Reinwachsen

Es ist die Idee für diese sehr große Sache. Vielleicht ist es ein Film den wir drehen wollen, unser Buch, ein Theaterstück, diese Performance, diese Ausstellung. Es ist eine Idee, die wir vielleicht nicht alleine umsetzen können. Eine Idee, die wir als Vision bezeichnen. Vielleicht ist es auch unsere Firma. Von mir aus. Aber es ist diese Sache die riesig ist und wir haben Vorstellungen und vorallem wissen wir von dem unfassbaren Potential.

Sean Murray - nicht der Schauspieler - hat mit seinem Team vor sehr vielen Jahren "No man's Sky" angekündigt. Ein Videospiel in dem Spieler*innen im Weltall eine scheinbar unbegrenzte Zahl an Welten erkunden können sollten. Außerdem wurde eine Vielzahl von tollen Möglichkeiten und Aktivitäten in dem Spiel angekündigt. Und das Spiel sah aufregend aus, weil es das weirde und ungewöhnliche gezeigt hat. Es geht nicht um unser echtes Universum und so sahen sehr viele Welten abgefahren und teilweise unlogisch aus, die Wesen dort weit entfernt von dem was wir als Tiere erkennen würden. Sean Murrays Vision war riesen groß. Die Pläne sehr ambitioniert. Und sie sind gescheitert.

Als No Man's Sky erscheint, ist die Enttäuschung darüber, wie wenig von den gegebenen Ansagen dann eigentlich wirklich gehalten wurde. Das geteilte Universum mit anderen Spieler*innen erlaubte keinen direkten Kontakt zu anderen, erstmal war mensch alleine in einem Online Universum unterwegs. Auch viele andere Funktionen und Aktivitäten wirkten rudimentär. Da war eine große Enttäuschung, wenn auch ein Haufen Spieler*innen auch am Anfang schon sagen konnte, dass es eigentlich trotzdem ein gutes Spiel sein. Aber die Differenz zwischen dem laut ausgesprochenen Wunsch-Zustand und der Realität war erstmal zu groß.

Der Youtuber Yamiks hat vor kurzem ein Video veröffentlicht, bei dem er die erfolgreichsten Vier Weltraumspiele 2024 vorstellt und bespricht. No Man's Sky ist in der Liste, obwohl es im Vergleich zu den anderen Dreien sehr cartoonish und wenig realisitisch ist. Aber es gehört zu den besten, weil Sean Murray und sein Team eine wichtige Sache gemacht haben: Weiter. Seit dem Release des Spiels haben sie - kostenfrei für Spieler*innen - immer weitere Updates herausgebracht. Diese werden zum Teil nicht groß vorher angekündigt, höchstens durch ein einzelnes Emoji als Tweet von Sean Murray. Aber es gibt keine laute Aussprache mehr über den Wunsch- oder Visions-Zustand des Spieles vor einem Update. Es gibt nur eine Beschreibung aller neuen Funktionen wenn es dann erscheint. Jetzt gerade sind wir sogar in einer Phase des Spiels, wo das Studio an einem neuen Spiel arbeitet, welches es äußerst vorsichtig bewirbt aktuell, aber die neuen gelernten Techniken aus dem neuen Spiel auf No Man's Sky zurückwirft. So wird obwohl der Fokus auf einem neuen Spiel liegt trotzdem die alte riesige Vision weiter mitentwickelt und gepflegt.

No Man's Sky gilt als eine der größten Wiedergutmachungen der Videospielgeschichte. Denn inzwischen kann das Spiel alles, was mal versprochen wurde und noch einiges mehr. Und mit jedem neuen Update gibt es nochmal Verkäufe des Spiels, aber auch Spieler*innen, die gerne zurückkehren. Das Studio ist gewachsen, hat neue Ressourcen, neue Fachkräfte, hat gelernt. Es war mutig und dumm damals die Vision so laut heraus zu brüllen, aber es war mutig und schlau an ihr festzuhalten und am Ende eben alles einzuhalten, was angekündigt wurde.

Wenn ich auf die Kunst schaue, dann sehe ich ähnliches. Wir haben manchmal Visionen und Ideen, für die uns was fehlt oder die wir noch nicht erfüllen können, aber sicher sind, dass wir es erreichen können. Lcu Besson soll an "das fünfte Element" mit Zwölf angefangen haben zu arbeiten, hat den Film dann erst nach mehreren Jahrzehnten verwirklichen können, weil er erst lernen musste und sich die Positionen erarbeiten, um ihn umsetzen zu können. Und dann hat er es gemacht und ein gelungenes Kunstwerk abgeliefert. Wir müssen in die Wunschversion unserer Projekte auch erst reinwachsen. Uns werden Fertigkeiten, Teams, Unterstützung, Ressourcen fehlen, besonders wenn wir eine sehr große Vision haben. Aber deshalb sollten wir sie nicht aufgeben, sondern sie immer mitnehmen, vielleicht laut - damit wir Leute finden die sie teilen können - oder leise, damit wir nicht riskieren, dass wir demotiviert werden, wenn es noch nicht so funktioniert wie wir angekündigt haben. Aber wir können Sean Murray und sein Team als Inspiration nehmen, die weiter gemacht haben, auch wenn es noch nicht das war, was es werden sollten.

Und das stimmt auch für uns selbst. Denn wir haben vielleicht auch bestimmte Bilder vor Augen, wie wir sein wollen mit unserer Kunst und wo. Aber wir müssen das Aufbauen, Entwickeln und eigene Techniken einüben und entwickeln.

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