Bitter aus Leidenschaft

Autor: Jay
Verfasst: 11.01.2010

Bitter aus Leidenschaft


Am Fenster stehe ich und schaue hinaus. Den Jungen der dort im Schnee spielt, den neide ich. Wirft den Schnee hinauf und rennt darunter her, Kälte und Feuchtigkeit ignorierend, als wäre Schnee das größte Wunder, das dem Menschen jemals begegnet ist. Nicht an Krankheit und die Kleidung denkend, nicht über Klimawandel und Eiszeit zweifelnd. Dem wilden Spiel der Flocken und der verrückten Erfahrung von weichem Eis vollkommen erlegen immer und immer wieder im gleichen Vorgang. Nicht beobachtend, nicht beurteilend, einfach handelnd und erfahrend. Weinend und schreiend, als seine Mutter ihn wieder ins warme Heim zieht, ob der Dunkelheit um ihn bei Kakao, Umarmungen und Nachtgeschichten aufzutauen. Geschützt vor der rabenschwarzen Nacht die mir vorm Fenster steht, mich mit sanfter leiser Friedlichkeit lockend.
Am Fenster stehe ich und schaue hinaus. Den Jüngling der dort im Regen an der Haltestelle steht, den neide ich. Stolz seine guten Noten heimtragend, ohne zu verstehen was Wissen ihm mal bedeuten wird, unwissend und frei von Zweifeln. Vom Dopamin in seinem Kopf so unmagisch umspült, sich magisch fühlend, da er mit dieser Note den Stolz seiner Eltern erntet, ohne einmal zu wissen was ihm die Mathematik nutzen soll. Ohne überhaupt entscheiden zu können was denn eben die Mathematik ist. Bescheinigt wissend, aber lebend dumm und glücklich, dadurch aber frei. Die Spannweite einer Erkenntnis nicht verstehend, lächelt er, in Vorfreude eines Fünf-Mark-Stückes, welches er von seiner Großmutter bekommen mag, nur ums es in eineComicheft oder Naschwerk zu investieren. Die Subtraktion seines Guthabens wird ihn dann dabei mathematisch nur noch wenig interessieren.
Am Fenster stehe ich und schaue hinaus. Den Gesellen mit den verwirkten Blumen in der Hand, den neide ich. Seine Liebe durch eine Ablehnung verworfen, aber immer noch naiv in eben solche Liebe glaubend steht er da und weint. Weint nicht ob der Trauer der Ablehnung, weint wissend der kommenden Suche nach Anerkennung, trotz seiner guten Kenntnisse über das gesellschaftliche Protokoll der Liebe und all ihrer Rituale. Der Schmerz in seinem Inneren wird ihn nur freudig anfeuern es besser zu versuchen und sich auf die nächste Gelegenheit zu freuen. Sich selbst einmal für seinen Wohlstand und seine Gesundheit einen Hort zu bauen ist sein Wunsch, ignorierend der Irrationalität solcher Prozesse wie Wünsche.
Am Fenster stehe ich und schaue hinaus. Den gealterten Mann im Morgenmantel, den neide ich nun wirklich nicht. Am Fenster stehend, sein Wissen und seinen Intellekt erkennend, verzweifelt er über die Bitterkeit mit der er sein bisheriges Leben versteht. Verflucht sich still und heimlich dafür, immer dann wenn er hätte fühlen sollen die Wissenschaft gefragt zu haben, wie ein Gefühl wohl funktioniert. Damals dachte er, es wäre Neugierde über die Prozesse des Menschen, aber verlernte schnell, dass Menschsein mehr bedeutet als einen Körper besitzen und benutzen zu können. Küssen wurde Chemie, Charakter wurde Neurologie und Liebe mit all ihren Wahrscheinlichkeiten Mathematik. So konnte er nur einer alleine bleiben mit all seinem Wissen den Gefühlen und Wünschen verweigernd in Anerkennung der kleinen Misserfolge und Enttäuschungen des Lebens. Wann immer etwas nicht zu ihm zurück kam oder wieder zu erlangen war, neidete er eine frühere Versionen seiner selbst, verneinend, dass er sie wohl immer noch in sich tragen könnte. Weder seine kindliche Freude, noch sein jugendlicher Stolz, noch seine ehrliche Liebe kamen zurück, nur das Wissen der Erfahrung blieb und machte ihn zu einem sonderbaren einsamen Wesen, dass sich im Fenster sah. Sich sah und gerne beobachtete und auch verfluchte. Es war noch etwas Liebe in ihm geblieben zum falschen Zwecke.
Bitter aus Leidenschaft.

Kommentare

  1. Ich versteh das Ende nich. Zu welchem Zweck ist denn Liebe geblieben? Sich selbst liebt er nich, alle anderen beneidet er, ... Kann Liebe denn einem falschen Zweck dienen, wenn es ehrliche Liebe ist?

    Oh, und hier und da sind noch ein paar Tippfehler, vor allem gegen Ende zu.

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  2. Text uns Sprachstil/- fluss haben mir sehr gut gefallen. Sehr empfindsam (sicher das falsche Wort, aber im Augenblick erschenit es mir richtig).Ich fühle mich berührt von den Blickwinkeln auf das Selbstverständliche.

    Die Fehler werden ja vielleicht noch korrigiert ;-)

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  3. Ich werde mich bemühen die Fehler als bald als möglich zu korrigieren.

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