Ally McBeal gegen den Rest der Welt


Es gibt ja wirklich sehr viele tolle neue Serien. Breaking Bad, Game of Thrones, Walking Dead, House of Cards und viele viele weitere, die ich alle ironischerweise nicht gesehen habe. Aber wenn ich schon nur die Zusammenfassungen oder den Hype sehe, bin ich von deren Qualität erstmal überzeugt. Ja, ich glaube an ein Schwarmqualitätsempfinden - Auch wenn irgendwo da draußen auch ein Dschungelcamp und Teenagermodelsuche gefeiert werden - Weil aus von meinem Lebensmittelpunkt her das boulevardeske eher ein Nischendasein fristet.

Jetzt habe ich alle diese Serien nicht gesehen, die ich da erwähne und auch Serien die ich gerne gesehen habe, haben alle irgendwie ein kleineres Problem. Ich habe Heroes geliebt und auch den britischen Gegenentwurf Misfits. Ich bin sogar recht lange bei How I met your mother mitgegangen, bis meine Freundin mir mit Friends beigebracht hat, dass die ganze Serie schon mal da war.

Fun Fact: Im Ruhrpott fangen einige mittelscharfe Beleidigungen mit "So habe ich deine Mudda getroffen" an.

IT-Crowd, New Girl, Modern Family und wie sie nicht alle heißen. Die sind alle gut. Selbst wenn ich meine Serien aus dem Cartoonsegmente ergänze - Adventure Time und Regular Show - bleibt bei ihnen allen aber ein Problem bestehen:
So richtig relevant sind sie nicht.

Versteht mich nicht falsch, sie sind alle toll und nehmen oftmals Trends oder aktuelles Zeitgeschehen auf. Das ist super. Aber wie hoch ist die Haltbarkeit dieser Serien, wenn sie eben in dieser Aktualität festhängen? Was ist wenn die Serie später nochmal gesehen wird, wenn die Probleme die darin beschrieben wurden schon lange überholt sind? Nichts ist dann. Dann bleibt eine gute Serie mit guten Witzen, die einen aber halt nicht sonderlich berührt.

Ich bin ein sehr offener Mensch, aber ich muss zugeben, dass ich mich in irgendwelchem teenagerhaften "Männer"-Verhalten immer gegen diverse "Frauenserien" gewehrt habe. Oberflächlich. Ich hätte doch niemals zugegeben, dass ich Gilmore Girls auch gerne geguckt habe! Nicht wegen der Liebschaften und Beziehungen darin, die waren mir eher egal. Das hat aber nichts mit Männlichkeit zu tun, sondern einfach mit mir. Fiktionale Liebesbeziehungen berühren mich kaum. Mein Fazit zu Romeo & Julia, Den Leiden des jungen Werter, Penthelisea und so weiter war immer das selbe:
Tja, schade, nee?

Durch meinen Verzicht auf diese so genannten Frauenserien sind mir aber wohl etwas entgangen. Und nicht auf meiner emotionalen Seite, sondern der intellektuellen. Zum Glück bin ich jetzt auf die Serie Ally McBeal gestossen (worden). Die kurze Zusammenfassung auf der Hülle der DVD-Box liest sich etwa so:
"Erleben Sie vollkommen herzerweichend wie die Anwältin Ally McBeal fünf Staffeln lang versucht den richtigen Mann zu finden."

Nachdem ich die Serie jetzt komplett gesehen habe - Manche Folgen mehrfach - sollte da meiner Meinung nach aber folgendes stehen:

"Sehen Sie vollkommen spannend und nachvollziehbar, wie alle ihre Ansichten und die möglichen Gegenansichten zu gesellschaftsrelevanten Themen vor Gericht verhandelt werden, von Anwälten, die ihre Vorstellungen von Moral und Ethik mit hochwertigen Denkansätzen auf die Probe stellen und anschließend erweitern. 
Und damit das nicht zu trocken wird, versucht Ally McBeal nebenher aus diversen amerikanischen Spitzenschauspielern den Richtigen zu finden, steht sich aber immer selbst im Weg."
Ich bin ein Mensch, der sich gerne mit philosophischen bzw. gesellschaftlichen Fragestellungen auseinandersetzt. Ich habe dabei aber weder einen fundierten theoretischen Hintergrund, noch würde ich mich als sonderlich intelligent bezeichnen. Als dumm auch nicht, aber genau hier holt mich die Serie perfekt ab: Wenn hier ein Problem von Anwälten verschiedener Parteien diskutiert und bestritten wird, muss ich gar keine besonderen Fertigkeiten mitbringen, sondern kann gemütlich vom Sofa mitdenken.

Trotzdem sind es keine einfachen Fragen, die da aufkommen. Und noch viel wichtiger: Selten sind die Antworten einfacher. Ja, manchmal gibt es nicht mal eine Antwort. Aber die Auseinandersetzung mit den Themen ist das Wichtige und wenn ich dann auf die Themen schaue, dann bin ich nicht irgenwo in den 90igern, als die Serie produziert wurde, sondern mitten im Jetzt:

- Ist es okay, wenn Frauen das Verhalten das ihnen Männer entgegen bringen auf sie zurück werfen, wenn sie in einer Machtposition sind?
- Kann eine Firma Aussenseiter und Freaks entlassen, nur weil durch steigenden Umsatz die Zahl der im Büro auftauchenden Geschäftskunden steigt?
- Kann eine Ehe aufgehoben werden, wenn einer der Ehepartner eine briefliche Liebesbeziehung zu einem fiktionalen Charakter hat?

