Der Wespenstich seines Lebens

Autor: Jay
Verfasst: 06.08.2009

Der Wespenstich seines Lebens

Adrian war nie wirklich ein Glückspilz, aber auch nicht einer, den man einen Pechvogel nennt. Er selbst sprach immer von "konzentrierter Unwahrscheinlichkeit" der er zum Opfer fiel. Unsichtbar und zufrieden bewegte er sich den ganzen Tag durch die Welt, auf der Suche nach einem ganz kleinen bisschen Glück. Gerade soviel, dass er es niemand anderem weg nahm, aber auch soviel, dass er lächeln konnte, wenn er morgens aufstand.
Adrian war ein ruhiger zufriedener Typ. Eine kleine Wohnung in der Stadt mit günstigen Möbeln; ein einfacher Beruf der ihn nicht aufgefressen hat.
In seinen Pausen sitzt er immer in diesem kleinen Café im Schatten der Innenstadt. Obwohl es im Stadtkern ist, ist es nie wirklich voll. Ein Käsebrötchen, ein gekochtes Ei und ein Kaffee. Stiller kalter Wind zieht etwas durch die Bäume. Adrian beobachtet Menschen. Wie sie zu ihren Terminen eilen, oder resigniert auf Steinen sitzen und auf den Boden starren. Wie sie mit ihren Handys am Kopf unbemerkt zusammen tanzen zum Takt klickernder Absätze auf Steinboden.

Dass Susanna ihn umschwärmt merkt er kaum. Es ist ihr erster Tag und sie verschüttet hier und da nochmal was, da sie noch nie gekellnert hat. Immer wieder läuft sie an seinem Tisch vorbei, beobachtet ihn beim Beobachten, mag sein stilles zufriedenes Lächeln und lächelt dann zufrieden still. Egal wie schwungvoll sie an ihm vorbei geht, ihr zauberhaftes Parfum, das wie eine gemischte Tüte voller Süßigkeiten riecht, will sich einfach nicht in seiner Nase verfangen. Ihre einzige Hoffnung bleibt, dass er doch noch einmal Kaffee haben will.
Vom kalten Straßenschluchtenwind getragen, flitzt sie durch das Cafe und steckt alle mit ihrer offensiven frechen Fröhlichkeit an. Ihr Selbstbewusstsein ist fast schon unverschämt, aber vor jemandem der so zufrieden wirkt wie Adrian, da verliert sie ihren Mut. Was sollte sie einem Mann, der kein Hektik hat, der sorglos fröhlich Fremde beobachtet schon geben können?

Horst hatte ein schreckliche Laune. Den ganzen Tag musste er arbeiten, jeden Tag. Seine Chefin gab ihm keine Pausen. Wann immer er zurück in die Zentrale kam, wurde er auch direkt wieder raus geschickt. Ruhe könne man sich nicht erlauben, hatte man ihm gesagt. Die Konkurrenz schlafe ja auch nicht, hatte man ihm gesagt. Horst war das eigentlich egal. Er war nur für ein Jahr beschäftigt. Ab Herbst musste er selbst wieder sehen wie er zu recht kam.
Er war auf Ärger aus. Es war Horst inzwischen egal, ob er am Ende des Tages noch beschäftigt war oder nicht. Er musste seinen Frust raus lassen. Er sah sich um und wollte sich den erstbesten unnötig glücklichen Typen suchen und dem den Tag verderben. Adrian kam ihm da nur gelegen, also steuerte er steil auf ihn zu.

Erschrocken schlug Adrian an seinen Hals und Horst bewusstlos. Er hatte ganz brutal in den Hals gestochen und wollte Adrian zu Boden gehen sehen. "Das ist wieder typisch.", sagte Adrian, der im Schreck aufgesprungen war und seinen Kaffee verschüttet hatte. Durch die kurze Hektik etwas verwirrt, entschied Adrian die nächstbeste Kellnerin nach einem Lappen zu fragen, um seinen Tisch ab zu wischen.
Susanna war sofort bereit zu helfen, sah aber auch besorgt die rasant anschwellende Einstichstelle an Adrians Hals. Zögerlich fragte sie ihn: "Soll ich mich vielleicht etwas um sie kümmern?"

Adrian war nie wirklich ein Glückspilz, aber auch nicht einer, den man einen Pechvogel nennt. Er war eher einer dieser Typen, die Glück im Unglück hatten.

Kommentare

  1. Eine Wespe namens Horst...? :D
    Sehr schön geschrieben, die Geschichte finde ich wirklich toll. Seicht, kurz, was schönes für zwischendurch, sozusagen.

    Man merkt übrigens, dass du langsam eine Art zu schreiben annimmst, die man in jedem Text wieder findet.

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  2. Eine Wespe namens Horst.

    Danke für die Korrekturen.

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  3. Sehr schön!
    Das war's dann für Horst ... Muhahahaha! ;-)

    Seit letztem Wochenende ist jede tote Wespe eine gute Wespe. :D

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  4. Schöne Geschichte, schön geschrieben,
    und auch die Wiederaufnahme des Anfangs, ist ja ein typischer topos, aber gut eingesetzt... macht es wirklich rund. Hab ich bei "Erst nachts sind wir gleich, um wirklich Mensch zu sein" auch verwendet.
    am meisten aber gefällt mir das Parfüm, das nach einer Tüte voll Süßsigkeiten riecht.

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