Der „Veggie Day“: Was bei uns ankam und was wirklich dahinter steckt


Bei der Bundestagswahl 2013 gab es die Forderung, einen fleischfreien Tag in Kantinen einzuführen.
Diese Forderung sorgte für großen Aufruhr.
Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung fühlte sich bevormundet und in ihrer Freiheit verletzt.
Wann, wer, wieviel Fleisch esse, sei die persönliche Entscheidung eines jeden Menschen.
Doch wie definieren wir Freiheit und persönliche Entscheidung?

Im zweiten Artikel des Grundgesetzes steht:
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Doch greifen wir mit dem Vorschlag eines fleischfreien Tags die Grundrechte der deutschen Bevölkerung an? Oder verstoßen wir eventuell sogar noch gegen die Rechte? Und wann ist es okay, seine Freiheit einzuschränken und wann nicht?

Hagen Rether hat einmal gesagt: “Die Leute geben ihre Privatssphäre bei Facebook ab, lassen sich ohne zu zucken am Flughafen wie potentielle Verbrecher behandeln und akzeptieren biometrische Personalausweise, aber einen fleischfreien Tag in der Kantine findet man totalitär!?”

Dabei ist der Veggi-Day keineswegs ein Verbot und auch kein Aufruf von nun an vegetarisch zu leben. Es geht nicht darum, den Menschen ein schlechtes Gewissen einreden zu wollen, weil sie Fleisch essen und es geht auch nicht darum, Menschen vorzuwerfen, dass es Mord sei, Fleisch zu essen. Manch einer möge meinen, dass Fleischessen etwas Natürliches ist und das ist genauso okay, wie sich aus moralischen Gründen gegen den Fleischkonsum zu entscheiden.

Die Massentierhaltung hat allerdings nichts mehr mit Natürlichkeit, Freiheit oder persönlicher Entscheidung zu tun.

Der Durchschnittsmensch isst laut ,,Fleischatlas 2013“ pro Jahr 60 Kilo Fleisch, das sind umgerechnet etwa 1097 Tiere in der gesamten Lebenszeit.

Wo das Fleisch herkommt, unter welchen Bedingungen es produziert wird und welche ökologischen Folgen der tägliche Fleischkonsum verursacht, wissen die Wenigsten.

Zur Herstellung eines Kilogramms Schweinefleisch werden um die 10.000 Liter Wasser benötigt, für Rindfleisch ca. 15.000 Liter. Und zur gleichen Zeit haben 1,1 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.

Für die Tierfutterproduktion werden Getreideflächen aus Dritteweltländer verwendet, die für die Einwohner überlebensnotwendig sind. Für 200 g Steak werden 2 kg Getreide benötigt. Mit dieser Menge würden ca. 8 Kinder satt.

1.842 Millionen Menschen müssen täglich hungern und das, obwohl eigentlich mehr als genug Nahrung vorhanden ist. Sie wird nur nicht fair verteilt. Würden wir unseren Fleischkonsum um 10% reduzieren, könnten 100 Millionen Menschen zusätzlich ernährt werden.

Und mit diesem Wissen, machen wir weiter, wie zuvor. Essen Fleisch, als gäbe es kein Morgen.

Wie können wir uns gegen einen fleischfreien Tag in der Woche auflehnen und noch immer denken, dass das ein Eingriff in unsere Freiheit ist, statt ein Schritt in Richtung Freiheit?

Wir regen uns darüber auf und tun so, als müssten wir schmerzvoll verzichten. Dabei möchte ich einfach mal behaupten, dass wir gar nicht wissen, was Verzicht bedeutet. Nicht wir und nicht hier.

Ich erinnere mich noch an die Zeit, da habe ich mich auf Sonn- und Feiertage gefreut, weil ich wusste, es gibt leckeren Braten. Und freitags war es für mich selbstverständlich kein Fleisch zu essen und stattdessen ,,nur“ Fisch. Es war etwas Besonderes.

Und dann kam das Jetzt. Die Massentierhaltung machts. Zu billigen Preisen steht uns unser täglich Fleisch zur Verfügung. Immer und überall. Ob als Bärchenwurst im Supermarkt oder als Fast Food an jeder Ecke. Da wird sich über zwei Euro für eine Mahlzeit und zehn Minuten Wartezeit aufgeregt. Wir haben doch keine Zeit. Wir genießen nicht, wir schlingen und danach sind wir nicht einmal satt. Komisch.

Wir wollen alles und wir kriegen alles, ohne Probleme und ohne wirklich etwas dafür zu tun.

Aber ist es das, was wir wollen? Macht uns das zufrieden?

Bei dem ganzen zugänglichen Konsum und dem Selbstverständnis, vergessen wir das Wesentliche:

Den Wert der Dinge, das Genießen und die Freude am Leben.

Anstatt sich einfach mal auf Neues einzulassen, halten wir uns an Bequemlichkeit fest und wundern uns dann später über Langeweile, Frustration und Unzufriedenheit. Wir hängen so sehr an unsere Art zu leben, dass wir es gar nicht zulassen, Neues zu entdecken. Woher kann ich wissen, dass mir etwas nicht schmeckt, wenn ich es nie zuvor probiert habe? Und wieso lasse ich mich davon abhalten ein weiteres mal zu probieren, um mich eventuell vom Gegenteil zu überzeugen?

Wir sind Schwarzmaler und Gewohnheitstiere. Haben Angst vor allem, was anders zu sein scheint.

