Ein Blick in die Zukunft
Oder: Originalität ist, wenn man trotzdem lacht
Anfang 2015:
"Der Journalist ist nun da.", meldet meine Assistentin. Ich ziehe nochmal meinen Mantel zu Recht, trinke einen Schluck Wasser und mache einen großen Schritt raus aus dem Raum meines Managers.
"Wir hatten uns gedacht,", sehr freundlich schüttele ich auch die Hand eines Fotografen, der mit umgedrehter Base-Cap sehr klischeehaft daher kam, "dass wir ein Stück gehen und sie dann am See des Kruppparks ablichten. Da halten sie sich doch gerne auf, oder?" Die Journalistin war noch sehr jung und sichtlich aufgeregt, ich verstellte meine Stimme etwas, so wie ich es gewohnt war und antworte, zu Gunsten der Lockerheit: "Ist das schon Teil des Interviews?"
Wir gehen also in Richtung des Kruppparks, es wird lange geschwiegen, die junge Journalistin müht sich ihre Fragen zu sortieren. Auch mal mit dem Wunsch getrieben Journalist zu werden, bekomme ich ein wenig Mitleid und versuche ihr behilflich zu sein: "Wollen wir vielleicht schon mit ein paar Fragen beginnen?" - "Ja, ja, natürlich. Aber darf ich, bevor ich die Aufnahme starte", sie zeigte mir als belastenden Beweis ihr Diktiergerät, "Ihnen eine formelle Frage stellen?" Ich nickte langsam und bedächtig, wie sie es wohl von mir erwarten würde. "Spreche ich sie mit Herr Herzog oder Der Herzog oder einfach nur Herzog an?" Vor meinem Erfolg hätte ich Bullet Tooth Tony aus Snatch zitiert: "Sie können mich auch Susi nennen, wenn es sie glücklich macht.", aber in dieser Rolle war ich wohl zu etwas mehr Dezentheit verpflichtet: "Sagen Sie einfach Herzog, das andere wirkt so förmlich." Weil Herzog natürlich total unförmlich ist.
MTV : "Herzog, Sie haben gerade ihr zweites Album Das Herz schlägt in unserer Sonne herausgebracht und sind damit direkt auf die Nummer 1 der deutschen Album-Charts eingestiegen. Kam das für sie überraschend?"
Jay....ach nee, stimmt ja nicht mehr,
Herzog: "Natürlich war es eine große Überraschung und ich freue mich auch sehr, aber viel wichtiger ist es mir, dass ich die Menschen auch berühre mit meinen Texten."
MTV: "Das betonen Sie sehr oft und eigentlich in jedem Interview, was wollen sie den Menschen mitgeben?"
Herzog (schaut in den Himmel): "Mit-geben gar nicht so viel. Ich möchte den Menschen eher alles zurückgeben. Die Liebe, das Leben, das Gefühl. Wir lassen uns heut zu Tage viel zu wenig berühren."
MTV: "Kann Musik das leisten?"
Herzog: "Natürlich. Musik ist so stark und es ist immer so viel Gefühl in ihr, wenn sie gut gemacht ist, dass wir damit alle Menschen erreichen können."
MTV: "Es ist wenig über Ihr Privatleben bekannt, Sie schirmen sich sehr stark gegen die Medien ab. Ist der Herzog privat vielleicht ein ganz anderer Mensch?"
Herzog: "Das kommt ja ganz darauf an, was für einen Menschen sie in mir in der Öffentlichkeit sehen."
MTV: "Sie gelten als verträumt, traurig, nachdenklich und intelligent. Ihre präzise Wortwahl zeugt auch von ihrer Belesenheit und ihre Fans lieben sie für ihre starken Worte."
Herzog: "Ist Liebe nicht ein sehr starkes Wort? Aber ja, sie lieben mich überalles und ich liebe sie natürlich auch. Meine Fans sind mir sehr wichtig."