Zugegeben: Manche der Fälle wirken stark konstruiert in der Serie, aber wenn ich dann in die Debatten der Welt hinaus schaue ( Ist der Feminismus gefährdet, weil Alice Schwarzer Steuern hinterzieht? Ist es richtig, dass in einem Land ein demokratisch gewählter Staatschef weggeputscht wird, nur weil in dem Staat schon vor seinem Antritt schlechte Gesetze existierten? Ist es auch dann eine so genannte Homo-Ehe, wenn einer der Partner sich geschlechtlich hat umoperieren lassen?) dann sind unsere aktuellen Probleme und Situationen sehr unübersichtlich und weisen eine ähnliche Komplexität auf, wie die konstruierten Fälle.

Und selbst wenn nicht, die spannenden Denkansätze sind da. Spätestens, wenn die Anwälte der Kanzlei im privaten Gespräch nochmal auf den Fall kommen und daran ihre Lebensmaßstäbe gegeneinander legen. Und das schafft die Serie ganz ohne erhobenen Zeigefinger, nur mit sehr differenzierten Charakteren. Einige davon übrigens zauberhaft defekt.

Ein besonders Highlight sind immer die Abschluss Plädoyes vor den Geschworenen. Hier spreche ich mal als Schreiberling und Bühnenkünslter: Alter, sind die unglaublich gut geschrieben! Ich habe die Serie auf deutsch geguckt und da sind sie das chinesische Neujahrsfeuerwerk unter den rhetorischen Machwerken. Manchmal erwische ich mich dann dabei, dass meine zu dem Fall gefasste Meinung kurz vor Schluss vollkommen pulverisiert wird. Mit Argumenten und Einzelteilen, die ich vorher gar nicht gesehen habe. Ganz groß. Riesengroß.
Manchmal notiere ich mir Wendungen und Finten, um sie selbst verwenden zu können und weil sie mich so beeindruckt haben.

Meine lieben Serienfreunde da draußen, pausiert doch mal mit all eurem modernen Machwerk, ihr müsst doch sonst eh wieder zittern bis zur nächsten Folge. Schnappt euch doch mal was abgeschlossenes und schaut euch etwas an, was ihr sonst vermutlich nie geguckt hättet. Setzt eure beste Denkerkappe auf und schaut ein wenig Ally McBeal.
Und nicht erst ab da, wo Robert Downey Jr. mitspielt!

Kommentare

  1. Ich muss ja sagen, die meisten der neuen "Serien-Hits" kenne ich nicht. Game of Thrones macht definitv süchtig und ist wahsinnig gut gemacht... aber das ist hier ja nicht der Punkt. Denn eigentlich mag ich abgeschlossene Serien. Und vor allem mit einem Verschichten ist TV-gelöster Seriengenuss viel sinniger.
    Zugegeben, nach unserem Besuch, bei dem wir auf den AllyMcBeal-Schuber im Schrank stießen, habe ich das Schatzi auch mal dezent angestupst und zu ein, zwei Probefolgen überredet. Und siehe da, der Humor überzeugte. Und später sprechen die Dialoge mit Downey Jr. auch für sich. Schade, dass bis zu dem fast abgehakten Ende meinem Empfinden nach dannach die Qualität teils erheblich nachließ.

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    1. Es ist vorallem die letzte Staffel, die den anderen nicht Stand hält, aber was Inhalt und Diskussionen angeht noch immer gut genug ist.

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  2. Nun. Wie du vielleicht schon erwartet hast kommt hier ein dickes Veto. Ich betrachte das ganze mal aus einem ähnlich beschränktem Blickwinkel, denn ich habe eben genau Ally McBeal nicht gesehen. Aber wenn es dir um die Haltbarkeit von Serien geht, dann bleibt mir nur eines zu sagen: schau dir Doctor Who an! 50 Jahre lang läuft diese Serie und bekommt ständig frischen Wind. Zum Nachdenken sind sicherlich nicht alle Folgen, aber unterhaltsam allemal.
    Und ja. Ich warte auf die neuen Folgen im 51sten Jahr des Doctors ;-)

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    1. Und genau das meine ich: Unterhaltsam reicht mir da nicht. Unterhaltsam sind alle Serien, die ich da vorher erwähne, aber einige werde ich nicht mehr anpacken brauchen, weil andere zeitgemäß den selben Humor nochmal präsentieren werden. (Siehe Friends zu HIMYM zu dem kommenden How I met your Dad)
      Spannender finde ich da wirklich die gesellschaftlichen Probleme, die wir eben noch nicht überkommen haben, die in Ally McBeal diskutiert werden.

      Womit ich auch nicht andere Serien schmälern will, sondern nur heraus stellen möchte, dass die gute Ally da wohl unterschätzt wird.

      Okay. Ein bißchen provozieren wollte ich auch und das hat ja offensichtlich geklappt. ;D

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