Der verlorene Leser
"Sebastian,
wir haben lange Zeit nichts voneinander gehört. Vielleicht hat uns unsere intensive Anfangszeit auch zu sehr entzweit, denn es sollte anschließend nie mehr so werden, wie es einmal begonnen hat. Zum ersten Mal sah ich eines deiner Werke in den Händen eines anderen - er erhielt es als Geschenk. Der Hype um dich, deine Person und deine Geschichten stand erst noch bevor. Ich vergaß dich zunächst sogar wieder, bis deine Erstlingswerke neu aufgelegt wurden und du mir auf einer Suche nach einem Thriller erneut begegnetest. Ich griff zu - und war verliebt.
In das Tempo deiner Geschichten, den cleveren Spannungsaufbau, in die nachvollziehbaren Charaktere, den trockenen Witz, den aufblitzenden Wahnsinn und dein Handwerk, tatsächlich überraschende aber nachvollziehbare Plottwists zu kreieren. Du warst mittlerweile enorm erfolgreich, hattest schon einige Veröffentlichungen auf dem Markt. Ich profitierte davon - in kürzester Zeit wanderten deine bis dahin veröffentlichten Bücher in mein Regal, nachdem ich sie binnen weniger Tage ausgelesen hatte.
Doch die Zeitspannen, die ich benötigte, deine Geschichten zu vollenden, wurden immer länger. Nicht, weil deine Geschichten länger wurden, sondern weil mir deine Art (zu Schreiben) mit der Dauer immer unsinniger erschien. Ich hatte das Gefühl, du wolltest mit immer gewitzteren Wendungen aufwarten, immer abgedrehtere Figuren erschaffen, die Möglichkeiten eines Thrillers, der in Deutschland spielt, bis an die Grenzen führen. Es wurde mir zu viel. Und es geschah, was geschehen musste: Ich verlor das Interesse, denn deine Geschichten langweilten mich, fand sie abstrus, fand zu viele Fehler darin.
Ich blicke zuweilen auf die Aufreihung deiner Bücher in meinem Regal, die ich bisher mein Eigen nenne. Es fehlen deine neuesten Werke. Sie lagern lediglich auf dem Wunschzettel des Onlineshops meines Vertrauens. Zwar interessiere ich mich immer noch für dich, nehme deine Bemühungen, Lesungen zu einem multimedialen Event zu machen, mit Wohlwollen auf; ebenso wie deine Lesetour durch die gesamte Republik, bei der du mal in Wohnzimmern, mal auf Betriebsweihnachtsfeiern oder in Kirchen liest; oder auch deine eBook-Veröffentlichungen, die du durch Clips uns Musik ergänzt; und dennoch reicht unsere Beziehung derzeit nicht über eine Facebookfreundschaft und deine gelegentlichen Statusupdates hinaus.
Du hast mich irgendwann auf deinem Weg verloren, ein immer erfolgreicherer, "größerer" Autor zu sein. Ich gönne dir den Erfolg, und er ist auch nicht der Grund, warum ich aufgehört habe, mich für deine Geschichten zu interessieren. Im Gegenteil: Dadurch konnte ich sogar immer mehr Leser für dich begeistern, mich mit anderen über deine Geschichten austauschen. Es lag vielleicht einfach an mir selbst, dass ich das Interesse verlor, weil ich zu viel von dir wollte, zu lange nur an deinen Worten hing.
In der Zwischenzeit habe ich mich wieder anderen Schreibern gewidmet. Doch ich hatte gelernt, sie und mich nicht aufzuzehren, habe für mehr Abwechslung gesorgt, mein Interesse verteilt. Und so bekam ich plötzlich wieder Lust auf einen guten Thriller. Und natürlich standest du sofort wieder im Mittelpunkt meines Interesses.
Noch habe ich mich nicht dazu durchgerungen, deine letzten Bücher "Der Nachtwandler" und "Noah" zu kaufen und sie zu lesen. Aber es wird nicht mehr lange dauern. Es wird sich zeigen, ob du mich wieder begeistern kannst, oder ob du mich nun vollends verlierst. Doch ich hoffe ehrlich gesagt sehr, dass du mich wieder durch das Tempo deiner Geschichten, cleveren Spannungsaufbau, nachvollziehbare Charaktere, trockenen Witz und auch deinen aufblitzenden Wahnsinn überzeugen kannst.
