, ist vielen Journalisten unklar. Verständlich. Bei einem Tanz-Wettbewerb sieht mensch Tanz, bei einem Fussballspiel Fussball, also gibt es bei einem Poetry Slam auch Slams zu hören.
Nee. So ist es eben nicht. Die Texte sind ge-slam-t, also hingepfeffert, wenn mensch so will. Die KünstlerInnen sind dann auch SlammerInnen, aber da hört es mit dem Begriffszusammenhang auch auf.
Das Problem: Der unwissende Leser, unschuldig wie frisch gefallener Schnee, glaubt dem Journalisten natürlich, geht von der Wahrhaftigkeit der Informationen aus und multipliziert den Fehler. Er oder Sie sprechen den Künstler dann an, schreiben auf Youtube oder melden sonst wo: "Das ist ein richtig toller Poetry Slam!", meinen aber den einzelnen Text. Was spätestens dann zu Verwirrung führt, wenn wissende Personen hinzu kommen, die denken, dass von der Veranstaltung die Rede ist.
Im direkten Gespräch und privaten lässt sich diese Sache gut korrigieren, aber gegen über den Journalisten ist das nicht ganz so einfach. Vorallem mit Blick auf die Wikipedia-Journalisten-Schlaufe kann die Sorge aufkommen, dass bald die falsche Benennung, durch die allgemeine Wahrnehmung, plötzlich zur wahren Version wird.
Die Wikipedia-Journalisten-Schlaufe funktioniert in etwa so:
Wikipedia nimmt als Maßgabe für die Richtigkeit einer Angabe, dass diese in einem renomierten journalistischem Werk gemacht wurde. Sagt eine durchgesetzte Tageszeitung also, das ein Textvortrag ein Slam ist, sagt Wikipedia das auch. Wenn Journalisten ihre Artikel recherchieren, schauen sie Begriffe wie Poetry Slam (im besten Fall) natürlich vorher bei Wikipedia nach.
Aktuell würde der zweite Schritt leider nicht eindeutig verhindern, dass dieser Fehler auftritt, schlimmer ist aber, dass die Veröffentlichungen mit dem Fehler eine Änderung des Wikipedia-Artikels zur falschen Information schon bald rechtfertigen könnten.
Aber: Was kann getan werden? Wer ist das denn schuld, dass die Sache aktuell immer wieder falsch in den Artikeln steht?
Wir. Also: Wir, die Poetry Slammer. Ja, vielleicht auch die Journalisten, die nicht sauber recherchieren, aber wo sollen die denn recherchieren? Die Berichterstattung aus dem Inneren der Szene ist eher dünn. Was uns andere Subkulturen vorraus haben, fehlt uns noch: Insider-Blogs, -Magazine, -Formate. Und wer, außer uns sollte diese anfangen? Richtig. Niemand. Also ist es unsere Pflicht.
Und die nehme ich hier mit an. Also, liebe Journalisten:
Ein Poetry Slam ist die Bezeichnung der Veranstaltung, Ein Slammer der Künstler und die Vorträge heißen Vorträge, Texte oder Performance, aber niemals Poetry Slam.
"Poetry Slam von Innen" wird mein Versuch einmal im Monat hinter die Kulissen von Slam zu schauen. Dabei soll es nicht wie in der Vergangenheit Reviews und Erfahrungsberichte zu Slams geben, sondern eher um systemisches, grundsätzliches, Mythen und Thesen der Szene gehen. Der Versuch die Dinge zu erzählen, die bisher nur "ungeschriebene Gesetze" oder Poetry-Slam-Szene-Lore sind.
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