S9
"Ist ihnen das auch schon aufgefallen?" Ich dämmere langsam zurück in die S-Bahn. Was? Wie? Wo? Wer? Die berühmten W-Fragen stellen sich in meinem Kopf auf, aber ich beruhige sie, denn wir sitzen immer noch in der S-Bahn. Eine alte Frau sitzt mir schräg gegenüber, traditionelles Kreuzchen-Schema in der S-Bahn und strickt.
Irgendwo war doch gerade eine Frage, oder? War das nur in meinem Kopf? Ich schaue mich um, da sind keine anderen Leute und meinen Bahnhof habe ich auch nicht verpasst. Wie sehr ein kleines Schläfchen verwirren kann ist immer erstaunlich.
"Ist es ihnen nun auch aufgefallen?", fragt sie mich, ohne auch nur den Blick zu heben. "Was bitte?", reflexe ich eher zurück, als dass ich antworte. Passend mit dem Klickern ihrer Nähnadeln wiederholt sie, was ich scheinbar im Döse-Schlafgemisch nicht mitbekommen habe:
"Wir schlafen in Zügen ein. Oder auch in Bussen und natürlich auch in der Straßenbahn." Ein "Und?", liegt mir auf den Lippen, aber da ihr auch noch weiteres auf dem Herzen liegt, schweige ich. "Wie einfach wäre es, uns zu beklauen oder uns etwas an zu tun. Trotzdem vertrauen wir. In der Öffentlichkeit. Würden wir Schnarchen, wäre es uns später unangenehm, aber niemand würde etwas sagen. Es würde geduldet. Und wir vertrauen. Obwohl wir so verwundbar sind. Ist ihnen das auch schon aufgefallen?"
Ich schüttele den Kopf. Dabei vermisse ich eine schlagfertige kluge Antwort, aber alle meine Worte werden von der Müdigkeit weggedämmert. Trotzdem hat die alte Frau recht. Es ist schon kurios.
"Sehen sie, die Bahn ist irgendwie ein Gemeinschaftsraum. Wir können nicht leugnen, dass die anderen da sind. Das zwingt uns nicht, uns für sie zu interessieren oder für sie verantwortlich zu fühlen. Trotzdem würden sie doch reagieren, wenn man mir die Tasche stehlen würde oder mich angreifen." Natürlich würde ich dass und ich nicke. "Und das, hat mein Mann früher immer gesagt, ist es, was uns zu Menschen macht. Weil wir uns kümmern und sorgen, wenn der andere verwundbar ist." Ich beginne zu lächeln.
"Er hat recht.", versichere ich der Frau und sie stoppt das Klackern der Stricknadeln für einen Moment, um mit dem Finger auf die Tür zu zeigen: "Und das ist ihre Haltestelle."
Aus der S9 steige ich zwar aus, aber die alte Dame in mein Gedächtnis ein.
Irgendwo war doch gerade eine Frage, oder? War das nur in meinem Kopf? Ich schaue mich um, da sind keine anderen Leute und meinen Bahnhof habe ich auch nicht verpasst. Wie sehr ein kleines Schläfchen verwirren kann ist immer erstaunlich.
"Ist es ihnen nun auch aufgefallen?", fragt sie mich, ohne auch nur den Blick zu heben. "Was bitte?", reflexe ich eher zurück, als dass ich antworte. Passend mit dem Klickern ihrer Nähnadeln wiederholt sie, was ich scheinbar im Döse-Schlafgemisch nicht mitbekommen habe:
"Wir schlafen in Zügen ein. Oder auch in Bussen und natürlich auch in der Straßenbahn." Ein "Und?", liegt mir auf den Lippen, aber da ihr auch noch weiteres auf dem Herzen liegt, schweige ich. "Wie einfach wäre es, uns zu beklauen oder uns etwas an zu tun. Trotzdem vertrauen wir. In der Öffentlichkeit. Würden wir Schnarchen, wäre es uns später unangenehm, aber niemand würde etwas sagen. Es würde geduldet. Und wir vertrauen. Obwohl wir so verwundbar sind. Ist ihnen das auch schon aufgefallen?"
Ich schüttele den Kopf. Dabei vermisse ich eine schlagfertige kluge Antwort, aber alle meine Worte werden von der Müdigkeit weggedämmert. Trotzdem hat die alte Frau recht. Es ist schon kurios.
"Sehen sie, die Bahn ist irgendwie ein Gemeinschaftsraum. Wir können nicht leugnen, dass die anderen da sind. Das zwingt uns nicht, uns für sie zu interessieren oder für sie verantwortlich zu fühlen. Trotzdem würden sie doch reagieren, wenn man mir die Tasche stehlen würde oder mich angreifen." Natürlich würde ich dass und ich nicke. "Und das, hat mein Mann früher immer gesagt, ist es, was uns zu Menschen macht. Weil wir uns kümmern und sorgen, wenn der andere verwundbar ist." Ich beginne zu lächeln.
"Er hat recht.", versichere ich der Frau und sie stoppt das Klackern der Stricknadeln für einen Moment, um mit dem Finger auf die Tür zu zeigen: "Und das ist ihre Haltestelle."
Aus der S9 steige ich zwar aus, aber die alte Dame in mein Gedächtnis ein.
Wo du Recht hast...
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