Ich muss gestehen, ich bin ein wenig nervös - aber in freudiger Erwartungshaltung. Du bist ohne Zweifel ein hervorragender Autor, doch ich habe Sorge, mich an dir verbrannt zu haben. Wir werden sehen, was uns die Zukunft bringt. Ich hätte deine Bücher gerne wieder häufiger auf meinem Nachttisch liegen. Sofern du das Thrillergenre mittlerweile nicht vollends überspannst. Aber davon muss ich mich nun wieder selbst überzeugen.
Dein einstmals begeisterter Leser,
Stephan"
Zum Autor:
Sebastian Fitzek ist einer der erfolgreichsten deutschen Schriftsteller weltweit. Seine Gesamtauflage liegt derzeit bei rund 4,5 Millionen verkauften Büchern. Nach seinem Jura-Studium arbeitete er zunächst als Journalist und Programmdirektor bei diversen Radiostationen. Mittlerweile widmet sich Fitzek allein dem Schreiben. Neben multimedialen eBooks und Lesetouren dienten seine Bücher auch als Vorlagen für einen Film ("Das Kind") sowie ein Theaterstück ("Der Seelenbrecher"). http://www.sebastianfitzek.de/
Zu seinen bisherigen Titeln zählen:
- Die Therapie. Knaur Taschenbuchverlag, München 2006, ISBN 3-426-63309-4
- Amokspiel. Knaur Taschenbuchverlag, München 2007, ISBN 978-3-426-63309-0
- Das Kind. Droemer, München 2008, ISBN 978-3-426-19782-0
- Der Seelenbrecher. Knaur Taschenbuchverlag, München 2008, ISBN 3-426-63792-8
- Splitter. Droemer, München 2009, ISBN 3-426-19847-9
- Der Augensammler. Droemer, München 2010, ISBN 3-426-19851-7
- P.S. Ich töte dich (als Herausgeber). Droemer, München 2010, ISBN 978-3-426-19897-1
- Der Augenjäger. Droemer, München 2011, ISBN 978-3-426-19881-0
- Nicht einschlafen. Kurzgeschichte, E-Book von neobooks.com, November 2011
- Abgeschnitten (mit Michael Tsokos). Droemer, München 2012. ISBN 978-3-426-19926-8
- Der Nachtwandler. Knaur Taschenbuchverlag, München 2013. ISBN 978-3-426-50374-4
- Noah. Bastei Lübbe, 2013. ISBN 978-3-7857-2482-8
Ich muss gestehen, dass ich noch nie eine Fitzek gelesen habe. Ich nicht so der Thriller Typ. Ich bekomme da immer Alpträume von! ^^
AntwortenLöschenWenn dem wirklich so ist, kann ich von Fitzek tatsächlich nur abraten. Bei mir hat er es zuweilen geschafft, Gänsehaut hervorzurufen...
LöschenIch hab die ersten vier gelesen, war dann aber schon raus, weil ich es immer absurder fand. Von "Noah" hab ich im Freundeskreis bisher nur schlechtes gehört... ausschließlich pure Enttäuschung. Aber wenn mir die anderen Bücher mal vor die Füße fallen ... wer weiß. :)
AntwortenLöschenDa ging es mir ähnlich. Ich war zu Beginn wirklich begeistert, dann fand ich die Geschichten aber auch immer "überdrehter". Daher habe ich mich dann anderen Autoren gewidmet. Von "Noah" höre ich sowohl Gutes als auch Schlechtes. Ich werde es irgendwann einmal lesen und schauen, was passiert. Evtl. folgt dazu auch mal eine Rezension im Magazin.
LöschenHier hatte ich übrigens auch noch mal versucht zu kommentieren.. und da zählt das älter als ne Woche Argument nicht... ;) Werde es wohl einfach nicht mehr mit dem Wordpress Account versuchen...
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