Das Ratio in Rationalisierung

"Nee, nee, mach es lieber mit einer Wenn/dann-Funktion, dann können wir nachher vielleicht sogar einen Kettenbrief auf Basis der Excel-Tabelle machen.", gab der Chef seinem Angestellten noch mit, während er ihm freundschaftlich auf die Schulter klopfte.
Vieles hatte sich geändert in den letzten Jahren, man reagierte auf einen neuen Markt, eine andere Lage der Geschäfte. Langsam aber sicher hatte man es geschafft sich vom angeschlagenen Familienunternehmen mit Schwerpunkt in der Produktion in einen Dienstleistungsbetrieb zu transformieren. Mit einer modernen Unternehmensstruktur kamen aber auch ziemlich bald modern Probleme auf. So mussten Mitarbeiter der Produktion umgeschult werden zu Bürokräften, es musste anderer Arbeitsraum geschaffen werden. Mit Blick auf die soziale Schieflage und den schwierigen Arbeitsmarkt brachte es der alte Chef aber nicht übers Herz auch nur einen Mitarbeiter zu entlassen. Damals hielt er eine aufrührende motivierende Rede, dass das "Ratio in Rationalisierung" wieder für Vernunft und nicht Stellenabbau stehen musste.
"Chhhhheeeeeef. Das geht hier nicht, ich kriege zwar die Werte in die Spalten, aber diese Wenn/dann-Sache geht einfach nicht.", rief einer der Elfen den Weihnachtsmann zurück. Dieser machte in seinem roten Anzug wieder kehrt und pustete genervt Luft in seinen Bart. Der Stolz über erhaltene Arbeitsplätze bekam immer einen faden Beigeschmack, wenn er merkte, dass unsterbliche Elfen scheinbar auch eine unsterblich lang Lernkurve hatten. Und wenn es wenigstens nur Excel wäre. Wie oft er schon gehört hatte: "Cheeeef, ich habe das Internet gelöscht!" oder sein aktueller Favorit: "Wo kommt denn das Porto auf die Email?" Es wurde dringend Zeit, eine IT-Abteilung zu gründen.
Der Weihnachtsmann prüfte also die Tabelle auf Fehler und als er sie fand, versuchte er seinem Elfen auch alles zu erklären, dieser hörte aber gar nicht zu und schraubte, schon wieder, an einem Holzspielzeug rum.
Viele seine Mitarbeiter trugen zwar noch das Herz der Weihnacht in sich und arbeiteten gerne hier, auch als Bürokräfte, aber einige vermissten das Handwerk. Aber die Welt war zu nehmen digitalisiert, Geschenke heute technischer als jemals zu vor. Der Weihnachstmann vermochte es nicht zu bewerten, der er glaubt ganz fest, dass man auch ein Handy oder einen PSP mit Liebe schenken konnte. Aber trotzdem beobachtete er mit Sorge, dass manche Elfen sich in den Betriebsferien als Tischler selbstständig gemacht hatten.
Vielleicht hätte er damals auf seinen einzigen nicht-unsterblichen Mitarbeiter, den Nachtwächter,  hören sollen und alles Technische und Digitale outscourcen sollen. Aber ganz wohl war ihm bei einem Weihnachtsmann-Call-Center bis heute nicht. Trotzdem lies er schon von seiner Research and Development Abteilung an einer Handyapp arbeiten. Wunschzettel per Scannercode und Foto als MMS oder digitaler Upload auf einen Weihnachtsserver. Die App wäre natürlich umsonst. Aber wenn seine App-Elfen so arbeiteten wie seine Verwaltungselfen, dann waren diese Bemühungen in jeder Hinsicht umsonst.
"Cheeeeeeffffff. Das Gerät sagt wir hätten Post, im Briefkasten ist aber noch nichts."
Wenn der Weihnachstmann sich etwas zu Weihnachten wünschen dürfte, dann wäre es eine IT-Abteilung.
"Ja, ja, ich komme ja schon."

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