MTV: "Würden sie sagen, Ihre Fans sind der Schlüssel zu ihrem Erfolg?"
Da ist er, der perfekte Moment. Tue es. Tue es jetzt. Entscheide dich, entweder es geht immer so weiter oder es endet genau jetzt.
Herzog: "Nein. Das sind die Leute an den Reglern im Tonstudio. Die Fans spielen nur eine Rolle: Die kaufen das Zeug.
MTV: "Bitte?"
Herzog: "Und mein Textschreiber. Sehen sie, seit Tim Benszko und Max Prosa endlich im Stimmbruch angekommen waren, wollte die keiner mehr hören. Schreiben konnten die Jungs aber ganz okay. Also schreiben die dieses ganze emotionale Zeug für mich."
MTV schweigt an dieser Stelle. Die junge Journalistin droht von Innen heraus zu explodieren.
Jay: "Sehen sie, ich habe in einem Irish Pub beim Karaoke mitgemacht - Wette verloren, Ich hasse es zu singen, weil ich meine Singstimme schrecklich finde - um dem Ausdruck zu verleihen, habe ich wie das Walross aus Urmel aus dem Eis gesungen. Kann ich ja nicht ahnen, dass da irgendsoein Musikindustrieheini sitzt und mich anspricht. Der meinte, ein zweites Unheilig wäre die große Nummer auf dem Musikmarkt. Ich habe nur was von Geld gehört und war an Bord."
MTV: "Sie geben zu, dass sie Unheilig kopieren?"
Jay: "Sie geben zu das der Graf wie das Walross aus Urmel aus dem Eis singt?"
MTV: "Öhm."
Jay: "Natürlich gebe ich das zu, sind sie bei dem Bandnamen "Nicht ganz koscher" nie skeptisch geworden? Was meinen sie denn, warum wir so heißen?"
MTV: "Öhm."
Jay: "Sehen sie, es gibt einen Grund, warum das inzwischen Musikindustrie heißt. Nicht wegen dem vielen Geld, sondern weil hier Dinge an Fließbändern produziert werden und was erfolgreich ist wird halt kopiert und was nicht erfolgreich wird, geht halt in die Insolvenz. Dann wird für den Erfolg das selbe Produkt unter anderer Marke verkauft, einen Euro billiger und die Leute rennen Ihnen die Geschäfte ein."
MTV blättert nervös durch vorbereitete Fragen, versucht sich damit zurück zu retten.
MTV: "Herzog,"
Jay: "Sagen sie Jay, diese Herzognummer beendet sich morgen früh in der Bildzeitung eh von alleine, wenn die ins Jagdhorn stoßen."
MTV: "Was sind ihre Pläne für die Zukunft?"
Jay: "Ich nehme die Kohle und setze mich mit meiner Freundin irgendwohin ab, wo mich keiner kennt. Dann schaue ich mir im Internet an, wie sich die Geschichte noch hundert mal wiederholt.
Sollte ich noch Musiker bleiben können, würde ich gerne irgendwas mit einem fragwürdigen Rapper machen. Vielleicht Fler. Zusammen ein Album rausbringen, dann nennen wir uns Flerzog. Ich singe, er rappt, wir machen uns über Minderheiten lustig und sacken zusammen nochmal fett Kohle ein."
MTV: "Danke, für dieses Interview."
Jay: "Ich habe zu danken."
Anfang 2013, in einem Irish Pub:
"Boah Jan, du hättest einfach auch sagen können, dass du nicht singen willst, anstatt uns mit so einer Geschichte voll zu seiern."
Jay: "Ich wollte nur sicher gehen, dass ihr versteht weshalb ich nie singen werde."
Sehr cool! :D Und wann kommt deine fb-Fanseite?
AntwortenLöschenVermutlich nicht mehr dieses Jahr, aber ich bereite sie und damit verknüpft auch anderes vor.
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