Ready for Titanfall!


Die Zukunft des Ego-Shooters ist also da. Was werbewirksam ein ziemlich dümmlicher Slogan war, denn wenn es jetzt da ist, ist es die Gegenwart und die hat bekannterweise nur eine geringe Haltbarkeit, bis es schon wieder die Vergangenheit ist. Gerade auf der XBoxOne ist es aber doch die Zukunft, da es gegenwärtig auch das Spiel ist das sowohl den meisten natürlichen, als auch künstlichen Hype erfährt. Ist das auch zu recht so?
Ja.
Nein.
Doch, schon. Es ist nämlich ziemlich gut. Und warum ist es so gut?

Weil es alle Taktik-Shooter ist, die es jemals gab.
Wirklich. Gerade die Wurzeln in Call of Duty sind deutlich zu spüren. Was ich anfangs nicht mal als Vorteil empfunden habe. Immerhin gab es immer gute Gründe, warum ich diese Titel habe liegen lassen. Aber hier ist es okay. Es gibt die Stufenaufstiege und damit passive und aktive Fertigkeiten für die Figur. Schnellerer Sprint, Radar mit dem Spieler durch die Wand gesehen werden können und so weiter. Keine bösen Überraschungen, gute Ergänzungen zum eigenen Spielstil. Außerdem natürlich immer wieder neue Waffen, die manchmal den Hauch Zukunft erahnen lassen, in dem dieses Spiel spielen soll.
Ansonsten grundsolides Taktik-Ego-Shooter-Machwerk. Aber deshalb ist es nicht so gut.

Weil es Pokemon ist.
Wirklich. Es gibt zwar nicht das selbe Sammelfieber, aber hey: Ein mächtiger Kampfroboter steht einem zur Seite. Im K.I.-Modus bleibt mensch selbst als Schütze agil und der Titan kämpf selbstständig weiter. Dabei folgt er entweder seinem Trainer oder kann als Wachhund an einem bestimmten Punkt der Karte geparkt werden. Sollte er dabei besiegt werden, kommt der Titan zurück ins Pokecenter und darf sich erholen, bis er nach drei Minuten wieder ganz fidel auf der Matte steht.
Wer eher kleine Pokemon mag, kann aber auch die Spectre-Bots hacken, die nach einiger Zeit auf der Karte auftauchen. Die kämpfen dann auch für einen. Oder die feststehenden Geschütze. Hauptsache es ist aus Metall und kann kaputt gehen.
Nicht sehr materialeffizient, was ironisch ist, geht es laut Story doch um einen Ressourcenkonflikt. Ja, die Story passt auch zu Pokemon. Die ist bei Titanfall nämlich ähnlich dicht wie bei dem alten Gameboy-Klassiker. Na gut, das ist unfair. Pokemons Geschichte war besser als die von Titanfall, da gab es wenigstens Charaktere mit Ambitionen. Bei Titanfall ist man selbst in der verpflichtenden Kampagne nur ein Nebendarsteller einer Geschichte, die in langen Untertiteln und nervenden Funksprüchen erzählt wird.
Aber wenn die Geschichte und die Kampagne nicht so überzeugen, weshalb ist es dann so gut?

Weil es ein Trading Card Game ist.
Nicht ganz, aber tatsächlich ist Titanfall ein Shooter, in dem es Karten gibt. Diese heißen Burn Cards und erlauben es innerhalb einer Spielrunde besondere Eigenschaften oder verbessertes Equipment zu bekommen. Genau ein Leben lang, dann verbrennen diese und sind auch nicht mehr im Equipment. Um aber das Gefühl von aufgerissenen Booster-Packs aufkommen zu lassen, gibt es für einige der Herausforderungen im Spiel immer mal wieder Karten zu gewinnen.
Zum Beispiel wenn mensch genug Titanen mit der gesonderten Titanabwehrwaffe gegrillt hat. Oder aber halt oben erwähnte Spectre hackt. Oder mit der Schrotflinte feuert. Oder im Startmenü die A-Taste drückt. Es ist kaum möglich, keine Burn Cards zu bekommen. Es ist auch kaum möglich die Karten so schnell zu verbrauchen, wie mensch sie bekommt.
Die Karten können aber helfen entweder den eigenen Spielstil breiter zu machen, in dem eine Eigenschaft verbessert wird, in der der Spieler nicht so gut ist ooooder aber auch den eigenen Spielstil spitzer zu machen und spezialisierter. Ist es jetzt wegen den Spielkarten so gut? Nein.

