Zündung

Vor einiger Zeit habe ich schon über verschiedene Energien geschrieben, die wir haben und brauchen. Die Liste von damals ist vielleicht nicht vollständig.

In einem Auto mit Verbrennungsmotor ist ein ganzes System, welches Energien produziert und austauscht. Da werden Teile bewegt, da wird Brennstoff verdichtet in Zylindern, das wieder rum schiebt Kolben an, die ihre Bewegung dann auf andere Teile übertragen. Ein komplexes System mit vielen Varianten und Faktoren, die über die darüber entscheiden wieviel Energie am Ende entsteht, wie effektiv diese umgesetzt wird und wieviele Ressourcen verbraucht werden. Und ist keine Batterie im Auto, dann geht gar nichts. Und selbst wenn die Batterie im Auto ist, muss noch jemand einen Schlüssel umdrehen oder eine Taste drücken. Die erste Energie die ein Auto anfängt zu bewegen und ans Arbeiten zu bekommen, kommt nicht aus dem Motor. Die Batterie erlaubt erst, dass die Zündung beginnt und die Zündung braucht es, damit der Motor laufen kann.

Die Ressourcen und die Grundlage für alle die andere Energie sind da, aber von alleine und aus sich heraus startet da nichts. Mit uns selbst, mit der Kreativität, ist es da meiner Erfahrung nach ähnlich. Das Anfangen ist manchmal deutlich aufwändiger, als das eigentliche Arbeiten. Selbst wenn wir Willenskraft gerade haben um Kunst zu machen, fällt uns manchmal die größere Menge Willenskraft jetzt zu entscheiden an welches Projekt wir uns setzen wollen. Wir könnten arbeiten, aber wir können nicht gut anfangen. Und das ist der Teil, wo wir unsere Batterien suchen müssen. Etwas, was uns für den Anfang erlaubt, die Kraft für den Start zu finden.

Ich selbst erlebe das regelmäßig auch. Besonders heftig, wenn ich gerade selbst recht geringe Energien habe. Da sind schon schlaue Tools, ich habe Listen auf denen steht was mir hilft, wenn ich gerade mal wenig Energie habe oder Energie gewinnen muss. Und dann steht da zum Beispiel, einen Spaziergang zu machen. Das bedeutet aber eben auch, dass ich raus muss, dass ich mich anziehen muss, dass ich mich für eine Strecke entscheiden muss und plötzlich ist die Belohnung hinter dem Start gefühlt zu gering. Das mir der Spaziergang langfristig viel nachhaltige Energie gibt und ich das eingesetzte vom Anfang auch wieder rausbekomme, das ist zu abstrakt, um mein System zu starten. Eine unterschätzte weil abstrakte Energie in uns drin wird eben verwaltet vom Belohnungszentrum in uns drin. Und wenn das gerade keine sonderliche Freude oder Gewinn darin sieht, dann sind wir schwer zu aktivieren. Dopamin wird oft erwähnt in so Fällen, aber vergessen zu sagen, dass Dopamin nur so lange ausgeschüttet wird, bis wir unser Ziel erreichen. Dopamin gibt uns keine Freude, sondern Vorfreude. Wenn wir zum Beispiel Hunger haben und uns auf ein Sandwich zuhause freuen, dann wird bis zum ersten Bissen Dopamin ausgeschüttet, aber dann kommt eine Senke.

Wie also die Zündung schaffen? Strategien gibt es viele. Durch Vorbereitung zum Beispiel. Je weniger ich machen muss um anzufangen, desto leichter wird es anzufangen. Wenn ich einen Platz habe wo meine Materialien immer liegen bleiben können und ich keinen Raum in der Wohnung suchen muss, dann macht das schon einiges leichter. Vielleicht liegt es sogar schon genau dort, wo ich letztes Mal aufgehört habe. Solche Vorbereitung kann auch bedeuten, uns Entscheidungen der Zukunft dann abzunehmen, wenn wir die Willenskraft dafür gerade noch haben. Wenn ich meine Kleidung schon am Abend vorher rauslege, spare ich diese Energie am nächsten Tag. Wenn ich sogar für meine Arbeit immer die selbe Art Outfit trage, die gleichen Farben, spare ich mir auch da Entscheidungen ein. Die Zündung für wichtigere Entscheidungen hat eine bessere Basis.

Die Sachen verkleinern kann auch helfen. Ins Atelier fahren, die Materialien rausräumen, mich umziehen fürs Arbeiten, eine Idee finden, verstehen wo ich im letzten Projekt war, später aufräumen und das nächste mal vorbereiten, das sind an einem Stück ganz schön viele ganz schön verschiedene Dinge. Und in sich beinhalten sie nochmal ganz viele kleinere Schritte, die verschiedene Energien brauchen. Aber wenn ich mir zwischen die Schritte etwas packen kann, was mir hilft Energie und Momentum aufzubauen, dann kann das helfen. Denn wenn wir ehrlich sind, wenn wir ein Auto einschalten, dann ist es auch nicht sofort in diesem Moment bei Tempo 100. Es muss beschleunigen. Und dazwischen passieren Schritte die dem System erlauben die Energie zu entwickeln, die es braucht um Tempo 100 sicher zu gewährleisten. Also warum sollten wir von Null auf Hundert in Null Sekunden können. Selbst mein Computer muss erst hochfahren.

Die Zündung ist mit zu betrachten. Sie kann von Außen kommen als Energie. Als Druck, zum Beispiel einer Deadline, als Anschub, durch Freund*innen, Hype und Fans, als nächster Schritt nach Erholung, sehr Kreativität entsteht aus Langeweile. Weil da Energie entsteht. Versuch dich mal aktiv zu langweilen eine Stunde lang. Ich glaube es wird schwer, weil dir bestimmt was einfällt. Und manchmal braucht es eben noch mehr Ruhe. Manchmal müssen wir Energien umverlagern. Vielleicht können wir nicht anfangen, wenn wir gerade traurig sind. Weil wir einen Verlust erfahren haben. Dann hat unser Motor gerade ein anderes Problem und braucht andere Energie. Oder weil wir einfach körperlich zu erschöpft sind. Dann sollten wir uns nicht zu hart zwingen und zu streng mit uns sein. Denn das könnte längerfristige Schäden an uns und unserer Kreativität bewirken.

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