Auf der Suche nach dem schlechten Keanu Reeves Film

Oder: Irgendwo hier drin verstecken sich mehrere Rezensionen
Oder: Aber eigentlich soll es um 47 Ronin gehen


"Ich will 47 Ronin gucken gehen, der Trailer sah super aus! Wer von euch kommt mit?" frage ich meine Freunde, meine aber, dass sie alle mitkommen müssen. Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, was es da für Widerspruch geben sollte? Samurai, feudales Japan, kernige Typen, viele Waffen, ein wenig Fantasy, beeindruckende Rüstungen, Keanu Reeves. Da werden jedem Actionfan doch schon nur bei der Aufzählung die Geschmacksknospen wässrig;

Das ist doch kein Film mehr, was hier präsentiert wird, das ist doch pures Ambrosia für die Sinne. Das ist möglicherweise doch der beste Film der jemals

"Ich weiß nicht.", sagt einer meiner Kumpels. "Irgendwie überzeugt mich das alles nicht." WAAAAAS? Ist der irre? Was guckt der den sonst bitte für Filme? Hat der nach Mary Poppins aufgehört Filme zu gucken? Na gut, so kann ich jetzt aber nicht argumentieren, da muss was subtileres her, so dass er sich nachher noch ernst genommen fühlt:
"Komm schon! Der ist mit Keanu Reeves und der hat noch nie einen schlechten Film gemacht." Und das habe ich dann auch wirklich gelaubt. Aus der Runde meiner potentiellen Kinobegleiter werde ich extrem skeptisch betrachtet.

"Das Haus am See." Zugegeben, dieser Film ist nicht für jeden was, aber doch was sehr besonderes. Sandra Bullock und Keanu Reeves halten über einen Briefkasten eines Hauses Brieffreundschaft um dann langsam im Laufe des Filmes sich in einander zu verlieben, aber auch dem Zuschauer langsam spüren zu lassen, dass dies ein Zeitreisefilm mit einer spannenden Ausgangslage und ganz unüblichem Tempo ist. Ich persönlich fand den Film großartig. Gerade, weil ich Zeitreisen und alle anhängenden Fragestellungen spannend finde. Und Sandra Bullock hat ja auch nur sehr wenige schlechte Filme gemacht.

"Helden aus der zweiten Reihe." Ich kenne mich mit Football nicht aus, aber mit Losern, zähle ich mich doch auch immer wieder zu dieser weitverbreiteten Subkultur. Als die erste Mannschaft eines Footballteams in den Streik tritt, aber gerade auf dem Weg zur Meisterschaft ist, wird Keanu Reeves als Streikbrecher bzw. Ersatz engagiert. Der ist natürlich traumatisierter ehemaliger Profi und sammelt sich eine Truppe von Nulpen zusammen, sonder gleichen. Natürlich kämpfen sich diese dann aber zusammen und hoch zur Qualität einer Topmannschaft, um am Ende das Schicksalsspiel ihres Lebens ab zu geben. Sportkenntnisse vollkommen entbehrlich, weil es nur um die witzigen Situationen geht, die sind dafür aber auch klasse.

"Matrix." Als der Filmtitel fällt, werde nicht mehr ich skeptisch angeschaut. "Der zweite.", wird korrigiert. Der war wirklich nicht so gut wie die anderen beiden, aber wie hätte Keanu aus der Nummer den heraus kommen sollen? "Ich mache nur Teil Eins und Drei, beim Zweiten ist die Geschichte nicht solide genug?" Das hätte wohl kaum funktioniert. Außerdem gibt es ja diesen Mythos, dass der mittlere Film einer Trilogie nie so recht mit den anderen mithalten kann. Das mag was mit Erzählstrukturen zu tun haben, aber ich muss auch sagen, selbst Matrix: Reloaded war nicht so schlimm, dass er als schlecht durchgehen würde. Er hält nur nicht dem Niveau der anderen Filme stand.

