Domäne
Was wäre, wenn wir die Wohnungs- und Haustüren alle entfernen würden? Jede Person kann einfach überall in jede Wohnung. Vielleicht lassen sich einzelne Räume noch abschließen, vielleicht aber auch nicht. Während ich das schreibe, werde ich selbst etwas nervös. Nicht weil ich glaube, dass meine Mitmenschen mir etwas wollen würden. Der Gedanke an so unklare Ränder gefällt mir aber nicht.
Dr. Betty Martin beschreibt als Domäne einen Bereich in dem wir leben und in dem die Bestandteile sind, die uns selbst gehören. Beim Menschen spricht sie dabei von unseren Gedanken, Gefühlen, Bedürfnissen, Wünschen, Grenzen, Limits, Sehnsüchten, Handlungen, Gesundheit, Körper, Fantasien, Energien. Das sind die Dinge die uns gehören und für die wir Verantwortung tragen. Gegenstände gehören nicht zu uns, auch wenn der Kapitalismus etwas anders behauptet, am Ende gehört uns nur unser Bezug zu diesen Dingen.
Innerhalb unserer Domäne sind wir selbst verantwortlich und nur wir selbst. Wir müssen uns um die Ereignisse darin kümmern und damit Umgang finden. Selbst wenn andere Menschen etwas tun, was bei uns etwas auslöst, sind sie nicht für unsere Gefühle verantwortlich. Sehr wohl - je nach Kontext - für ihr eigenes Handeln und die Auslöser, aber niemals für unsere Gefühle. Gleichzeitig, so Martin, sollten andere Menschen auch keine Ansprüche an die Ausstattung und das Leben in unserer Domäne haben. Es ist ein Übergriff in die andre Domäne, wenn wir wollen das jemand etwas bestimmtes fühlt, denkt, wünscht oder ähnliches.
Das Ganze funktioniert nur dann, wenn wir eine Klarheit mit unserer Domäne haben. So, wie zum Beispiel bildlich eine Tür. Oder andere Ränder. Aber auch Klarheit über die Beschaffenheit. Wenn das Nachbarskind einen Ball über den Zaun schießt, wissen wir, dass der nicht zu uns gehört. Wenn eine fremde Person uns in der Straßenbahn anpöbelt, dann müssen wir klar haben, dass das nicht uns gehört. Oder ob wir daran beteiligt waren, dass es jetzt dieses Verhalten gibt..
Das Bild der Domäne ist dabei für mich hilfreicher als das Beschreiben von Grenzen. Es ist aber auch kompatibel mit der neulich geteilten Beschreibung einer 'Boundary' bzw. Grenze. Denn meine Domäne endet dort, wo mein Handeln aufhört. Dahinter liegen dann andere Domänen. Oder leerer Raum.
Das Bild der Domäne hilft mir aber auch zu verstehen, wann Menschen in meinen Bereich ein- und übergegriffen haben. Und es hilft mir zu erkennen ob es von mir kam, von der anderen Person oder ob es passiert ist, weil insgesamt keine Domänen klar waren.
Dr. Betty Martin beschreibt so ein Problem mit einer Anekdote. Eine Freundin von ihr hat eine Auffangstation für Wölfe. Dort sind verschiedene Gruppen und Rudel in verschiedenen Gehegen. Getrennt ist alles durch Zäune. Die Wölfe beachten sich nicht, machen ihre Sache in ihrem Bereich und alles ist friedlich. Die Freundin von Betty Martin sagt aber, dass wenn sie die Zäune weg nehmen würde, es sehr schnell zu Kämpfen kommen würde. Die Bereiche die vorher klar waren, verschwimmen.
Entgegen dem was er unflexible Begriff der Grenzen im Deutschen oft suggeriert, nämlich dass wir dringend ausschließen und ausgrenzen müssen, glaube ich, dass ich versuchen mag eine innere Karte davon anzulegen was da ist und zu mir, und nur zu mir gehört.
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