Grind
Vorne weg mag ich sagen, dass Bro-Culture und Selbstoptmierer*innen dieses Wort aus meiner Sicht ganz schön beschädigt haben. Weil sie es romantisiert haben. Weil sie es verwenden, aber nicht mit Inhalt ausfüllen. Manchmal glaube ich dass das passiert, sobald ein Artikel davor steht. (In der Überschrift stand erst einer, ich habe ihn dann mit diesem Gedanken gelöscht). Denn "der Grind" macht ihn so fest und solide, der bestimmte Artikel mauert die Ränder des Begriffes ein. Bei anderen nicht-abstrakten Begriffen merkt mensch es sofort. "Kannst du die Schlüssel holen?" und "Kannst du Schlüssel holen?" macht schon einen großen Unterschied. Die komischen Burnout-Fan-Clubs wollen also "den Grind", einen ganz bestimmten, harten unflexiblen.
Ich kenne Grind als Begriff aus dem Gaming. Es ist eine Aktivität die recht gleichförmig ist und oft nur dem Entwickeln und Verbessern der eigenen Spielfigur(en) dient. In manchen Spielen ist das Teil des Erlebnisses, in anderen können wir selbst entscheiden ihn mit rein zu nehmen. Weil manchmal Grind ausgleichen kann, was wir später im Spiel an Skill bräuchten. Statt also auf dem höheren Niveau zu agieren, bleiben wir noch auf der Stufe darunter, üben dort aktiv und schaffen so bessere Ressourcen um dann auf dem höheren Niveau auf diese zurückgreifen zu können. Grind beinhaltet dabei oft, dass er viele Wiederholungen beinhaltet. Wer sorgfältig in den Alltag schaut, findet Grind auch dort. Denn bestimmte Prozesse wiederholen sich, wir arbeiten sie auf eine Qualität, wo wir sie nicht mehr bewusst, sondern unterbewusst beherrschen und nicht mehr darüber nachdenken müssen.
In der Kunst kann der Grind sehr unterschiedlich aussehen. Das hängt davon ab, was wir tun müssen, um uns auf die nächste Stufe vorzubereiten. Skizzen von Händen machen, um dann irgendwann das Bild oder den Comic richtig malen zu können, das kann Grind sein. Bücher lesen zur Recherche kann Grind sein. Jeden Tag ein Gedicht schreiben kann Grind sein. Jeden Tag die Emails checken und bearbeiten. Den Text proben. Sport machen. Stimmübungen. Das vergängliche Material pflegen. Die Technik überprüfen. Die Noten nochmal durchgehen. Und nochmal. Und nochmal. Und nochmal.
Grind meint eigentlich, wenn wir Splitter und anders abschleifen. Deshalb heißt es auch beim Skaten "Grinden" wenn die Leute über Kannten und Handläufe und Geländer rutschen mit ihrem Baord oder Inlinern oder den Achsen ihres Fahrrades. Weil sie die Oberfläche quasi entlang schmirgeln. Gott, wie anders die Gespräche wären, wenn wir es "den Schmirgel" und "Schmirgeln" nennen würden. Aber das ist was wir tun, wenn wir es tun. Wir schleifen die Grobheiten ab. Alles wird geschmeidiger, bei den nächsten Malen ist es angenehmer anzufassen und läuft schneller durch.
Jeden Tag meine Pages schreiben, jeden Tag einen Blogartikel, das ist mein Grinden. Sobald ich etwas für die Bühne schreiben will oder kunstvolleres als einen Artikel oder mein Journal, sind meine Gelenke und Hände und Gedanken schon vorbereitet und laufen gut durch, weil ich sie jeden Tag verwende. Die beweglichen Teile haben wenig Verunreinigungen. Denn auch das macht Grinden, den Schmutz entfernen.
Funny. Dachte auch an Skaten, früher. Und da wurde Wachs benutzt, um die Kanten glatter zu machen, damit sie weniger bremsen. Als Gleitmittel sozusagen, was eben auch beim Kunst machen manchmal nötig sein kann. "Wachsen" scheint mir in dem Kontext auch mit doppelter Bedeutung gut ins Bild zu passen.
AntwortenLöschenMeines Wissens nach macht das einschmieren mit Wachs nicht die Kanten glatter, sondern füllt Risse und Unebenheiten im Material auf, die durch den Verschleiß aufkommen. Diese Pflege ist natürlich trotzdem wichtig.
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