"Bill und Teds verrückte Reise durch die Zeit?" Niemals. Nicht nur, dass der Film absoluter Klamaukkult ist, der hat doch alles, was die vorherigen erwähnten Filme auch hatten: Zeitreisen, Liebesgeschichte, kuriose Dialoge, ungewöhnliche Charaktere und spannende Abenteuer. Die anderen Trash- aber auch Nerd-Freunde in der Runde sind da aber ganz auf meiner Seite: Dieser Film ist gut, wenn auch in einer gewissen Schlechtigkeit.

Nach dem die Vorschläge dann alle verstummt waren, konnten wir ja endlich ins Kino gehen. "Wir" waren dann am Ende zwar nur zu zweit, da meine Argumente nicht auf fruchtbaren Boden gefallen sind, aber es hat sich gelohnt. Auch, weil wir auf den Trailer richtig schön reingefallen sind. Also:

47 Ronin
erzählt die Geschichte einer Gruppe gefallener Samurai, die entgegen der Weisung des Shoguns ihren Fürsten rächen wollen, der von einem rivalisierenden Fürst reingelegt wurde und den in den Ehrentod musste.
Die Geschichte basiert dabei auf einer existierenden Legende, die in Japan sogar einen Feiertag begründet. Allerdings, entgegen unserer Hoffnungen, wurde die Geschichte näher an ihrer fabelartigen Wurzel erzählt, anstatt ein realistisches Abbild zu geben. Am Ende waren wir aber nicht enttäuscht, denn die Elemente der Fantastik wurden toll in den Film und die Erzählstruktur eingewoben.

Die Geschichte um Täuschung und Verrat spielt sich, wie angedeutet, aber auch auf einer anderen Ebene ab: Dies ist kein Keano Reeves-Film! Dies ist ein Film mit Keanu Reeves. Entgegen allen Erwartungen der Vorschauen, ist er der treue Berater der Hauptfigur: Ôish, gespielt von Hiroyuki Sanada (Rush Hour 3, Lost). Das ist der Anführer der Ronin und Kern der Erzählung. Und - Meine Güte - was spielt der gut.

In einem Film, der garantiert nicht für den Massenmarkt geschaffen wurde und in dem westliche Geschichtenerzähler versuchen östliche Kultur verständlich zu machen. Das fällt leider dann besonders auf, wenn offensichtliches in Rückblenden platziert wird, was zum Glück nicht allzu oft passiert. Ansonsten ist die ursprüngliche Legende aber toll eingefangen und spannend erzählt.

Effekte, Erzählung, Figuren, Kulissen: Alles war genau gut genug, für einen sehr guten Film, reichte aber nicht für die Oberklasse. An dieser Stelle wird dann immer gerne von tollem "Popcornkino" gesprochen und auch hier mag es zu treffen. Aber ich will es mal so halten: Wer asiatische Kultur mag und kennt, wird hier einen tollen Film sehen, ja sogar Cameo-Auftritte japanischer Sagenfiguren und Mythen erleben. Wer damit aber nicht so viel anfangen kann, wird mit 47 Ronin wohl nicht so viel anfangen können.

Als wir dann aus dem Kino zurück waren, habe ich mit einer Freundin über meine wilde These gesprochen, dass es ja keine schlechten Keanu Reeves Filme gäbe. "Außer Kontrolle?"  Den hatte ich vergessen. "Vernetzt?" O wei. Da spielt er ja auch mit. "Speed!" Na gut, vielleicht habe ich den Keanu etwas zu sehr heilig gesprochen, weil ich ihn sehr mag und er auch immer so einen sympathischen Eindruck macht, so dass ich seine schlechten Filme - Zu recht - weggeblendet habe. Zum Glück bleiben mir ja Schauspieler/Innen wie Sandra Bullock...
"Die hat auch in Speed mitgespielt."
Verdammt.

Kommentare

  1. Achtung, es folgt eine vollkommen subjektive, unbegründete, überspitzte Meinung, die, wäre sie gesprochen, leicht ironische Züge tragen und mit einem Augenzwinkern vorgetragen werden würde:

    Hast du einen Knall? Speed ist sehr wohl ein guter Keanu Reeves Film! Mag die Story noch so bescheuert (unrealistisch) sein, handelt es sich hier immer noch um einen spannungsgeladenen Klassiker des 1990er Jahre Actionkinos.
    Zudem würde ich noch "Gefährliche Brandung" (Point Break) zu den guten Zählen.

