Warum ich "mensch" anstatt "man" schreibe
Das mit dem Feminismus ist
ja so eine Sache: Es ist irgendwie schwierig, wenn man(n) es richtig
machen will. Ja genau, der "man(n)"-Witz, so abgedroschen
und schlecht er ist, musste jetzt an der Stelle auch sein. Ich habe
mich ja nie irgendwie als Macker oder Macho empfunden, aber in meinen
ehrenamtlichen Tätigkeiten im Jugendverband habe ich zunehmend eines
dafür drübergebügelt bekommen, dass ich ja nicht gender.
Und das vermutlich
vollkommen zu Recht. Aber ich konnte machen was ich will, dieses
gendern wollte mir einfach nicht in den Kopf. Zur Auffrischung:
Gendern ist, wenn Personengruppen auch in eine weibliche Form gesetzt
wird, meist durch ein /-innen als Anhang am Wort. Dadurch sollte die
Unterdrückung von Frauen in der Sprache reduziert werden, damit alle
Leser/-Innen und Hörer/-Innen angesprochen sind.
Außerdem ist das Nette an
dem Begriff des Gender, dass es hierbei nicht um das biologische
Geschlecht gehen soll, sondern um die mit einem Geschlecht verknüpfte
Rolle. Sprich: Ein Mann, der sich aber als Frau fühlt, sollte durch
das /-Innen genauso angesprochen sein, wie eine Frau. Das Nette
daran: Gender ist eine Entscheidung, Geschlecht ein biologischer
Münzwurf.
Das finde ich alles toll und
gut und richtig, hat aber nichts daran geändert, dass ich nie im
Stande war meine Gewohnheiten zu durchbrechen. Da kann man mir jetzt
machohafte Attitüde vorwerfen oder auch fehlende Rücksichtnahme,
aber ich behaupte einfach mal, dass ich zu gut gedacht
habe. Denn ich war an einem Punkt, der gelegentlich als
"Post-Feminismus" bezeichnet wird. Für mich war schon
lange klar, dass Frauen und Männer sowieso alles gleich gut können
können und biologische Zufälle dem Menschen halt für seine Pläne
- entweder passend oder nicht - die Karten zu spielen.
Damit kommst du vor
kritischen Feministen/-Innen aber nicht durch.
Kann ich verstehen. Gemessen
daran, dass aus deren Sicht ja etwas "defekt" oder
"ungesund" ist, in unserer Gesellschaft, geht das ja auch
nicht. Wenn mein Computer nicht mehr läuft oder ich eine Erkältung
habe, kann ich das ja auch nicht für beendet erklären. Das ist ja
keine Datenschutzaffäre. Nein, das Ganze muss erstmal ordentlich
gesunden.
Ich bin dann zwar in meiner
Vorstellung immun, aber finde mal einen Arzt der dir bestätigt, dass
du kein Sexist bist.
Ist auch unmöglich. Denn
genau wie es mit jeder Bewegung ist, gibt es beim Feminismus so viele
Abstufungen und unterschiedlichen Umgang damit, dass mensch selbst
manchmal gar nicht so recht weiß, wo mensch sich da einsortieren
soll.
Dazu ein Beispiel aus meiner
Vergangenheit, zuerst mit meiner damaligen Bewertung, die ich heute
nicht mehr teile.
Vor langer langer Zeit gab
es in meiner damaligen WG eine Feier. Anlass vollkommen austauschbar.
Zu dieser Gelegenheit wollten wir unsere Wohnzimmerwände aber nicht
so nackt präsentieren, wie sie nunmal waren. Also diskutierten wir
(zwei Jungs) Bilder, die wir aufhängen könnten.
Gegenstand der Diskussion:
Ein Plakat der Hamburger Brauerei Astra, die eher für ironischen und
kruden Humor bekannt sind. Darauf zu sehen, eine nackte Frau.
Theoretisch. Zu sehen war sie "nur" Bauchnabel aufwärts,
ihre Oberweite aber verdeckt von einem Textfeld: "Irgendwo muss
der Text ja stehen!" stand darauf. Aus unserer Sicht eine
ironische Wendung und entlarvend für tatsächlich sexistische
Gedanken und Erwartungen, da ja das stark sexualisierte Objekt Frau
nicht zur Schau stellt, was alle Männer gerne sehen wollen würden.
Haben wir so gedacht, gesagt haben wir aber: "Is doch lustig."
So lustig war es dann aber
nicht, denn eine junge Frau aus unserem Freundeskreis – Feministin
– reagierte sehr ungehalten und hatte in dem Fall keinen Sinn für
Humor. Sie drohte sogar das Plakat abzureißen, was ich vehement
abwehrte. War doch ironisch und das musste sie doch auch sehen. Ich
versuchte ihr unser "Is doch lustig." nahe zu bringen, was
aber nicht gelang. Das Plakat wurde abgehangen. Allerdings unter
Protest. Nicht von uns, sondern von einer sehr guten Freundin von
mir. Die arbeitete als Mediengestalterin. Aus ihrer Sicht war das
komplett unproblematisch. Immerhin war die dargestellte Frau ja dafür
bezahlt worden, machte das Ganze freiwillig und vielleicht sogar
gerne und überhaupt, könne frau das ja entspannter sehen. Sie zum
Beispiel entwarf im Jahr so circa zwei bis zehn Erotikkalender und
hatte nie das Gefühl, da wäre irgendeine Geringschätzung am Werk.
