Rezension: Biographie Steve Jobs

Quelle: btb Verlag
Steve Jobs war ein Arschloch.

Das ist das grundlegende Fazit, dass ich über den Menschen Steve Jobs nach dem Lesen seiner Biographie "Steve Jobs: Die autorisierte Biographie des Apple-Günders" von Walter Isacsson ziehen kann. Zum Glück bietet dieses Buch darüber hinaus allerdings noch viel mehr als nur das Privatleben Jobs, das mich, gelinde gesagt, weniger interessierte.
Doch im Zusammenspiel mit der Technik- oder gerne auch IT-Geschichte, die diese Biographie ebenso ist, ergeben sich spannende Zusammenhänge und Einblicke. Erst durch diese zweite Seite der Geschichte des Steve Jobs wurde die Biographie lesenswert für mich und gereicht somit auch zu einer Empfehlung.

Zunächst stellt sich das Buch jedoch als Freudenfest für Küchenpsychologen dar. Der abgestoßene Sohn, der erst viel später erfährt, wer sein wahrer Vater ist, diesen jedoch nie akzeptieren wird – und später, bei seiner ersten Tochter, exakt genauso handelt – bietet genügend Grundlagen, um über seinen Charakter zu urteilen und gerne das Fazit zu ziehen: „Kein Wunder, dass er so geworden ist, wie er war.“

Doch dann, ja dann begegnet er Steve Wozniak und die Geschichte wird endlich spannend, das Private beeinflusst plötzlich das Berufliche. Steve Jobs war nie ein guter Ingenieur, verstand nur genügend von dem Innenleben seiner Produkte, um die wahren Technikgurus anzuweisen, an ihre Grenzen zu gehen. Er war vielmehr ein begnadeter und gnadenloser Marketer und schuf immer wieder den Markt für Produkte, die plötzlich jeder haben wollte. 

Zu verdanken hatte er dies seinem hervorragenden Instinkt und seiner Fähigkeit, seinen Willen durchzusetzen, Leute zur Verzweiflung zu bringen aber auch anzutreiben und, dass wird durch die Biographie eigentlich nur indirekt klar, erkannte er Talent, förderte es und holte sich die Besten ins Boot. Das war unter Jobs das gesamte Geheimnis: Gute Leute sammeln, sie bis an den Rand ihrer Kreativität treiben, hochwertige (und das sind Apple-Produkte zweifellos bis heute) Produkte zu produzieren, einen Markt für diese zu schaffen und brillant zu vermarkten. 

Einen Twist erhält diese Geschichte aber doch noch: Die Wahrheit hinter den Diebstählen, die Jobs in zahlreicher, zuweilen frecher Art betrieben hat. Viele grundlegende Techniken und Entwicklungen entstanden – insbesondere in der Apple-Anfangszeit – nicht beim Unternehmen mit dem Apfel-Logo selbst. Andere Unternehmen waren jedoch einfach zu dumm oder zu schlecht, deren Potenzial zu erkennen und entwickelten in die falsche Richtung. Etwas, das Jobs erkannte, änderte, und den Erfolg einheimste. 

Besonders interessant ist in dieser Hinsicht natürlich der ewige Vergleich zwischen Apple und Microsoft, in den Hauptrollen Steve Jobs und Bill Gates. Eine Hassliebe, wie sich herausstellte, zusammengehalten durch immensen gegenseitigen Respekt. Vor allem die unterschiedliche Philosophie beider IT-Riesen wird hier unterhaltsam dargestellt: Microsoft mit seinem offenen System, bei dem die Software der Hardware zuarbeiten muss, während Jobs mit Apple immer den Weg des geschlossenen Systems gegangen ist, mit beschränkten Hardwarekomponenten, die in Zusammenarbeit mit der Software perfekt abgestimmt wird. Und, was Apple immer schon besser konnte: Das Design. Apple hat schicke Produkte und die Biographie verwendet einen nicht unerheblichen Teil der Seiten dazu, zu erläutern, wie eng dies mit der buddhistischen Lebenseinstellung Jobs zu tun hatte.

Wer entsprechend an der Person Jobs, dem Unternehmen Apple, vor allem aber der in den 1980er, 90er, und 0er Jahren sehr spannenden Entwicklungen in der IT-Branche interessiert ist, sollte zu dieser Biographie greifen. Übrigens auch diejenigen, die immer schon wissen wollten, was Jobs Musikgeschmack mit der Entwicklung von iTunes zu tun hat oder welchen Einfluss er auf Pixar und die Entwicklung der Animationsschmiede (kurz gefasst: einen sehr großen) hatte.

Probleme werden nur diejenigen haben, die sich von einer Biographie auch etwas Emotionales versprechen. Dies ist durch dieses Buch nicht gegeben, das kaum zu berühren weiß, was auch mit seinem arschigen Protagonisten zu tun hat. Zugleich ist die Sprache sehr sperrig, zuweilen sogar arg dröge, auch wenn ich die bereits überarbeitete Übersetzung lesen konnte. Dennoch bietet sie immenses Potenzial für ein hochspannendes Bio-Pic. Ja, es gibt bereits einen solchen Film, der mich aber nicht interessiert. Ich warte auf die Ausarbeitung durch Alan Sorkin (der auch schon Drehbuchautor für "Social Network" war).

Für das volle Verständnis und die definitiv vorhandene Wirkung Jobs sollten Nicht-Appleianer (die wahrscheinlich sowieso jede Präsentation kennen) des Öfteren auch Youtube (vom bösen, bösen Google – auch ein Thema der Biographie) besuchen und sich die zahlreichen Keynotes oder auch alten Apple-Werbespots ansehen, um das Wirken und die Art Jobs vollends nachzuvollziehen - mir hat es sehr geholfen und zum Verständnis beigetragen. Zu empfehlen seien hier Jobs Rede an der Stanford Universität, die Präsentation des ersten iPhones sowie der zu der Zeit tatsächlich revolutionäre Werbespot zum Super-Bowl.  

Anmerkung: Vorbereitet auf einem Apple iMac mit Office 2010, zu Ende geschrieben auf einem Sony (diese Idioten, was die alles an Innovationen verschenkt haben) Vaio Laptop mit Office 2013, immer noch Microsofts Flaggschiff in der Software-Sparte – das zunächst exklusiv für Apple-Geräte entwickelt wurde.

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