Weil es ein Michael Bay Film ist.
Es ist eine Runde "Hardpoint". Unser Team führt sehr knapp, aber wir haben zwei der drei zu erobernden Punkte eingenommen. Um den Vorteil endgültig auf unsere Seite zu ziehen, müssen wir Hardpoint Bravo einnehmen. Dieser liegt in einem Gebäude umgeben von Hauptstraßen. Mein Titan ist noch nicht wieder einsatzbereit, aber ein Teamkollege ist mit seinem Titan auf dem Weg zu Bravo. Ich springe mit dem Doppelsprung auf die Schultern seines Kollosses und begleite ihn.
Zügig rumpeln wir durch die Straßen und während der Große sich mit Leuten in seiner Größe anlegt, kann ich mit einem glücklichen Schrotflintenschuss verhindern, dass ein Spieler mein Taxi sprengt.
Am Zielpunkt hüpfe ich von seinen Schultern gegen eine Wand, renne diese entlang, um dann durch ein Fenster direkt zum Hardpoint zu sprinten. Ein graues Flimmern befiehlt mir zu feuern, da dort ein getarnter Spieler sitzt. Mit Glück übertölpele ich ihn, aber als ich auf dem Radar erkenne, dass der Feind anrückt, bekomme ich Zweifel. Vor allem, da zwei feindliche Titans anrücken. Unser Dicker ist zwar noch draußen, aber das wird nicht reichen. Durch den Abschuss hat sich aber die Reperaturzeit meines Titans verkürzt und ich kann ihn gleich rufen.
Und mit rufen meine ich, dass ich ihn rechtzeitig in die anderen feindlichen Titans reinregnen lassen kann, damit diese in einem wunderschönen Feuerball aufgehen.
Und das ist nur einer der typischen Spielmomente von Titanfall. Es ist schon schwierig in Titanfall keinen besonders coolen Moment zu haben. Allerdings sind es auch so viele, dass sie schnell inflationär wirken. Wie soll das besondere noch herausstechen, wenn alles besonders ist? Warum ist es denn jetzt so gut?

Weil es ein Tutorial ist.
Es wird zum Glück nicht durchgehend und wiederholt die Steuerung erklärt, aber Titanfall macht etwas, was die anderen Taktik-Shooter versäumt haben: Es motiviert den Spieler wieder den Anschluss in die Partie zu finden. Wenn die anderen Spieler einem total über sind und es kein Durchkommen gibt, kann mensch den Kampf erstmal gegen die K.I.-Gesteuerten Soldaten und Spectres führen. Die erlauben auch Fortschritt im Spiel und geben auch Punkte.
So kann jeder nach einer Dürre in einer Runde sich wieder warm schießen.
Und auch die Tatsache, dass der Titan nicht gesteuert werden muss, sondern der mechanische Bud Spencer auch ganz gut alleine klar kommt, dabei aber auch für einen punktet, hilft ungemein. Auch ohne Freunde online, denn anders lässt sich der Titel nicht spielen, kommt immer das Gefühl auf, einen Flügelmensch zur Seite zur haben. Und das macht Titanfall so gut? Nein.

Weil es ein Long Island Icetea ist.
Und das in jeder Hinsicht. Der Long Island ist der Cocktail, der so ziemlich jeden denkbaren anderen schmackhaften Alkohol in sich trägt. Und das macht es so leicht ihn zu mögen, denn wenn die Mischung stimmt, schmeckt es vorzüglich. Und berauscht.
Und da kommt die andere Hinsicht, denn irgendwie fühle ich mich nach einigen Runden Titanfall auch verkatert. Es ist eine mächtige Mischung, aber manchmal ist es einfach zu viel. Und auch wenn es dann weiterhin versucht gut zu schmecken, überwiegt dann plötzlich die Benebelung und das Schwindelgefühl. Durch die vielen großartigen Actionmomente stellt sich sogar eine Art Filmriss ein.

Weil es der Shooter der Gegenwart ist.

Titanfall ist vielleicht auch wirklich der Shooter der Zukunft, hauptsächlich aber, weil es mit wenigen neuen Ideen zeigt, dass noch lange nicht alles versucht wurde in diesem Genre. Eine gute Basis dafür, dass auch andere Hersteller nochmal die Rezepte studieren und sich an ihren Cocktailshaker stellen. Aber in der Gegenwart, da ist Titanfall in jedem Fall schon angekommen und stellt aktuell vielleicht sogar wirklich einen der besten Shooter dar.

Kommentare

  1. Ich bin auch sehr begeistert von Titanfall. Endlich mal wieder ein Shooter der Spaß macht. Die ganzen CallOfDutyMedalOfHonorBattlefield-Shooter mit ihren endlosen Fortsetzungen haben mich lange Zeit vom Shooter Genre vergrätzt - Halo ausgenommen.

    Hätte man sich viel mehr Mühe mit der Online-Kampagne oder einem entsprechenden Single-Player gegeben, hätte es Potenzial zum Klassiker. Ich muss aber auch noch abwarten, wie die Langzeitmotivation hält. Da es aber als Low-Budget Produkt gestartet war (z. B. nur Source-Engine als Basis) bin ich gespannt, was beim bereits angekündigten zweiten Teil rum kommen wird. Mit EA im Nacken wird der wohl auch nicht sehr lange auf sich warten lassen.

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  2. PS noch Lob an deinen Artikel - schön aufgebaut und keine 08/15 Shooter Rezension.

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    1. Danke. Das ist ja meist mein Anliegen. Von einer anderen Seite drauf gucken. Ich freue mich um so mehr, wenn es klappt.

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