Wir tun so viele Dinge, ohne sie zu hinterfragen. Denken sie seien notwendig, nur weil wir es nicht anders kennen.

Wann haben wir das letzte mal bewusst auf etwas verzichtet, für etwas gespart oder für einen Traum gekämpft?

Und können wir uns noch daran erinnern, wie wir uns gefühlt haben, als wir das erste Stück Schokolade nach einer mehrwöchigen Diät gegessen haben? Oder an das wohlverdiente Bier nach Abgabe der Hausarbeit? Wie haben wir uns nach einer Niederlage gefühlt, die wir nicht einfach so hingenommen haben und stattdessen weitergekämpft haben ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren, mit anschließedem Sieg?

Sind das nicht Gefühle, die uns am Leben halten?

Wir können uns vor neuen Erfahrungen verstecken, und uns über die Einschränkung der Gewohnheit beklagen. Doch ich glaube, dass, wenn wir die Leidenschaft und den Kampf nicht in Kauf nehmen, unser Geist schwach wird, wir die Lebenslust verlieren und letzlich nur zu einem passiven Teilnehmer in unserem eigenen Leben werden.

Kommentare

  1. In Belgien hat eine Stadt (Gent) als Projekt den Veggie-Tag eingeführt. Nicht nur Kantinen, sondern auch Restaurants und andere Anbieter ziehen mit. Jeden Donnerstag. Natürlich gibt es noch Fleisch in den Geschäften und wer es privat noch essen mag, kann es tun, aber es wird für den Donnerstag nichts neu angeliefert.

    Alleine durch diese Aktion, spart Gent mehr Co2 ein im Jahr, als die Autos in der Stadt verursachen. Statistisch gesehen hat Gent inzwischen eine negative Co2 Bilanz und spart so quasi für umliegende Städte mit.

    Ich denke mir, dass der Begriff der Freiheit und auch Bevormundung viel zu inflationär verwendet wird ohne nicht gut genug reflektiert. Wer beschwert sich denn, dass Deutsch unsere Landessprache ist, weil er dadurch bevormundet wird? Vermutlich niemand. Es ist ein Spiel mit der Gewohnheit und die wollen manche nicht ändern, dass sie das auch gar nicht müssten, wird aber ignoriert.

    Wir machen schon, ganz ohne Struktur dahinter Veggie-Tage, einfach weil es auch sinnvoll ist seine Ernährung reflektiert zu begehen. Mal einen Tag verzichten fühlt sich da wie kein Verlust an, weil wir uns dann lieber vor Augen halten, dass wir nicht von Fleisch abhängig sind.

    AntwortenLöschen
  2. Kevin3.6.14

    Da werden aber die eigenen Argumente entkräftet

    "Es geht nicht darum, den Menschen ein schlechtes Gewissen einreden zu wollen, weil sie Fleisch essen"

    Und was macht der Artikel dann im Folgenden? Er weist auf die ökologischen Probleme, die der Fleischkonsum mit sich bringt hin und versucht den Menschen ein schlechtes Gewissen zu machen.

    Am Ende wird es dann ganz theatralisch:

    "Wann haben wir das letzte mal bewusst auf etwas verzichtet, für etwas gespart oder für einen Traum gekämpft?"

    Meine Träume haben doch recht wenig mit meinem Fleischkonsum zu tun, die Kausalverknüpfung ist nicht logisch!

    Ansonsten bin ich aber für einen Veggietag! Man kann aber durchaus besser argumentieren!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Du hast natürlich Recht. Es muss heißen: ,,Es geht nicht darum den Menschen ein schlechtes Gewissen einzureden, weil sie GRUNDSÄTZLICH Fleisch essen."
      Da fehlte in der Formulierung ein entscheidendes Wort.
      Einen bewussten Fleischkonsum möchte ich in keinster Weise kritisieren. Und ich würde auch eher von Aufklärung und nicht von ,Einreden eines schlechten Gewissens' sprechen. Ob sich Jemand nach dem Versuch der Aufklärung schlecht fühlt, hängt nicht von mir ab, sondern von der Selbstreflexion und vom individuellen Umgang mit dem neuen Wissen.

      "Wann haben wir das letzte mal bewusst auf etwas verzichtet, für etwas gespart oder für einen Traum gekämpft?" ist natürlich sehr weit hergeholt und etwas unpräzise, da stimme ich dir zu. Was ich damit sagen wollte:
      Routine langweilt uns Menschen und stellt keine Herausforderung für uns da. Immer und überall bekommen wir (unter anderem) Fleisch. Es ist so selbstverständlich, dass wir den Konsum nicht mehr genießen. Würden wir uns einfach mal vornehmen für eine etwas längere auf Fleisch zu verzichten, gehe ich davon aus, dass uns erstens Fleisch besser schmecken würde und wir uns zweitens besser fühlen, da wir verzichtet haben, in gewisser Weise auch gekämpft oder zumindest gegen den inneren Schweinehund angekämpft haben und das Fleisch quasi als Belohnung für unseren Verzicht gesehen werden kann.

      Vielleicht noch eine kleine Frage zur Verdeutlichung:

      Wann meinst du, bist du dankbarer für Trinkwasser? Momentan oder nach einer mehrstündigen Wanderung durch die Wüste auf der Suche nach Wasser?

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Anmerkungen? Fragen? Wünsche? Schreib gerne einen Kommentar. Ich schaue regelmäßig rein, moderiere die Kommentare aber auch, also bleibt nett.

Vielleicht auch spannend: