Die Sache mit Scooter

Schon mal direkt als erstes: Wer mir unter diesen Bericht schmieren will, dass die Texte von Scooter ja mal absolut lächerlich wären, kann direkt wegbleiben und muss nicht weiterlesen. Schon alleine, um dann mal in der eigenen Musiksammlung die Bestandsprüfung in der Textqualität zu machen. Wer nämlich selber mit Begeisterung Pitbull oder andere Lyrikverbrecher hört, braucht mir hier gar keine Vorhaltungen machen.

Ja, ich höre Scooter. Was irgendwie nach einem eröffnenden Satz in einer Selbsthilfegruppe klingt, würde ich gerne mit einem gewissen Stolz sagen können, aber die gemeinen Musikfaschisten erlauben es mir natürlich nicht. Denn das was Scooter da abgibt, das ist ja nun mal wirklich nicht als Musik zu bezeichnen. Und natürlich - "How much is the fish?" - die ewigen Sprüche - "The painted cow!" - über die Texte - " Fuck the Millenium!" - können natürlich nicht ganz aus der Rechnung genommen werden.

Aber machen wir mal etwas ganz wildes und stellen uns eine Eingangsfrage, mit der wir vielleicht auf die Spur dessen kommen können, was in meinem Kopf also kaputt sein muss, damit ich gerne Scooter höre. Diese Frage ist einfach:
"Was muss Musik eigentlich leisten können?"

Leisten wirkt nicht wie das glücklichste Wort an dieser Stelle, weil Musik ja etwas sehr emotionales ist, aber das mit der Musik hat ja verschiedene Ebenen. Und auf der emotionalen fangen wir mal an und da auch mit Worten, die nicht die glücklichsten an ihrem Platz sind.
Musik muss uns nämlich bewegen können. Da ist das unglückliche Wort. Wenn wir nämlich sagen, dass uns etwas bewegt hat, denken wir meist nur an Herzschmerz oder befreiende Gefühle und Liebe und ja überhaupt, ganz viel rund um unseren sentimentalen Kern. Dass, Spaß haben, Freude empfinden, elektrifiziert werden, aber auch durchaus Bewegungen in uns sind, wird dann gerne vergessen. Wie ironisch, wenn man bedenkt, dass wir in Bestlaune doch so gerne Tanzen, weil die Musik uns bewegt.

Die Texte bemühen sich dabei uns eine Geschichte zu erzählen, die Melodien flechten die Emotionen an. Das geht soweit, dass die Melodie nicht nur unterstreichen kann, sondern auch Ironie und weitere abstrakte Empfindungen einbinden kann. Wer halt viel Geschichte haben will, hat viel Text (Hiphop z.B.) und wer nur berühren will, verzichtet sogar ganz darauf (Minimal-House z.B.) oder muss damit leben, dass die Geschichte dann so abstrakt ist, dass sie ohne Begleitheft nicht zu verstehen ist (Klassik).

Keine Sorge, ich werde jetzt hier nicht behaupten, dass Scooters Geschichten so abstrakt sind, dass sie keiner versteht. So ein irrer Fan bin ich dann auch wieder nicht.

Ganz im Gegenteil. Die Musik von Scooter ist einfach und das soll sie auch sein. Was Musik nämlich auch leisten soll, ist Erfolg. Und der definiert sich über die Zahl der Hörer und die Zahl der Käufer. Natürlich kann mensch auch Musik machen, ohne kommerziell sein zu wollen, aber die wenigsten werden sich beschweren, wenn sie mit ihrer Leidenschaft Geld verdienen können. Und ganz ehrlich: Auch eure hippen coolen Indie-Bands wollen nicht im Untergrund bleiben! Was meint ihr denn warum sie entweder immer mehr wie die Großen klingen oder so bereitwillig ihre Songs an Firmen für Werbespots abgeben? Erfolg, deshalb.
Und erfolgreich ist halt auch, was einfach ist, weil es schneller ins Ohr geht, als so manche komplexe und raffinierte Melodiekunstruktion.

Und was die Musikfaschisten dann manchen Künstlern nicht zu gestehen wollen, widerlegt der Kapitalismus. Denn mit Scooter ist es wie mit Bild-Zeitung kaufen: Am Ende will es niemand gewesen sein, aber finanziell erfolgreich sind sie trotzdem. Ja, auch ich sehe da die Verbindung, dass beide Beispiele nicht mit intelligenten Inhalten aufwarten. Aber Scooter macht wenigstens auch Spaß und gibt mir ein gutes Gefühl. Das kann ich von diesem Schmierblatt wirklich nicht behaupten.

Ja, für mich leistet Scooter eine Menge. Beim Sport, bevor ich ausgehe oder auch wenn ich mal richtig schlecht gelaunt bin, dann brauche ich es einfach, platt und - von mir aus- auch dumm. Dann will ich "Döp döp" mitsingen und mich fallen lassen. Da brauche ich dann keine ach so komplexen und vielschichtigen Fragen wie "Are we human or are we dancers?". Könnte ich dann auch gar nicht beantworten. Da brauche ich stumpfes, aber erhebendes Bassgeballer und berühmte Melodien, die aus der restlichen Popkultur zusammen geklaut sind.
Und so alleine kann ich damit nicht sein, denn wenn sich um Scooter zum einen der internationale Erfolg (In U.K. und Japan sind die riesiger als hier zu vermuten wäre) und dann auch noch diverse Tanz-Subkulturen (Jumpstyle, Shuffeln) sammeln, dann müssen die ja irgendwas richtig machen. Und das jetzt ja auch schon seit 20 Jahren.

So lange bin ich nicht Fan und ich kaufe auch nicht alles von denen. Ja, auch ich bin da wählerisch und nicht in allem wo auch Scooter drauf steht, ist auch drin, was ich hören will. Ja tatsächlich sind mir manche Alben sogar musikalisch zu komplex. Das ist nicht das Scooter, das ich hören will. Ich will Party-Faster-Harder-Louder-Scooter. Ich will "I like it loud"-Scooter. Ich will eigentlich auch mehr 90iger bis 2000ender Scooter.

Da kam es mir - auch wenn ich kein großer Konzertgänger bin - also sehr passend, dass Scooter letztes Jahr (2013) auf "The Big Mash-Up"-Tour in meiner Stadt vorbei geschneit sind. Wenn Scooter schon zu dir kommt, musst du auch zu Scooter gehen.

Und ich schwöre euch, ihr müsst zu Scooter gehen. Für die damals 36 € habe ich ein audiovisuelles Ereignis geliefert bekommen, das genau die gleiche Seltenheit wie eine Sonnenfinsternis hat, aber im Ausgleich dazu wirklich spannend ist. Das Geld, was ich damals investiert habe, hätte ich alleine für die Lichtshow gezahlt, ganz ohne Ton. Ich könnte nicht sagen, wieviele Laser, Scheinwerfer, Pyroeffekte und andere mechanisierte Euphoriespender zum Einsatz gekommen sind, aber ich war schon froh in der Stadt zu leben, in der einer Europas größter Stromanbieter seinen Sitz hat.
Auch der Sound war perfekt ausgesteuert und entgegen allem, was zu erwarten war, hatte ich nach dem Konzert weder ein Pfeifen auf den Ohren, noch sonst irgendwelche körperlichen Defekte. Was vermutlich neben dem perfekten Klang, auch an den tollen Fans lag. Wobei, ich hatte am nächsten Tag keine Stimme mehr und Muskelkater in den Beinen.

Zuschauer bei Scooterkonzerten kommen in zwei Geschmacksrichtungen:
- Echte Fans. Meist in alten Tourshirts, nicht selten aus dem umliegenden Ausland, häufig mit kurzen wasserstoffblonden Haaren, wie es der H.P. auch trägt. Singen schon die Anmoderationen mit.
- Leutegucker. Menschen, die sehen wollen, was für Leute zum Scooterkonzert gehen und wenig Anbindung zu der Musik haben. Kennen nur ein Stück.

Letztere Kategorie spaltet sich dann nochmal in zwei Lager. Das eine ist musikoffen genug, um sich von der sensationellen Show einnehmen zu lassen und unterbrochen einen riesen Spaß zu haben, ganz egal wie ernst mensch die Musik nimmt. Das andere ist betrunken.

Erfreulicherweise war bei diesem Konzert das Verhältnis dieser Fangruppen 80:20 und die Betrunkenen haben sich schon am Einlass weitestgehend selbst aussortiert. Die echten Fans belächelten zwar meine Truppe mit den selbst gemachten Scooter-Fan-Shirts, waren aber immer sehr nett zu uns. Irgendwie fühlten wir uns sogar aufgenommen. Und das war der entscheidene Faktor:

Hier gab es keine besseren und schlechteren Musikkenner, keine zwei Klassen. Wir alle waren gleich bekloppt auf diese Musik zu stehen und das war auch gut so. So gut, dass ich dieses Jahr wieder beim Konzert war. Und wenn die Bande nächstes Jahr wieder hier in der Ecke ist, gehe ich auch hin. So lange, bis Scooter es nicht mehr tut.

Und ihr? Ihr werdet dann daheim sitzen und per Kopfhörern komplizierte Gitarrenriffs hören oder unendliche Metapherreihen und werdet mich belächeln. Ja, ich armer Junge, der ich doch keine gute Musik zu schätzen weiß. Ach, und diese schrecklichen Texte. Aber ich werde da bei Scooter eine großartige Zeit haben und mir die Ohren ordentlich durchpusten lassen, während euch die Ohrmuscheln vor Langeweile einstauben. Denn auch das muss Musik für mich leisten: Spaß.

Und sollte euch diese Aussicht nicht gefallen, dann springt über euren musikalischen Schatten, hört ein wenig banalen Pop-Techno und kommt mit zum Konzert.

Kommentare

  1. Scooter können echt cool songs von coolen bands remixen. Ich mein das total positiv. Der hp müsste halt nicht unbedingt so immer, naja weisste selbst. Mashup macht mich jetzt doppelt neugierig weil das ne Richtung ist die gerade anspruchsvolle Gemüter zufrieden macht.

    im Gegensatz ürbigens zu diesem &€@£$# captcha, das bots effizienter lösen als jeder Mensch. Akismet an und ruhe im puff.

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    1. Leider bin ich (noch) nicht web-klug, um andere schlaue Spamschutzsystem als das von Blogger mitgelieferte Captcha zu nutzen. Ironischerweise hatte der interne Spamfilter von Google deinen Kommentar abgefangen. :(

      Ja, das Rumgeschreie wirkt prollig und dumm, kann ich verstehen, aber vielleicht hilft das auch immer bei der stadionesken Atmo.

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