Ganz im Gegenteil, es wäre ja ästhetische Kunst und mit so einem
Hass diskriminiert sie ja den Mann oder die Frau (!) die hinter dem
Plakat stecken.
Ja, doch. Es wäre aber
problematisch, denn sie mache es ja nur gerne, weil sie sich schon
dem Joch der Männer beuge und und und....
Es ging noch lange so
weiter, bis wir dann zwei Feiern hatte. Eine in meinem Zimmer und die
andere im anderen. Keine Geschlechter-, aber Feminismustrennung. Eine
Art Konsens wurde da nie erreicht.
Damals dachte ich –
hormongesteuert wie ich in dem Alter war – "Is doch lustig."
Heute würde ich nicht mal auf die Idee kommen. Ich finde das Plakat
immer noch ironisch und witzig, aber zu Hause hängen haben muss ich
das nun wirklich nicht. Mein Hauptgrund aber: "Sex sells"
nervt mich, egal in welche Richtung. Nackte Männer, Nackte Frauen,
brauch ich beides nicht. Vorallem, da ich wirklich nicht so dumm bin
darauf reinzufallen, dass der Sexismus dann überholt wäre, wenn das
selbe geringschätzige Verhalten das Frauen begegnet auf Männer
angewendet wird.
So, jetzt nochmal zurück.
Ich schreibe jetzt also immer "mensch" statt "man".
Bevor es mir jemand an den Kopf wirft: Damit werde ich nicht das
Problem für alle lösen. Weiß ich auch. Aber ich löse das Problem
für mich. Vielleicht passe ich Berufe und Gruppierungen nicht
geschlechtlich an, aber andersherum gefragt: Wer soll sich denn
angegriffen fühlen? Wenn ich in einer Rezension zum Beispiel
schreibe "Ein Buch für jedermensch.", wer soll denn dann
daheim sitzen und sagen: "JETZT wurde ich aber hart
diskriminiert!"
Das ist es nämlich: Es ist
ja nicht so, dass mir Feminismus egal ist. Ich brauchte nur eine faire
Chance einen eigenen Umgang damit zu finden. Eine, die ich zwischen
allen pro-, contra-, post-, semi-, ultra- Feminismusstrategien immer
nachvollziehen und begründen kann. Was übrigens nicht heißen soll,
dass damit alles abgeschlossen ist. Inzwischen gender ich nämlich
auch, wenn ich spreche. Unregelmäßig, aber ich tue es. Schriftlich
sieht es mir aber einfach zu schrecklich aus, Texte mit /-Innen in
die Unendlichkeit zu verlängern.
Natürlich bin ich damit
kein Gralsträger, kein Heiliger, aber das ist für mich der
entscheidene Punkt: Ich kann eigentlich kaum jemanden nicht
diskrimieneren. Das ist fast unmöglich, die Plakatdiskussion zeigt
es. Ich kann mich aber immer bemühen, so viel Rücksicht zu nehmen,
wie ich gerade im Stande bin. So wird es vielleicht nicht perfekt,
aber mensch könnte besser miteinander auskommen.
Ach und übrigens: Dem
blöden man(n)-Witz entgeht mensch durch diesen Wortwechsel auch ganz
passabel.
Ich finde deine Position gut und nachvollziehbar. Aufgefallen ist mir das (mit dem "mensch") schon länger, also danke für die Erklärung.
AntwortenLöschenSehr gerne.
LöschenMir ist es wichtig auch weiter darüber zu reden. Nur weil ich eine Position zu dem Thema gefunden habe, weiß ich ja nicht alles darüber.
Hach schön. Ich bin dir sehr dankbar für diesen Text. Ich musste sehr viel schmunzeln. Das kommt mir alles leider so bekannt vor. Ja, auch ich wurde schon als Sexistin bezeichnet, weil ich ein Astra-Plakat, Schmuddelheftchen, FREIWILLIGE Prostitution und Stripclubs „verteidigt“ habe oder zumindest auch Argumente dafür hatte.
AntwortenLöschenWann fangen wir mal an, wirklich was zu verändern, statt immer nur neue Begriffe einzuführen oder alte zu verbieten?!
Hast du das Poster noch?
AntwortenLöschenUnd wenn ja, kann ich es haben?
:-)
Ja, ich habe es noch, weil da noch eine andere Geschichte und damit Erinnerung dran hängt. Böses dem, der böses denkt.
LöschenSehr schöner wohldurschdachter Text über ein Ewigkeitsthema. Ich habe auch nureinen Zeichenetzungsfehler gefunden und manch eben so langer Spiegel Artikel hat manchmal mehr.
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