Die Täter

Autor: Ulrike
Verfasst: Winterschule 2009

Die Täter

Ich geh auf Schalke. Auch mal n Auswärtsspiel.
Das Highlight: München!
Ankunft: Hauptbahnhof, Gleis 11.
Da stehn sie schon, gebären sich als Gegner.
Groß und breit erwarten sie mich.
Schrein mich an, machen mich nieder!
Am liebsten würden sie uns alle schlagen.
Mich, meine Mutter, meine Schwester. Und das zeigen sie uns.
Ich hab Angst und frag mich:

Wo ist die Polizei?
Ich mein, da muss doch mal die Polizei eingreifen!

Sie beschimpfen dich. Kanake rufen sie. Bist doch eh an allem Schuld
Und flüstern dir ins Ohr: dich kriegen wir auch noch.
Falsche Zeit und falscher Ort. Die anderen freuen sich... endlich mal wieder ein Sündenbock.
Und weil deine Haare dunkel und kraus sind und dein Deutsch besser als das der meisten Hartz4-Empfänger, kriegste eins drauf.
Und wollen dir deine Freunde helfen, kriegen die auch eins drauf.

Aber wo ist die Polizei?
Ich mein, da muss doch mal die Polizei eingreifen!

Stell dir vor du bist Pastor, ok, vielleicht nicht so leicht,
aber versuchs mal.
Du bist also Pastor, gesetzestreuer Bürger – vielleicht in den USA.
Du fährst mit deinem amerikanischen Pick-up irgendwo durch den mittleren Westen.
Plötzlich umzingeln Männer deinen Wagen. Ohne Vorwarnung. Du hast keine Ahnung was hier abgeht.
Männer schreien dich an,
Hunde bellen dich an.
Die Autoscheiben klirren.
Und Taser zischen durch die Nacht.
Dein Gesicht auf dem Boden, gedrückt in die Scherben deiner eigenen Windschutzscheibe.
Blut, Schmerzen und Gezucke. Und du fragst dich:

Wo ist die Polizei?
Ich mein, da muss doch mal die Polizei eingreifen!

Das Mädchen in dem pinken Pulli.
Sitzt da auf dem Boden.
Unbedarft, überzeugt, mutig – mit seinen Freunden.
Große Männer kommen auf sie zu.
In ihren Augen blitzt der Hass. Sie schlagen das Mädchen und schreien sie an.
Sie hauen drauf, bis sie zuckend am Boden liegt. Geschüttelt von Krämpfen. Dann wimmernd – mit ihren Freunden.

Und wo ist die Polizei?
Ich mein, da muss doch mal die Polizei eingreifen!

Er ist Student – na ja, schon verkackt.
Er fühlt sich mies und komisch und der Tag wird nicht besser.
Das hat man halt mal.
Da kommen Leute in sein Haus.
Acht Männer mit Waffen und blutrünstigen Blick
Er ist verwirrt. Was machen die hier?
Sie schlagen ihn, misshandeln ihn und er versteht noch viel weniger.
Und dann, als er sich einem von ihnen zuwendet, schießen sie.
Alle. Und immer wieder. 16 mal. Von hinten.
Ein mal, zwei mal, drei mal und vier mal in sein Bein.
Das Knie zersplittert und zerberstet.
Ein paar mal in den Arm und von hinten durch die Schulter in die Lunge.
Zack, zack, zack. Das Atmen wurde schwer.
Immernoch verwirrt dreht er sich um.
Fünf weitere Kugeln zischen an ihm vorbei und durchsieben ihn.
Und während er zu Boden geht, denkt er noch:


Wo ist die Polizei?
Ich mein, da muss doch mal die Polizei eingreifen!

Und ich ruf: Los holt die Polizei!
Und jetzt stell dir vor der Student heißt Tennessee Eisenberg und die Polizei ist schon lange da.
Sie sind die Täter. Die, die geschossen haben.
Die, die Pastoren tasern, Fußballfans schickanieren, Demonstrantinnen knüppeln, und Demonstranten auch, Ausländer diskriminieren, Studenten durchsieben.

Und keiner holt... ja, wen den bloß?
Die Polizei?

Anmerkung:

Dieser Text ist im Rahmen des "Poetry-Slam"-Workshop auf der Winterschule 2009 entstanden und gehört mit all seinen Rechten dem Autor. Der auf den sich der "Poetry-Slam"-Workshop bezog hieß "Schützen wir die Polizei" und hat Gewalt durch und gegen die Polizei beleuchtet und diskutiert.

Dies ist der Siebte von Sieben Texten die ich veröffentlichen werde. Ich möchte mich nocheinmal bei meinen Teilnehmern für die Erlaubnis bedanken die Texte zu veröffentlichen und mich nochmal für eure tolle Arbeit bedanken. Ich bin stolz auf euch.