    Zum Thema Matrix: Hast du die Milz am Böllern? Und anzudeuten, dass du den dritten Matrix gut findest? Waaaaaaaaaaah. War der zweite schon eine Enttäuschung, ist der dritte reinster Abfall. Dreck. Schlecht. Verdient einfach nur ein "Buh". Pure Langeweile. Wie ein Videospiel, bei dem man nur zusehen darf, wie die Hauptfigur auf und ab hüpft - auf der immer gleichen Stelle.

    Du Banause!

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    1. Speed war wegen der unrealistischen Story schrecklich. Möglicherweise ein Klassiker, wegen dem Trashfaktor.

      Point Break, kenne ich tatsächlich nur aus den Erwähnungen in Hot Fuzz.

      Zu Matrix:
      Der zweite war so schlimm, dass es aus meiner Sicht danach nur noch ein bergauf gab. Die hätten eine zweitsündige Zeitplupe zeigen können, wie Keanu Reeves ein Brot isst: Besser als der zweite Film.

      Ich Banause!

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  2. Zu deiner These sag ich nur: Constantine.

    Deine Rezension finde ich gut, bestätigt mich doch darin, nicht dafür ins Kino zu gehen.

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    1. Ist "Constantine" ein Pro oder Contra zur These?

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    2. Ich fand ihn immer schrecklich, aber da stehe ich wohl recht alleine da. Metacritic und Fachleute fanden den wohl doch nicht soo schlecht...

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    3. Hm. Muss ich wohl Gegenstand der Prüfung werden lassen. Meine sehr unterschiedlichen Filmberater fanden ihn alle recht gut.

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  3. Anonym26.2.14

    Ich will den auch noch sehn! Und ja auch wegen Keanu Reeves, mit dem ich sogar Speed gut fand ;-)

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  4. Ich muss gestehen, das ich nie über den ersten Matrix Film hinaus gekommen bin, den ich allerdings sehr gut fand. Teil 2 und 3 hat sich nie ergeben. Wenn ich das hier so lese, eine glückliche Fügung. ^^

    47 Ronin klingt aber auf alle Fälle interessant. Ob ich dafür allerdings ins Kino gehe... mal schauen. Vielleicht irgendwann auf BR oder VoD ;)

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    1. Ich würde dafür ins Kino gehen. Das ist schon stimmungstragend, ihn nicht auf dem heimischen Fernseher zu sehen.

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    2. Kino und Stimmung sind bei mir so ne Sache. Ich genieße Filme oft lieber in trautem Heim ohne störende Geräuschkullise und dumme Kommentare aus dem Mitpuplikum.

      Das hängt natürlich auch vom Film und der Begleitung ab. Die Pazifische Ritze hätte ohne euch nur halb so viel Spaß gemacht. ;)

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    3. Aus Erfahrung kann ich dir sagen: Viel Mitpublikum gibt es bei 47 Ronin nicht. ;)
      Aber jede/r natürlich so wie er/sie mag.

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  5. Was alle gegen Spped haben... damals war er doch... (ok, hier fehlt mir spontan ein passendes Adjektiv, denn "gut" wollte ich nun nicht mehr sagen...)

    Auch die Filme zum Augenrollen bringt Keanu Reeves doch einen guten Schuss "kann man schauen".

    Aber wie auch immer: Mich zumindest hatte 47 Ronin schon in den ersten Trailersekunden. Jetzt muss nur noch ein Kinotermin her...

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    1. Aber die Geschichte! Die Spannung war da, aber die Geschichte war doch Mist. Speed. Na, mal sehen. Vielleicht muss ich den nochmal gucken und heutige Maßstäbe ansetzen.

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  6. Egal ob gute oder schlechte Filme aufgezählt werden, johnny mnemonic fehlt.

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