5:00 Uhr

 Das letzte Mal dass ich in meiner Erinnerung eine Nacht durch gemacht habe, war in diesem nicht gut gemachten Jahr meiner Ausbildung. Ich habe meine wichtigen Aufgaben und schriftlichen Abgaben schleifen lassen und mich nicht gut darum gekümmert. In Folge dessen habe ich dann manchmal in der Nacht vor der Abgabe durchgearbeitet. Und das ist leider nicht nur ein Mal passiert. Und auch nicht nur zwei oder drei Mal. Es war sehr oft. Am Ende des Jahres fehlte mir fast ein ganzer Monat an Nächten und ich habe einen falschen Stolz mit mir herum getragen. 

Irgendwann in den letzten Jahren habe ich nach sehr langer Zeit meinen Schlaf gut gefixt bekommen. Schon in meiner Kindheit und Jugend hatte ich Schlafstörungen und wenig funktionierenden Mittel diese zu beheben. Inzwischen kann ich, wenn ich will, ziemlich direkt einschlafen an jedem Abend. Sogar wenn ich nicht perfekte Einschlafhygiene halte. Also noch vorm Schlafen am Handy hänge oder das Gerät mit im Raum habe. Auch wenn neben mir das Kind schnarcht schaffe ich es irgendwie zur Ruhe zu finden und einzuschlafen. Und auch - ganz großer Privileg - wenn der kleine Mensch eine unruhige Nacht hat und mich manchmal weckt, bin ich ziemlich ausgeruht am nächsten Morgen. 

Während ich das hier schreibe, habe ich seit langem mal wieder eine Nacht durchgemacht. Und es gab einen kurzen Moment in der Nacht wo ich dachte, dass ich gerade voll meine (mentale) Gesundheit damit gefährde, meinen erarbeiteten Turnus und auch all meine Energie. Aber dann gibt es da eben diese wilde Sache die unsere Energien betrifft, vor allem unsere Willenskraft: Um diese aufzuladen gibt es Dinge, die uns Energie geben, aber eigentlich nicht gut für uns sind. Ja, mit Freund*innen Alkohol trinken gehen ist irgendwie nicht gut für den Körper, aber es füllt eben unseren Willen wieder auf. Es gibt uns dann wieder die Energie in Zukunft Entscheidungen treffen zu können. Nicht für alle ist dabei es so ein sozialer Event. Für manche ist es dieses eine gute Essen, oder in Ruhe lesen oder an der geheimen Stelle im Wald sitzen oder einige Stunden Serien schauen. Und für mich ist es eben scheinbar ohne einen Zeitdruck und Termin hinten dran einfach die Nacht verdaddeln zu können. Denn ich war mehrere Stunden in einem Fokus auf ein Videospiel, dass mir richtig Spaß gemacht hat. Viel mehr, als wenn ich auf die Uhr gucken muss. 

Das geht auch, weil ich in diesen Tagen in einer Situation bin, in der ich wenig Verantwortung tragen muss. Das Kind ist mit dem anderen Elternteil unterwegs, ich habe Urlaub auf der Arbeit, meine Verantwortungen im Haushalt habe ich heute schon zu großen Teilen erledigt. Und auch wenn ich wenig Verantwortung hatte, darf mensch nicht unterschätzen, wie viele Entscheidungen wir dabei immer noch treffen. Was wir essen, trinken, anziehen, was wir als nächstes machen, jede Entscheidung im Spiel, welches Buch wir lesen, welchen Stift wir nehmen, ob wir unserer Ex oder unserem Crush jetzt noch eine Nachricht schicken. Alles relativ klein, aber eben auch Entscheidungen die von unserer Willenskraft abbuchen. Und ich habe sogar in den letzten Tagen einige größere Entscheidungen treffen müssen. Eine gewisse Erschöpfung hatte ich schon im Rucksack. 

Jetzt habe ich also eine Nacht durchgemacht und ich werde versuchen sehr genau auf meine Bedürfnisse und meinen Körper zu hören, weil der fehlende Schlaf sich doch eben auch bemerkbar machen wird, aber meiner Seele, der geht es gerade gut, weil ich mich dafür entschieden habe etwas "dummes" zu tun, um mir etwas gutes zu tun. Und zu erforschen ob es sowas für uns gibt, ob es etwas gibt was das eigentlich sein könnte, wenn wir nur das Framing  ändern, das kann sehr wertvoll sein. 

Es ist jetzt 5:19 Uhr. Ich hatte die Energie diesen Artikel zu schreiben und konnte mich dafür entscheiden. Vermutlich schreibe ich gleich auch noch weitere. Wäre ich schlafen gegangen, hätte das vielleicht nicht geklappt.